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Windenergie aus zweiter Hand

Es ist ein vollkommen etablierter und akzeptierter Markt: Der Handel mit Gebrauchtwagen, für die, die nicht so viel Geld für das Auto ausgeben können oder ausgeben wollen. Aus zweiter Hand gibt es aber auch andere Dinge: Bücher und Anziehsachen beispielsweise, aber auch Stahlwerke und Textilfabriken. Und es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch gebrauchte Windkraftanlagen auf dem Markt gibt. Denn für langjährige Windparkbetreiber lohnt es sich in vielen Fällen, alte Anlagen durch leistungsfähigere Neubauten zu ersetzen, weil die Standorte knapp sind und neue Windräder viel effizienter arbeiten als die der ersten Generation. Diese ausgedienten Anlagen sind aber oft noch brauchbar und so hat sich mittlerweile ein lukrativer Markt für sie entwickelt.

Von Godehard Weyerer |
    In Reih und Glied liegen jede Menge Rotorenblätter auf dem Freigelände. Ein Stück weiter finden sich die Herzstücke einer Windkraftanlage - die Gondeln mit Getriebe und Generator. Dazwischen demontierte Türme; jedes Stahlrohr-Segment gibt den Blick frei ins Innere - eine Leiter, Kabelstränge, Querverbindungen. Windkraftanlagen kann man meist nur aus großer Entfernung betrachten; auf dem Firmengelände der L&L Rotorservice GmbH liegen sie einem direkt vor den Füßen:

    Tacke 500, die sind verkauft in die Tschechei. Da hinten sind Anlagen, die gehen nach Rumänien. Genau so wie die Vestas hier vorne, die gehen in die Tschechei, die werden von uns aufgebaut. Wir bieten das Know-how an für Demontage und Montage der Anlagen.

    Norbert Lührs ist zuständig für Vertrieb und Verkauf. Die Firma im niedersächsischen Basdahl östlich von Bremen repariert seit 10 Jahren Rotorenblätter. Da spricht es sich schnell herum, wenn eine Anlage verkauft und durch eine neuere und leistungsstärkere ersetzt werden soll. Das kam in den letzten zweieinhalb Jahren immer häufiger vor. Ein neues Geschäftsfeld war erschlossen:

    Ich beziehe auch Anlagen aus Holland und Dänemark und zu 60 Prozent aus Deutschland. Die ältesten sind 12 Jahre alt, die jüngsten sind zwei Jahre alt. Wir vermarkten Anlagen von 80 KW bis 1,5 MW.

    Der Markt für gebrauchte Windkraftanlagen steckt noch in den Anfängen. Aber er boomt. Rund 1.000 Anlagen werden in den nächsten zehn Jahren ausgemustert, schätzen Experten. Rund 100 Secondhand-Anlagen hat das Basdahler Unternehmen im Angebot. Vertriebschef Norbert Lührs:

    Das ist unsere Reparaturhalle, hier werden die Blätter geschliffen und neu aufgespachtelt und präpariert. Schäden werden beseitigt. Wenn die Blätter soweit sind, kommen sie in die nächste Halle und werden lackiert und fertig gemacht. Viele Kunden geben die Anlagen komplett zu uns, lagern hier ein, zwei Monate und dann gehen sie raus in die Weltgeschichte und dann werden sie wieder aufgebaut und können neu starten.

    Der Preis? Sechs Jahre alte Anlagen kosten etwa die Hälfte des Neupreises; bei Windrädern mit einer Laufzeit von 10 Jahren sind es noch 25 Prozent. Was hierzulande nicht mehr gebraucht wird, aber zum Verschrotten zu schade ist, geht nach Südamerika, Südafrika, Südostasien, Osteuropa. Und nach China:

    Ich sag immer: Jeder fängt mal klein an. Und auch in China gibt es viele Regionen mit unterschiedlichen Bedingungen, in denen sich unterschiedliche Windräder lohnen. Meistens liegt die Nachfrage von Anlagen, die wir dahin transportieren, in dem 500-KW-Bereich.

    Auf dem Betriebsgelände, das früher die US-Army nutzte, liegen nicht alle Windkraftanlagen demontiert am Boden. Eine dreht sich fleißig im Wind - eine 500-KW-Anlage aus zweiter Hand. Im Januar wurde sie aufgestellt, ihr Strom wird eingespeist. Und interessierten Kunden weist sie hier im platten Land den Weg zum Verkäufer.