"Wilhelm Kienzl - Lieder"
"Wilhelm Kienzl - Lieder" ist bei dem Versandlabel cpo erschienen und bringt sehr Unbekanntes und einiges Kostbares vom Evangelimann. Es ist nun einmal das posthume Schicksal des Komponisten Wilhelm Kienzl, mit seiner erfolgreichsten Oper identifiziert zu werden und auf diese reduziert zu bleiben. Die Sopranistin Dagmar Schellenberger und der Pianist Peter Stamm haben eine Auswahl aus Liedern produziert, die zum Zuhören zwingt. Kienzl selbst, der sich immerhin bis 1941 überlebte, hat stets große Stücke auf seine Lieder gehalten, und dass er was von Melodie verstand, lässt sich unschwer aus eben seinem "Evangelimann" mühelos heraushören. Aber die Bandbreite an melodischer Erfindung, die auf dieser CD von Dagmar Schellenberger dokumentiert ist, erstaunt doch einigermaßen. Es sind Lieder zu Texten sehr verschiedener literarischer Provenienz, und tatsächlich schlägt sich der unterschiedliche Umgang mit dem Wort auch in der Musiksprache Kienzls nieder. Dieser Mann mit Zwicker und Rauschebart war doch offensichtlich ein Feingeist sondergleichen. Nun zählt der Sopran von Dagmar Schellenberger zum Charmantesten, was sich derzeit auf deutschen Bühnen finden lässt. Mozart zum Beispiel singt sie mit unnachahmlicher Eleganz und mischt stets noch eine kleine, durchaus entzückende Spur Salon drunter, was dem Wolfgang Amadé gewiß sehr gefallen hätte. So ist es ein Ernst von eher romanischer Leichtigkeit, der einem aus diesen Kienzl-Interpretationen entgegentritt, und prompt ist alle Sentimentalität verbannt. Die vier japanischen Lieder op. 47, in den 1880er Jahren entstanden, werden zu ausgesprochenen Preziosen, sparsam im äußeren Aufwand, reich, auch reich an Schattierungen, in der Linienführung der Stimme. Hier möchte ich Ihnen zwei ganz andere Lieder als Kostprobe vorführen: "Augenblicke" op. 55,2 nach einem Text von Robert Hämmerling und "Deine Träume" op. 71,1 auf ein Gedicht der seinerzeit berühmten Sängerin Emmy Destinn. Darin heißt es: "Wie deine Hände leis die Tasten streifen", und das kennzeichnet auch ganz gut den dem Sujet Kienzl adäquaten Stil des Pianisten Peter Stamm. * Musikbeispiel: Wilhelm Kienzl - "Augenblicke" op. 55,2; "Deine Träume" op. 71,1 Dagmar Schellenberger und Peter Stamm mit zwei Liedern von Wilhelm Kienzl. Insgesamt 22 Titel umfasst diese CD, die die beiden für das Versandlabel cpo aufgenommen haben.