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"Wir brauchen ein System, was unbürokratisch und schnell ist"

Bei Bewerbungen ausländischer Fachkräfte müssten Arbeitgeber genau hinschauen, ob die formal vorgelegten Qualifikationen mit den tatsächlichen Fähigkeiten übereinstimmten, sagt Dieter Lenzen, Mitglied der Hochschulrektorenkonferenz.

Dieter Lenzen im Gespräch mit Manfred Götzke | 22.06.2011
    Manfred Götzke: Sieben Jahre und ein Zweitstudium später hat es dann auch schon geklappt mit der Anerkennung - das nenne ich doch mal unbürokratisch und zuwanderungsfreundlich. Ich möchte darüber jetzt mit Dieter Lenzen sprechen, er ist Präsident der Universität Hamburg und bei der Hochschulrektorenkonferenz zuständig für Internationales. Guten Tag, Herr Lenzen!

    Dieter Lenzen: Guten Tag!

    Götzke: Herr Lenzen, kann es sich Deutschland, die deutsche Wirtschaft leisten, dass ausländische Bewerber hier noch mal ein Studium draufsatteln, weil ihr Abschluss nicht anerkannt wird?

    Lenzen: Nein, natürlich nicht, denn die Situation ist in vielen Bereichen dramatisch genug, insbesondere natürlich bei den Ingenieurwissenschaften. Es kommt vielmehr darauf an, die richtigen Personen auf die richtigen Positionen zu finden, was naturgemäß nicht ganz einfach ist, denn es ist ja keineswegs so, dass in allen Branchen ein Fachkräftemangel herrscht.

    Götzke: Ist denn das System der Anerkennung gerecht, oder bräuchten wir da ein anderes System?

    Lenzen: Ich glaube, das Entscheidende für den Arbeitgeber am Ende ist ja dieses, dass die Person, die er einstellt, die Qualifikationen auch tatsächlich hat, und zwar nicht formal, auf dem Papier, sondern im Vollzug des Lebens auch tatsächlich hat, die er benötigt. Welche Möglichkeiten gibt es? Die schwierigere ist natürlich, zu testen, ob die Person das kann, was man von ihr erwartet - das ist in dem Maße möglich, in dem es ja Probezeiten gibt und möglicherweise dann eine solche Probezeit erfolglos beendet werden kann. Einfacher wäre es natürlich, wenn man sich darauf verlassen kann, dass die formal vorgelegten Abschlüsse den tatsächlichen Qualifikationen entsprechen. Das ist aber nicht mal in Deutschland immer der Fall, insofern muss man genau hinschauen. Wir brauchen ein System, was unbürokratisch und schnell ist, ohne umgekehrt ein Zuwanderungsgeschehen zu eröffnen, was am Ende nicht dazu führt, dass der Fachkräftemangel beseitigt wird, sondern im Grunde eine ziellose Zuwanderung wäre.

    Götzke: Was die Erleichterung für Zuwanderer angeht, gibt es heute bei dem Treffen in Meseberg wohl nur ganz kleine Schritte. Die Regierung will ja wohl vor allem Inländer, Frauen mobilisieren, wie wir gerade gehört haben. Reicht das aus?

    Lenzen: Wir müssen davon ausgehen, dass die demografische Entwicklung ja nicht über Nacht eintritt, sondern dass es Schritt für Schritt einen größeren Bedarf geben wird. Ich glaube, was im Augenblick wichtig ist, ist dieses, dass wir uns daran gewöhnen, diese Bewerbungen zuzulassen, dass wir selber suchen nach entsprechenden Kräften. Insofern ist das zunächst mal der Schritt in die richtige Richtung. Ich bin aber ziemlich sicher, dass es sehr schnell weitergehen muss. Wir erleben ja jetzt bereits in den süddeutschen Ländern, dass wir dort einen Fachkräftemangel im Bereich der Ingenieure und Techniker von jährlich 30.000 haben, sodass das nicht genügen wird, Ehefrauen oder Ehemänner zu aktivieren.

    Götzke: Ausländer müssen hier mindestens 66.000 Euro verdienen, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, eine dauerhafte. Daran wurde heute auch nicht gerüttelt. Wie viele junge Fachkräfte bekommen denn überhaupt so viel Geld, wenn sie anfangen?

    Lenzen: Ja, das ist etwas schwierig zu sagen. Die 66.000 sind ja ein Bruttobetrag, das heißt, die Kosten für den Arbeitgeber sind noch höher, weil er ja noch Sozialversicherungen abführen muss. Das heißt, wir haben es zu tun bei 66.000 mit sehr arrivierten akademischen Positionen für Berufsanfänger, die natürlich eher selten sind. Wenn Sie sich das nur etwa im wissenschaftlichen Bereich anschauen, so ist es so, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter dort etwa nur 30.000, 35.000 Euro verdienen. Diese hätten, wenn es nicht das Wissenschaftlergesetz gäbe, hätten schon keine Chance mehr, mit hineinzukommen. Das gibt es aber in anderen Bereichen natürlich auch, insofern wäre hier eine Absenkung angemessen. Gemeint war damit wohl ursprünglich mal ein Schutz vor Zuwanderung, der am Ende dazu führt, dass die Bundesrepublik zuzahlt, weil dadurch zu viele Nebenkosten entstehen.

    Götzke: Herr Lenzen, noch mal ganz kurz ein anderes Thema: Gestern erreichte uns die Meldung, dass die HRK-Präsidentin Margret Wintermantel zum Deutschen Akademischen Austauschdienst wechselt. An der Spitze der Hochschulrektorenkonferenz ist also ein Plätzchen frei. Haben Sie Interesse?

    Lenzen: Wenn ich dieses hätte, würde ich dieses sicherlich nicht in der Öffentlichkeit mitteilen.

    Götzke: Okay, das ist eine klare Antwort. Vielen Dank, Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg und in der Hochschulrektorenkonferenz verantwortlich für Internationales.