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Wiederaufbau und Konflikt-Management

In Tadschikistan ist die politische Führung nach dem Bürgerkrieg Mitte der Neunzigerjahre gewillt, deutsche und europäische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Polizei zu reformieren. Die Widerstände, berichtet Monika Hoegen, sind allerdings immer noch groß genug.

Von Monika Hoegen | 05.06.2010
    Ein staubiger Hinterhof in einem Viertel von Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Es ist früher Nachmittag. Stolz führen Beamte der Polizei-Hundestaffel das Können ihrer Drogensuchhunde vor. Dazu haben sie ein paar Päckchen Heroin in den Löchern einer Ziegelwand versteckt. Die Hunde jaulen, bellen, schnüffeln, laufen aufgeregt herum. Ein bisschen Nachhilfe vom Hundeführer brauchen sie noch, doch dann klappt es. Die Beute ist entdeckt.

    Bei der Hundestaffel, die erst vor einem Jahr gegründet wurde, arbeiten auch Aliev Rustan, 24 Jahre alt und sein Schäferhund Teddy. Aliev wollte schon als Kind Polizist werden und ist jetzt stolz darauf, dass sein Traum Wirklichkeit wurde. Dass es in seinem Land eine Polizeireform geben soll, ja, davon habe er gehört, sagt Aliev und versucht zu beschreiben, was er sich darunter vorstellt.

    Aliev Rustan: "”Also, so ganz genau weiß ich es nicht. Aber wenn der Befehl von oben kommt, das zu machen, dann setzen wir das natürlich um. Es geht darum, dass Polizei und Bürger sich gegenseitig gut verstehen. Die Leute müssen uns unterstützen und wir sie. Das war aber bisher auch schon so.""

    Warum dann eine Reform überhaupt nötig sei? Da wird der junge Polizeibeamte unsicher ... So wie Aliev geht es derzeit vielen Polizisten in Tadschikistan: Von einer Reform haben sie nur vage gehört, noch weniger wissen sie, was genau reformiert werden soll. Mal glauben sie, es gehe vor allem ums "Stühle rücken" im zuständigen Innenministerium, mal keimt die Hoffnung auf höhere Löhne und die Ausstattung mit modernen Mobiltelefonen auf. Polizeileutnant Farrukh Khayrulloev ist besser im Bilde. Er nimmt zusammen mit 20 weiteren Kollegen an einem Training der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, teil. Das Training soll Beamte in Führungspositionen auf die Reform vorbereiten.

    Khayrulloev: "Unsere Art zu denken, muss sich ändern. Unsere Haltung gegenüber der Bevölkerung muss sich ändern, unser Verhalten während des Dienstes. Denn sehr oft meinen Leute in Uniform, ihre Befehle dürften nicht hinterfragt werden. Die Befehle müssten sogar ganz genau befolgt werden, auch dann, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen."

    Stattdessen, so Farrukh, müsse sich bei der Polizei endlich der Gedanke durchsetzen, für die Bürger da zu sein. Die Beamten dazu zu motivieren, ist jedoch schwierig. Niedrige Löhne von zum Teil nicht mal 200 Dollar im Monat, fehlende Fahrzeuge, eine schlechte Ausrüstung und Ausbildung kennzeichnen die tadschikische Polizei. Um Beamte angemessen zu bezahlen, dazu ist das Land seit seiner Unabhängigkeit 1991 zu arm. Oliver Janser, Polizeiberater bei der OSZE in Duschanbe, weist auf ein weiteres Problem hin:

    "Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Zivilkrieg sind viele Mitarbeiter in der Polizei abgewandert. Das heißt natürlich, viele hoch qualifizierte Leute sind abgewandert, und das muss man erst mal wieder nach besetzen."

