Kate Maleike: Den Doktor künftig strukturierter machen, in einer dritten Stufe des Studiums nämlich, das ist der Kern der Promotionsreform, die im Rahmen des Bolognaprozesses angestrebt ist und um die es hier jetzt noch mal gehen soll. Im Mai ist sie ja Thema auf der nächsten großen Konferenz der europäischen Ressortminister in London. Dass diese Reform an technischen Hochschulen in den Ingenieurswissenschaften nicht begrüßt wird, das haben wir gerade im Beitrag schon hören können. Wie aber sehen die Doktoranden das selbst und was genau wird sich mit der Reform für sie ändern?
Christian Säfken ist Bundesvorsitzender des Doktorandennetzwerkes THESIS. Guten Tag Herr Säfken!
Christian Säfken: Schönen guten Tag Frau Maleike!
Maleike: Wie steht denn Ihr Netzwerk, wie steht THESIS zur Promotionsreform?
Säfken: Ja, die Promovierenden, die bei THESIS organisiert sind, die sind nicht grundsätzlich gegen Graduiertenschulen. Allerdings haben die das Interesse, dass die bisherigen Promotionsmöglichkeiten ergänzt werden, aber nicht ersetzt komplett durch dieses strukturierte Promotionsstudium. Für uns ist es ganz wichtig, die bisherigen Zugänge zu erhalten, die Flexibilität, die das speziell deutsche Promotionsstudium mit sich bringt, zu erhalten. Beispielsweise ist ja in dem angloamerikanischen Modell dieser dreistufigen Ausbildung Bachelor, Master, Ph. D, das unterscheidet sich ja wesentlich von der deutschen Promotionsphase. Während der Ph. D im angloamerikanischen Modell eine dritte Stufe der universitären Ausbildung ist, die direkt auf eine Hochschulkarriere zielt und in der sich die Promovierenden als Schüler verstehen in einem reinen Ausbildungsverhältnis, ist das deutsche Doktoratsstudium darauf ausgelegt, möglicherweise in die Wissenschaft zu gehen, häufig aber auch in die Wirtschaft oder in einen Beruf außerhalb der Wissenschaft zu kommen, und da ist der Promovierende natürlich auch ein Lernender, aber auch ein Forschender. Das ist also eine Besonderheit, eine Doppelstellung, auf die wir auch nicht verzichten wollen.
Maleike: Das kommt Ihnen jetzt bei der Reform zu kurz?
Säfken: Das kommt mir bei der Reform zu kurz. Mir kommen verschiedene andere Fragen ebenfalls zu kurz. Das betrifft beispielsweise die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Promotion. Es gibt viele Promovierende in Deutschland, die nicht direkt institutionell eingebunden sind, die extern promovieren, die mit Familie promovieren. Das ist gerade eine Frage, die auch im frauenpolitischen Kontext relevant ist, wo sich die Frage stellt, wie ist das vereinbar, wie wird das finanziert. In einem strukturierten Promotionsstudium stellt sich die Frage, wie können solche Lebenssituationen vereinbart werden und wie sieht es dann aus mit Fragen der Finanzierung, mit Fragen der Organisation. Beispielsweise promovieren auf einer halben Stelle: Ist das in diesem Programm noch möglich?
Maleike: Ich höre so ein bisschen daraus, dass Sie eigentlich auch befürchten, dass der deutsche Doktorand ein Stück Freiheit verliert. Stimmt das?
Säfken: Das stimmt durchaus. Die Frage ist: Kann er durch so ein strukturiertes Promotionsstudium eine gewisse Freiheit als Lernender gewinnen, verliert er dabei die Freiheit als Forschender? Wie sieht es beispielsweise aus, unabhängig von so einem Graduiertenprogramm zu veröffentlichen in Aufsätzen, das wird auch in einem internationalen Kontext immer wichtiger, da in die richtigen Zeitschriften zu kommen. Die Frage ist weiterhin, wie sieht es aus mit Kongressbesuchen, mit eigenständiger Forschung, auch mit Themen der Promotion, die sich jenseits des Graduiertenkollegs oder des strukturierten Promotionsstudiums befinden.
Maleike: Aber es könnte doch auch sein, und es gibt ja auch den einen oder anderen Hänger während der Promotionsphase, dass gerade ein Graduiertenprogramm auch eine Stütze sein kann. Das wollen ja die Reformer dadurch auch erreichen.
Säfken: Ich spreche keineswegs gegen eine Stütze. Ich spreche keineswegs gegen disziplinären und interdisziplinären fachlichen Austausch. Das will ich damit gar nicht ausschließen, und deswegen sind wir auch nicht völlig gegen solche Programme. Wir wehren uns aber dagegen, dass diese Programme ausschließlich die Möglichkeit zur Promotion bieten sollen.
Maleike: Sie sind ja selbst gerade dabei, Ihren Doktor zu machen, promovieren fachfremd und extern, wie es so schön heißt, an der medizinischen Hochschule in Hannover in Medizinrecht und Medizinethik. Das heißt, Sie erleben die Situation der Doktoranden im Moment hautnah. Ist denn da wirklich alles Gold, was glänzt?
