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Wildwuchs auf dem Sojafeld

Eigentlich sollte in Deutschland in diesem Jahr zum ersten Mal auf größeren Flächen Gentech-Mais kommerziell gepflanzt werden, doch mancher Landwirt machte im Frühjahr angesichts der öffentlichen Proteste dann doch einen Rückzieher. Ganz anders dagegen gehen Bauern und Bevölkerung in Rumänien mit dem Saatgut aus dem Gen-Labor um: Dort säen Landwirte seit dem Jahr 2000 in großem Stil gentechnisch veränderte Soja aus.

Von Ralph Ahrens |
    Rumänien ist das einzige europäische Land, in dem gentechnisch veränderte Soja kommerziell angebaut wird. Es sind herbizidresistente Pflanzen der amerikanischen Konzerne Monsanto und Pioneer, die auch dann wachsen, wenn Landwirte das Unkrautvernichtungsmittel Roundup von Monsanto spritzen. Der Anbau dieser Pflanzen gerät aber außer Kontrolle, meint Susanne Fromwald von Greenpeace Ost- und Zentraleuropa mit Sitz in Wien:

    "Das kann man sagen. Rumänien als Eldorado der Gentechnik. Hier gibt es jede Menge Gentech-Pflanzen auf den Feldern und bedauerlicherweise vieles davon nicht mal legal. "

    Denn Bauern behalten einen Teil der Ernte, um Geld zu sparen, um im folgenden Jahr kein neues Saatgut kaufen zu müssen. Das ist zwar illegal – denn sie dürfen die Bohnen nicht als Saatgut einsetzen –, doch die Behörden schreiten nicht ein. Ein Grund ist: Rumänische Politiker und Wissenschaftler halten diese Pflanzen für einen Segen. So auch Elena Badea von der rumänischen Kommission für biologische Sicherheit:

    "Diese Technik ist die Beste für rumänische Landwirte – vom ökonomischen Standpunkt aus. Sie brauchen jetzt nur ein- oder zweimal Herbizide zu spritzen. Und das, obwohl wir hier ein besonderes Problem haben: viele Unkräuter! "

    Langfristig sei das aber nicht gesichert, entgegnet Susanne Fromwald von Greenpeace. Sie verweist auf Studien, die über die Entwicklung in den USA und Argentinien gemacht wurden:

    So hat zum Beispiel eine Untersuchung von Dr. Benbrook aus den USA ergeben, dass in den USA, wo ja großflächig Gentechniksoja angebaut wird, die Pestizide nur in den ersten drei Jahren zurückgegangen sind, dann allerdings massiv angestiegen sind. Und die Studie von Dr. Benbrook wurde mit ganz offiziellen Daten des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums erstellt. "
    Wie auch immer - der illegale Anbau scheint enorme Ausmaße anzunehmen. Drago_ Dima, Landwirtschafts- und Umweltberater sowie ehemaliger Geschäftsführer von Monsanto-Rumänien nennt Zahlen:

    "Gentechnisch veränderte Soja wird auf mehr als 100.000 Hektar angebaut. Auf einem Drittel wächst offiziell zertifiziertes Saatgut. Auf den übrigen Flächen wächst nicht zertifizierte Soja – nämlich das, was die Landwirte zurückbehalten haben. "
    Weil die Behörden nichts dagegen tun, hat das keine Folgen für Landwirte und Hersteller von Sojaprodukten wie Speiseöl oder Margarine. Schwierig wird es mit dem EU-Beitritt werden, weil die rumänischen Firmen dann viele ihrer Produkte als "gentechnisch verändert" kennzeichnen müssen. Drago Dima:

    "Das wird der rumänischen Lebensmittelindustrie noch große Probleme machen, denn sie werden ihre Produkte nicht in der EU verkaufen können. Gleichzeitig werden aber hier Importprodukte auf den Markt drängen, die die EU-Standards einhalten. Wenn sich unsere Bauern und Firmen nicht rechtzeitig umstellen, werden sie einen schmerzhaften Lernprozess durchmachen müssen. "
    Diese Konsequenzen sind in Rumänien größtenteils unbekannt, erklärt Susanne Fromwald von Greenpeace. Das habe auch zu tun, dass sich die rumänische Regierung in Fragen der Gentechnik nicht am europäischen Vorsorgeprinzip orientiert:

    "Derzeit scheint es so zu sein, dass die rumänischen Behörden und Ministerien in Sachen Landwirtschaft und Gentechnik relativ viel auf US-Berater vertrauen. Die rumänische Regierung wäre allerdings aus unserer Sicht besser beraten, wenn sie sich stärker an der EU und der EU-Gesetzgebung orientieren würde.

    ... und an den Wünschen der europäischen Verbraucher – zum Wohle der eigenen Landwirte.