    In den entlegenen Regionen des Landes ist die Situation besonders prekär. Die lokalen Polizeistationen bestehen oft nur aus einem karg eingerichteten Raum, die Armut ist überall zu spüren – auch bei den Diensthabenden. Ob ein Beamter vor Ort pflichtgemäß arbeitet, ist von der Zentrale aus schwer zu kontrollieren. Mit speziellen Programmen versuche man daher, die Polizisten in entlegenen Provinzen zu unterstützen, sagt Oberst Olimov Qurbon Hakimovich vom Innenministerium in Duschanbe:

    "Wir versuchen, sie zu motivieren, indem wir Land bereitstellen, kleine Häuser für die Beamten und Flächen, um selbst was an zu pflanzen, etwas Landwirtschaft zu betreiben. Wir setzen ihre Namen auch auf die Wartelisten für Appartements, damit sie da leichter rankommen."

    Chorbog: ein kleines Dorf im Bezirk Warsob, etwa eine dreiviertel Autostunde nördlich von Duschanbe, in einer idyllischen Landschaft mit sanften grünen Hügeln gelegen: Hier findet heute ein Gemeindetreffen mit der Polizei statt. Salima Buriyeva, Lehrerin aus dem Dorf, setzt Vertrauen in die neue Entwicklung:

    "Zum einen ist es gut, dass wir jetzt hier, direkt bei uns an der Hauptstraße eine kleine Polizeistation haben, sagt Salima. Die Station sorge für mehr Sicherheit. Die Beamten seien auch viel freundlicher als früher. Sie erklärten den Bürgern ihre Rechte und an wen sie sich wenden können, wenn es Probleme gibt."

    Sobald Mikrofone und Kameras ausgeschaltet sind, erzählt jedoch manch einer etwas anderes. Wir haben immer noch wenig Vertrauen zur Polizei heißt es dann. Und wenn man Probleme habe, dann erledige man das lieber "mit Freunden" statt mit der Polizei. Dass solche Defizite keineswegs nur mit Hilfe externer Berater zu beheben sind, räumt auch OSZE-Polizei-Experte Oliver Janser ein:

    "Ne Reform muss von innen kommen. Erst mal der politische Wille muss da sein. Und der ist eindeutig hier. Also erstmal angefangen vom Innenminister, über Head of Departments. Wir haben da sehr, sehr gute Erfahrungen in den ersten Trainings und Workshops, die wir organisiert hatten.

    Der Wille ist wirklich da. Das ist einfach nur wie jedes Change Management, wie wir so schön sagen, muss einfach erst mal in alle Bereiche weitergeführt werden. Das heißt, wenn man was reformieren will, dann muss der komplette Wille da sein und nicht nur von ein paar wenigen."

    Zu den hochrangigen Vertretern, die hinter der Reform stehen, gehört Khaydar Mahmadiev, persönlicher Berater des Innenministers. Er wurde in Deutschland und in den USA geschult und sieht deren Gesetze als Vorbild für Tadschikistan.

    Khaydar: "Zum Beispiel war es in unserer bisherigen Gesetzgebung so, dass Verkehrspolizisten jedes Auto anhalten konnten. In einer entwickelten Gesellschaft aber dürfen nur die Autos gestoppt werden, deren Fahrer gegen eine Verkehrsregel verstoßen haben. Das haben wir jetzt auch bei uns so festgelegt. Diese Regel dürfen die Polizisten nicht mehr verletzen."

    Doch es warten noch schwierigere Aufgaben auf die Reformer: Menschenrechtsverletzungen, unangemessene Gewaltanwendung und willkürliche Festnahmen gehören noch immer zur alltäglichen Praxis tadschikischer Polizisten. Um all das zu ändern, bedarf es gewaltiger Anstrengungen.

    Denn derzeit enden Reformwille und Transparenz spätestens an den Gefängnismauern. Tadschikistan ist eins der wenigen Länder der Welt, in denen das "Internationale Rote Kreuz" Gefängnissen keine unangemeldeten Besuche abstatten darf.