Säfken: Nein, da ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt, und ich bin ja auch im Kontakt mit vielen Kollegen. THESIS ist ein Promotionsnetzwerk, was viele Doktoranden der verschiedensten Fachrichtungen in ganz Deutschland an den unterschiedlichsten Hochschulen in verschiedensten Bezügen vereint, und da kann ich aus der eigenen Erfahrung vor allem natürlich sagen, da ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Allerdings ist auch nicht alles schlecht. Wir sollten also nicht so tun, als ob das Promotionsstudium in Deutschland nur nachteilig wäre und das angloamerikanische Modell ausschließlich Vorteile mit sich bringt. Ich denke, wenn man das amalgamiert und das Beste aus beiden Welten zusammenbringt, dann bringt das einen wirklichen Fortschritt.
Maleike: Welche Konsequenzen wird die Reform für den deutschen Wissenschaftsbetrieb mit sich bringen? Was glauben Sie, wird das so was wie ein Erdbeben sein, weil die Doktoranden ja auch plötzlich ganz anders im Betrieb Wissenschaft aktiv müssen? Das wird sich ja einiges verändern.
Säfken: Ich glaube nicht an ein Erdbeben. Ich glaube auch nicht, dass die Beschlüsse, die möglicherweise in London gefasst werden, in der Form, wie sie gefasst werden, ausschließlich so umgesetzt werden in Deutschland. Ich glaube eher daran, dass sich das strukturierte Promotionsstudium als zusätzliche Möglichkeit entwickelt für Promovierende, in eine sehr intensive Arbeitsbeziehung zu treten, aber ich glaube nicht, dass es die bisher massiven Möglichkeiten zu promovieren, beispielsweise auf Stellen als wissenschaftlicher Mitarbeiter, beispielsweise in Drittmittelprojekten oder auch in der Industrie, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese ganzen Stellen verschwinden werden.
Maleike: Wie schätzen Sie denn die Chancen ein, dass über die Promotionsreform doch noch mal nachgedacht wird auf der Bolognanachfolgekonferenz?
Säfken: Na ja, also eine Konferenz, auf der nicht diskutiert und nachgedacht wird, die wäre sinnlos. Natürlich stehen die Beschlüsse nicht von vorne herein fest.
Maleike: Was würden Sie denn den Bildungspolitikern in diesem Zusammenhang noch als Botschaft mit auf den Weg geben.
Säfken: Denen würde ich als Botschaft mit auf den Weg geben: Tut das, was ihr von uns immer verlangt, nämlich seid flexibel, erlaubt Flexibilität, denkt an Lebenssituationen der Promovierenden, des wissenschaftlichen Nachwuchses, die nicht stromlinienförmig sich in ein bestimmtes Lebensmodell einfassen, und dann, denke ich, kann es einen guten Kompromiss geben!
Christian Säfken ist Bundesvorsitzender des Doktorandennetzwerkes THESIS. Guten Tag Herr Säfken!
Christian Säfken: Schönen guten Tag Frau Maleike!
Maleike: Wie steht denn Ihr Netzwerk, wie steht THESIS zur Promotionsreform?
Säfken: Ja, die Promovierenden, die bei THESIS organisiert sind, die sind nicht grundsätzlich gegen Graduiertenschulen. Allerdings haben die das Interesse, dass die bisherigen Promotionsmöglichkeiten ergänzt werden, aber nicht ersetzt komplett durch dieses strukturierte Promotionsstudium. Für uns ist es ganz wichtig, die bisherigen Zugänge zu erhalten, die Flexibilität, die das speziell deutsche Promotionsstudium mit sich bringt, zu erhalten. Beispielsweise ist ja in dem angloamerikanischen Modell dieser dreistufigen Ausbildung Bachelor, Master, Ph. D, das unterscheidet sich ja wesentlich von der deutschen Promotionsphase. Während der Ph. D im angloamerikanischen Modell eine dritte Stufe der universitären Ausbildung ist, die direkt auf eine Hochschulkarriere zielt und in der sich die Promovierenden als Schüler verstehen in einem reinen Ausbildungsverhältnis, ist das deutsche Doktoratsstudium darauf ausgelegt, möglicherweise in die Wissenschaft zu gehen, häufig aber auch in die Wirtschaft oder in einen Beruf außerhalb der Wissenschaft zu kommen, und da ist der Promovierende natürlich auch ein Lernender, aber auch ein Forschender. Das ist also eine Besonderheit, eine Doppelstellung, auf die wir auch nicht verzichten wollen.
Maleike: Das kommt Ihnen jetzt bei der Reform zu kurz?
Säfken: Das kommt mir bei der Reform zu kurz. Mir kommen verschiedene andere Fragen ebenfalls zu kurz. Das betrifft beispielsweise die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Promotion. Es gibt viele Promovierende in Deutschland, die nicht direkt institutionell eingebunden sind, die extern promovieren, die mit Familie promovieren. Das ist gerade eine Frage, die auch im frauenpolitischen Kontext relevant ist, wo sich die Frage stellt, wie ist das vereinbar, wie wird das finanziert. In einem strukturierten Promotionsstudium stellt sich die Frage, wie können solche Lebenssituationen vereinbart werden und wie sieht es dann aus mit Fragen der Finanzierung, mit Fragen der Organisation. Beispielsweise promovieren auf einer halben Stelle: Ist das in diesem Programm noch möglich?
