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Wiener und Pariser Charme

Anfang des 20. Jahrhunderts siedelte die Wiener Künstler-Secession mit impressionistischen Malern wie Theodor von Hörmann, Paul Signac und Georges Seurat ihre Sammlung im Schloss Belevedere an. Nun sind ihre Werke, ergänzt durch viele Leihgaben aus ganz Europa und aus Israel, in dem neu rekonstuierten Wiener Schloss in der Ausstellung "Paris - Wien" zu sehen.

Von Beatrix Novy |
    Auch der Eiffelturm hat einmal klein angefangen. Der österreichische Maler Theodor von Hörmann hat einen Augenblick dieser Geburt in Öl festgehalten: Aus dem Boden ragen die ersten, vielleicht 10 Meter hohen Stahlstreben in charakteristischer Schrägposition. Das Werden einer Sache war dem Impressionisten wichtiger als das fertige Ding selbst, und dass der Eiffelturm als das Pariser Postkartenmotiv par excellence im Klischee enden würde, das konnte Hörmann nicht wissen, es hätte ihn nicht interessiert als er die Szene auf dem wüsten Baugrund vor der Stadt in hellen schlammbraunen Farben wiedergab - damals, 1887, als die Klischees und der Impressionismus noch jung waren, und als auch Theodor von Hörmann impressionistisch malte, wie etliche seiner Landsleute und viele andere Ausländer, die der Kunst wegen nach Frankreich gekommen waren, denn dort spielte nun mal die Musik.

    "Es hat viele österreichische Künstler gegeben, die lange in Paris lebten","

    sagt Matthias Böck, Ausstellungs-Mitkurator.

    ""Da hat keiner gefragt, woher sie kamen."

    Damals nicht; aber heute, im neugestalteten Unteren Belvedere, wird ausdrücklich danach gefragt? Wird hier eine Selbstverständlichkeit - nämlich die übernationale Dynamik der Kunstentwicklung - zurückgedreht auf eine Gegenüberstellung nationaler Eigenwege? Gerade nicht, stellt Matthias Böck klar.

    "Der Untertitel lautet ‚Cézanne, van Gogh und Österreichs Moderne’. Es geht nicht um eine nationale Moderne, die es nicht geben kann, und deshalb sagen wir nicht ‚österreichische Moderne’."

    Gustav Klimt und die Künstler der Wiener Secession gelten als besonders typisch wienerische Erscheinungen. Aber ohne die Begegnung mit der Avantgarde von damals hätten sich die Secessionisten 1897 vermutlich nicht so stürmisch, bestimmt nicht so rasch vom blutleeren Mainstream-Akademismus losgesagt. Und noch bevor die Secession die Franzosen, unter ihnen Toulouse-Lautrec, 1903 in ihre eigene Wiener Ausstellung einlud, und zwar ins Belvedere, machte sie Vertreter der allerneuesten, zugespitzten impressionistischen Richtung, des Pointillismus, bekannt: etwa Paul Signac und Georges Seurat, deren Bildauffassung sich bei Gustav Klimt wiederfindet - ein oberösterreichisches Landhaus als Hauptmotiv, das dann aber kaum noch zu sehen ist hinter einer überwältigenden Laub-Pracht, die das Eigentliche ist: Fläche und Struktur, entstanden aus 1000 Farbtupfern. So verfolgt man in dieser Schau vielfach den Weg der Moderne, wie sie, ob in Toulouse Lautrecs melancholischer "Frau im Bett" oder in Josef Engelharts "Loge im Sophiensaal" Personen hart am Bildrand abbildet, hälftig abgeschnitten, weil es auf sie nicht mehr so ankommt wie auf den zufälligen Moment und seine Umgebung.

    Ein Blick auf die Jahreszahlen macht schnell klar, dass österreichische Künstler nicht ihren französischen Kollegen zeitverzögert hinterherhinkten, warum auch: Die modernen Kommunikations- und Verkehrsmittel, die Presse, der Kunsthandel, die wechselseitigen Ausstellungen brachten räumliche und zeitliche Distanzen zum Verschwinden. Aber die Richtung bleibt eindeutig, Impulse von Ost nach West sind mit dem bloßen Auge nicht auszumachen. Hier stehen beziehungsweise hängen sich viele Bilder mit ähnlichem Motiv überraschend auf Augenhöhe gegenüber. Im Seebad von Trouville versammelte Eugène Boudin eine statuarisch aufgereihte Strandgesellschaft, die das Meer lediglich betrachtet, Otto von Thoren zeigt eine muntere Badeszene. Es kann unterhaltsam sein, die Gegenüberstellungen nach deutsch-französischen Kulturunterschieden abzusuchen, wenn etwa der Franzose Albert Besnard die Wissenschaften in einem Reigen aufwärtsstrebender Figuren preist, während Gustav Klimts ganz ähnlich aufgebautes, nur als Kopie erhaltenes Gemälde "Philosophie" einen pessimistisch-düsteren Aspekt hat.

    Auch wenn die hier gezeigten Giganten, also Monet, van Gogh oder Cézanne, die anderen in die Schranken weisen, insgesamt konnten in den Jahren bis zum Erlöschen der Pariser Hegemonie 1960 viele österreichische Künstler ihren bekannteren französischen Kollegen das Wasser reichen. Und die Künstlerinnen ganz genauso. Sie sind stark vertreten hier. Ihr Werk sichtbar gemacht zu haben, ist ein spezielles Verdienst der Ausstellung.