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Windig?

Schossig: Camera Work will hochwertige fotografische Sammlungen zeitgenössischer oder/und klassischer Fotografen kaufen, um 'wertsteigernde Potentiale des Bestandes zu realisieren'. Am Telefon ist nun Ulrich Pohlmann, der Leiter der fotographischen Sammlung im Stadtmuseum München. Herr Pohlmann, das heißt doch im Klartext, dass die Aktiengesellschaft 'Camera Work' mit Fotokunst spekulieren will.

Ulrich Pohlmann, Leiter der Fotografischen Sammlung im Münchener Stadtmuseum, im Gespräch |
    Pohlmann: Ja, vordergründig ist natürlich das Interesse da, aus den Fotografien ökonomisches Kapital zu schlagen. Das ist ja eine Maxime, die natürlich den Interessen der Museen entgegenläuft, da wir ja das Interesse haben, den kulturhistorischen und künstlerischen Wert einer Öffentlichkeit zu erschließen.

    Schossig: Bei Aktien können Sie nicht mithalten. Deutsche Museen haben ja Mini- oder Nullankaufsetats. Die können ja wirklich nicht mit spekulieren.

    Pohlmann: Ja, die Ankaufsetats sind in der Tat eher kläglich zu nennen. Das betrifft also nicht nur die Situation in Deutschland, sondern auch die Nachbarländer in Frankreich und Großbritannien. In der Tat ist auch der Markt mittlerweile zu einem gewissen Teil abgefischt, also wirklich interessante Stücke sind längst nicht mehr so leicht verfügbar. Insofern ist also dieser Wunsch, mit Hilfe der Camera Work AG also noch größere Sammlungen einer besonders künstlerischen Qualität zu sichern, doch nicht so realistisch wie das vielleicht auf dem Papier steht.

    Schossig: Sie bestreiten ja häufig sehr schöne sehenswerte Fotoausstellungen, auch zum Teil Entdeckungen, die man nie zuvor in München im Stadtmuseum gesehen hatte. Sie glauben also, dass der Markt sehr eng ist und dass es kaum noch Schnäppchen gibt, wie die Camera Work sich das vorstellt.

    Pohlmann: Es gibt sicherlich noch Schnäppchen, die man finden kann oder machen kann. Aber durch die vielen Auktionen und auch natürlich durch diesen Sondierungsprozess - das Sammeln von Fotografie kennt ja schon eine Geschichte, die über 150 Jahre zurückliegt - sind natürlich auch viele Archive in den Museen dauerhaft verblieben und gar nicht auf dem Markt.

    Schossig: Es geht Camera Work ja auch nicht nur um Kauf und Verkauf von Fotokunstobjekten, sondern auch um den Handel mit Rechten aller Art, wie es heißt. Lohnt sich das denn überhaupt?

    Pohlmann: Also, auch da wäre ich etwas vorsichtig. Es ist so, dass auch große Agenturen bzw. Bildverwerter vor einigen Jahren versucht haben, die Bild- und Urheberrechte an Fotografen zu erwerben. Dieses Geschäft ist längst nicht so lukrativ wie sich das manchmal vom Hörensagen ausnimmt. Es gibt auch da einen harten Konkurrenzkampf. Es gibt viele Agenturen, die dieses Geschäft betreiben. Insofern sehe ich da die Zukunftsaussichten nicht so rosig.

    Schossig: Die Camera Work AG will sich außerdem nicht nur am Markt engagieren, sondern auch talentierten jungen Fotokünstlern Apanagen zahlen, die wahrscheinlich nicht so sehr hoch sind, um diese von ihnen billig erworbenen Werke später mit Extragewinnen zu versilbern. Ist das nicht auch eher eine riskante Geldanlage, wo man sehr genau hinschauen muss?

    Pohlmann: Ich kann nicht beurteilen, ob das riskant ist oder nicht. Aber ich glaube nicht, dass diese Form des Mäzenatentums die richtige ist. Wenn also die Künstler tatsächlich nur den reinen ökonomischen Mehrwert ihrer Arbeit vor Augen haben, dann kann das möglicherweise also auch zu erheblichen Qualitätseinbußen führen.

    Schossig: Nun gibt es schließlich noch Interessenskollisionen. Marktbeobachter warnen, dass es zu solchen Konflikten kommen wird. Ein Beispiel ist der internationale Großsammler, Manfred Heiting, aus Amsterdam, der im Aufsichtsrat der Camera Work AG sitzt und gleichzeitig die Kölner SK-Stiftung Kultur und das Rijksmuseum in Amsterdam berät. Da beißt sich doch etwas.

    Pohlmann: Das mutet in der Tat etwas seltsam an. Dass Herr Heiting nun im Aufsichtsrat der Camera Work AG sitzt, die ja nur dieses dezidierte Ziel hat, Fotografien ausschließlich zu vermarkten und dass er auf der anderen Seite diese Tätigkeit als Berater von Museen hat, ist schon etwas widersprüchlich. Er ist ja ein Kollege, der sehr profunde Kenntnisse der Geschichte der Fotographie des 19. und des 20. Jahrhunderts besitzt. Ich kann mir das nicht erklären. Ich glaube, da müssen Sie ihn selber noch mal fragen.

    Schossig: Das werden wir bei Gelegenheit tun können. Vielen Dank, Herr Pohlmann!

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