Maleike: Ich höre so ein bisschen daraus, dass Sie eigentlich auch befürchten, dass der deutsche Doktorand ein Stück Freiheit verliert. Stimmt das?
Säfken: Das stimmt durchaus. Die Frage ist: Kann er durch so ein strukturiertes Promotionsstudium eine gewisse Freiheit als Lernender gewinnen, verliert er dabei die Freiheit als Forschender? Wie sieht es beispielsweise aus, unabhängig von so einem Graduiertenprogramm zu veröffentlichen in Aufsätzen, das wird auch in einem internationalen Kontext immer wichtiger, da in die richtigen Zeitschriften zu kommen. Die Frage ist weiterhin, wie sieht es aus mit Kongressbesuchen, mit eigenständiger Forschung, auch mit Themen der Promotion, die sich jenseits des Graduiertenkollegs oder des strukturierten Promotionsstudiums befinden.
Maleike: Aber es könnte doch auch sein, und es gibt ja auch den einen oder anderen Hänger während der Promotionsphase, dass gerade ein Graduiertenprogramm auch eine Stütze sein kann. Das wollen ja die Reformer dadurch auch erreichen.
Säfken: Ich spreche keineswegs gegen eine Stütze. Ich spreche keineswegs gegen disziplinären und interdisziplinären fachlichen Austausch. Das will ich damit gar nicht ausschließen, und deswegen sind wir auch nicht völlig gegen solche Programme. Wir wehren uns aber dagegen, dass diese Programme ausschließlich die Möglichkeit zur Promotion bieten sollen.
Maleike: Sie sind ja selbst gerade dabei, Ihren Doktor zu machen, promovieren fachfremd und extern, wie es so schön heißt, an der medizinischen Hochschule in Hannover in Medizinrecht und Medizinethik. Das heißt, Sie erleben die Situation der Doktoranden im Moment hautnah. Ist denn da wirklich alles Gold, was glänzt?
Säfken: Nein, da ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt, und ich bin ja auch im Kontakt mit vielen Kollegen. THESIS ist ein Promotionsnetzwerk, was viele Doktoranden der verschiedensten Fachrichtungen in ganz Deutschland an den unterschiedlichsten Hochschulen in verschiedensten Bezügen vereint, und da kann ich aus der eigenen Erfahrung vor allem natürlich sagen, da ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Allerdings ist auch nicht alles schlecht. Wir sollten also nicht so tun, als ob das Promotionsstudium in Deutschland nur nachteilig wäre und das angloamerikanische Modell ausschließlich Vorteile mit sich bringt. Ich denke, wenn man das amalgamiert und das Beste aus beiden Welten zusammenbringt, dann bringt das einen wirklichen Fortschritt.
Maleike: Welche Konsequenzen wird die Reform für den deutschen Wissenschaftsbetrieb mit sich bringen? Was glauben Sie, wird das so was wie ein Erdbeben sein, weil die Doktoranden ja auch plötzlich ganz anders im Betrieb Wissenschaft aktiv müssen? Das wird sich ja einiges verändern.
Säfken: Ich glaube nicht an ein Erdbeben. Ich glaube auch nicht, dass die Beschlüsse, die möglicherweise in London gefasst werden, in der Form, wie sie gefasst werden, ausschließlich so umgesetzt werden in Deutschland. Ich glaube eher daran, dass sich das strukturierte Promotionsstudium als zusätzliche Möglichkeit entwickelt für Promovierende, in eine sehr intensive Arbeitsbeziehung zu treten, aber ich glaube nicht, dass es die bisher massiven Möglichkeiten zu promovieren, beispielsweise auf Stellen als wissenschaftlicher Mitarbeiter, beispielsweise in Drittmittelprojekten oder auch in der Industrie, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese ganzen Stellen verschwinden werden.
Maleike: Wie schätzen Sie denn die Chancen ein, dass über die Promotionsreform doch noch mal nachgedacht wird auf der Bolognanachfolgekonferenz?
Säfken: Na ja, also eine Konferenz, auf der nicht diskutiert und nachgedacht wird, die wäre sinnlos. Natürlich stehen die Beschlüsse nicht von vorne herein fest.
Maleike: Was würden Sie denn den Bildungspolitikern in diesem Zusammenhang noch als Botschaft mit auf den Weg geben.
Säfken: Denen würde ich als Botschaft mit auf den Weg geben: Tut das, was ihr von uns immer verlangt, nämlich seid flexibel, erlaubt Flexibilität, denkt an Lebenssituationen der Promovierenden, des wissenschaftlichen Nachwuchses, die nicht stromlinienförmig sich in ein bestimmtes Lebensmodell einfassen, und dann, denke ich, kann es einen guten Kompromiss geben!