Schriftstellern und Journalisten, die sich nicht an die Zensurvorgaben halten, drohen neben einem Arbeits- und Veröffentlichungsverbot auch Zwangsgelder und Verhaftungen.
Lars Liepe: Es können, wenn’s gegen die herrschende Verfassung und gegen andere Bestimmungen verstößt, natürlich auch Gefängnisstrafen durch’s Gericht verhängt werden, oder es gibt eben auch Fälle, wo Leute denn - Journalisten und Schriftstellerinnen - dann eben auch ohne Verhandlung in den Gefängnissen in Untersuchungshaft sitzen, für längere Zeit darin festgehalten werden.
Dieses Schicksal ereilt den burmesischen Journalisten Win Tin am 4. Juli 1989. Bis zu diesem Tag gilt der Herausgeber der in Rangoon erscheinenden regierungskritischen Tageszeitung Hanthawathi der Opposition in Burma als Hoffnungsträger. Gemeinsam mit der späteren Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Khi hat Win Tin die NLD, die National League für Democracy ins Leben gerufen. Win Tin formuliert die Leitlinien der neuen Partei, und er erhebt seine Stimme nicht nur für die demokratische Bewegung, sondern setzt sich auch für einen Dialog ein zwischen den verschiedenen Ethnien des Landes, deren Beziehungen über Jahre hinweg von kriegerischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet sind. Der Journalist genießt einen breit gefächerten Respekt. Sein Wort wird im studentischen Milieu genauso geschätzt wie bei den Mönchen oder den Intellektuellen, sagt der in Berlin lebende burmesisch-stämmige Diplomingenieur Khin Maung Yin.
Khin Maung Yin: Win Tin, er ist prominentester Journalist oder politischer Gefangener in Burma. Er wird geschätzt in der Opposition und eingestuft (als der) politische Kopf der Partei. Die Militärs, die Militärregierung wollte ihn mundtot machen und er sollte keine neuen Ideen in die Opposition bringen; deswegen wurde er zu mehr als 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Als Grund für Win Tins Verhaftung gibt die Regierung an, der Journalist habe gesuchte Straftäter beherbergt. Der Menschenrechtsorganisation ‘Reporter ohne Grenzen’ wurde zugetragen, daß Win Tin vermutlich einer jungen Frau Zuflucht gewährte, die eine Schwangerschaft abgebrochen hat, was in Burma strafbar ist. Das erste Urteil für ihn lautet zunächst drei Jahre Zwangsarbeit, wird aber später zu 11 Jahren Gefängnis ausgeweitet. 1996 bekommt Win Tin noch einmal eine fünfjährige Haftstrafe. Er hatte sich gemeinsam mit anderen Gefangenen an den UN-Referenten für Burma gewandt und auf die katastrophalen Bedingungen in seiner Haftanstalt, dem Insein-Gefängnis , hingewiesen.
Lars Liepe: Der Alltag in den Gefängnissen ist für unsere Verhältnisse kaum vorstellbar, die Leute leben dort unter schlechten sanitären Verhältnissen; es gibt keine medizinische Versorgung; die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Wasser, ist unregelmäßig, und es kommt eben auch sehr häufig vor, daß die Gefangenen gegeneinander aufgehetzt werden, daß dort willkürliche Bestrafungen innerhalb der Gefängnisse stattfinden; es gibt dort nach wie vor Häftlinge, die wochen- und monatelang in Einzelhaft in kleinen Räumen gehalten werden. - Man kann eben davon ausgehen, daß eben auch zum Erpressen von Aussagen eben auch Foltermethoden verwendet werden.
Win Tin ist während seiner Haftzeit schwer erkrankt. Er hat ein ernstliches Herzleiden .Zudem wird vermutet, daß er mit einer lebensbedrohlichen Entzündung des Rückenmarks zu tun hatte. Zwischenzeitlich wird er in ein Militärhospital verlegt, mittlerweile soll man ihn aber wieder in das Insein-Gefängnis verbracht haben. Schicksale wie das von Win Tin, sagt Khin Maung Yin, brennen sich in den Geist der Opposition ein - zumal Win Tin nicht der einzige führende Kopf der NLD in Haft ist, auch andere Parteimitglieder haben ihr Engagement für die Demokratie mit Gefängnisstrafen bezahlt. Auf diese Weise haben die Militärs im Land ein ständiges Klima von Angst erzeugt, weiß Khin Maung Yin.
Khin Maung Yin: Wenn Sie Burmesen kennen, mit Burmesen sprechen; die sagen nicht ihre echte Meinung. Weil Sie Angst haben vor Ihnen, der sie nicht vertrauen. Die haben großes Mißtrauen , damit sie davon keine Nachteile bekommen. Das ist das Problem in Burma. Deswegen auch Frau Daw Aung San Suu Kyi hat das berühmteste Buch geschrieben, das heißt: "Frei von Angst", deutsch übersetzt. Sie wußte genau, die Burmesen haben Angst, ihre politische Meinung frei zu äußern, ihre politische Bewegung frei voranzutreiben. Und da hat sie Mut gemacht. Sie hat gesagt: Wir brauchen keine Angst zu haben; wir sollen unseren gerechten Weg weiter schreiten.
Es ist heute fast auf den Tag genau 10 Jahre her, daß Win Tin, der Herausgeber der Tageszeitung Hanthawathi und Mitbegründer der National League for Democracy, NLD, verhaftet wurde. 10 Jahre, in denen die NLD als der legitime Wahlsieger der Wahlen von 1990 im Land mehr und mehr an Bedeutung verliert. 10Jahre, in denen die Opposition müde geworden ist und Hoffnungslosigkeit sich breit macht. Und - so scheint es - 10 Jahre, die dem Selbstbewußtsein der Militärdiktatur keinerlei Schaden zugefügt haben.