William Boyce - Complete Trio Sonatas
Mit der zweiten CD, die ich Ihnen heute vorstellen möchte, verhält es sich völlig anders. Sie ist bei Chandos erschienen und hat zwölf Triosonaten von William Boyce zum Inhalt. Dieser sehr britische Master of the King's Musick lebte von 1711 bis 1779, also bis in die Haydn- und Mozart-Zeit, und er war hoffnungslos hinter seiner Epoche zurück. Als er 1747 seine zwölf Triosonaten für die hergebrachte Besetzung 2 Violinen und continuo veröffentlichte, machten sich Europas Komponisten längst Gedanken über den galanten Stil, und selbst der alte Bach hatte im Zweiten Teil des Wohltemperierten Klaviers hie und da der Versuchung nicht widerstehen können, diese neue Art von Gefühlen anklingen zu lassen. Nicht so der Master Boyce. Der war allerdings ein Meister des Kontrapunkts. Und er machte etwas daraus. Seine Triosonaten stecken voller Einfälle, und das ihm überaus geläufige Procedere des spätbarocken Komponierens komprimiert und verkürzt er auf die kurzweiligste Art. Boyce komponierte sozusagen mit Datenreduktion; er zog mit diesen Triosonaten auf ingeniöse Weise die Summe der Tradition, und er verstand es, dem Moment von Abstraktion, das einem solchen kunstvollen Manierismus innewohnt, eine Fülle von persönlichen Gedanken entgegenzusetzen. Immer wieder wird das Schema der überkommenen Kirchensonate variiert, und es dürfte nur wenige Komponisten gegeben haben, die es verstanden, Fugen als Smalltalk zu schreiben, vorzutragen bitteschön in bestem Oxbridge. Dieser William Boyce hatte unzweifelhaft Humor, wahrscheinlich auch seine Schrullen. Am besten genießt man ihn mit einem Glas guten alten Malts in der Hand - er muß ja nicht von 1747 sein. Jede dieser zwölf Sonaten ist jedenfalls anders, ist eigenwillig, und langweilig wird's nie. Die Triosonaten von William Boyce sind also das exakte Gegenteil von barocker Serienkomposition, und immer gehen sie ein bißchen anders, als man sich's eigentlich gedacht hat. Simon Standage, Micaela Comberti, Jane Coe und Nicholas Parle machen freilich auch etwas daraus. Standage spielt eine wundervolle Grancino von 1685, und Note für Note holt er die persönlichen Gedanken und Empfindungen des Master Boyce heraus. Er färbt den Ton so, daß die einzelnen Sätze wirkliche Charakterstücke werden, und so ist die vierte der Sonaten in g-moll ein Werk überreich an dunklen Tinten, wie Goethe das wohl genannt hätte: Gratioso, Marsch - Grave und Tempo di gavotta. * Musikbeispiel: William Boyce - Triosonate Nr.4 g-moll Das war die neue Platte im Deutschlandfunk. Heute stellten wir Ihnen zwei CDs aus dem Bereich der Alten Musik vor: Johann Sebastian Bach - Concertos mit dem Ensemble Europa Galante, erschienen bei Virgin, und William Boyce - Complete Trio Sonatas, erschienen bei Chandos. Zum Schluß hörten Sie Simon Standage und sein Collegium Musicum 90 mit der Triosonate Nr.4 g-moll von William Boyce. Am Mikrofon bedankt sich Norbert Ely für Ihre Aufmerksamkeit.