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Wird Bildungspolitik zur Wirtschaftspolitik?

Stetig und relativ unbemerkt verändert sich die Regeln auf dem internationalen Bildungsmarkt. Staatliche Einrichtungen wie die meisten Hochschulen in Deutschland geraten zunehmend unter Druck. Denn wenn Bildung nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten als eine Ware aufgefasst wird, dann muss auch der internationale Warenaustausch geregelt werden. Die Welthandelsorganisation WTO verhandelt nun darüber, inwieweit Bildung zu den Dienstleistungen zählt, für die Handelsbarrieren gesenkt werden sollen. Bis 2005 soll das ''General Agreement on Trade in Services'' (GATS) als internationales Dienstleistungsabkommen den Wettbewerb in Sachen Bildung erleichtern.

    Bildung ist schon heute ein Riesengeschäft, in dem Milliardenbeträge verschoben werden. Global Player sind auch hier die USA, und sie drängen wie viele andere Staaten auf Expansion ins Ausland. Den passenden Rahmen sollen die GATS-Vereinbarungen schaffen. Rund 10 Milliarden Dollar jährlich spielt der amerikanische Bildungssektor ein und erreicht damit den fünften Rang in der US-Exportwirtschaft - Tendenz steigend. Zusammen mit Gesundheit und Wasser ist Bildung einer von drei großen Märkten der Zukunft, sagen Experten. Kritiker befürchten, dass Bildung nur noch eine Ware sein wird und dass große Konzerne den Markt als alleinige Anbieter bestimmen. Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, will nicht zulassen, dass Bildungspolitik der Handelspolitik unterworfen wird: "Zunächst muss man akzeptieren, dass Bildung, Hochschulbildung wie auch Weiterbildung Dienstleistungen sind. Daraus leitet sich zunächst eine generelle Gültigkeit eines Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen ab. Andererseits ist aber Bildung, insbesondere Hochschulbildung, auch eine Kulturtatsache, eine Kulturprägung. Da sie für die Menschen, die sie durchlaufen, auch eine existenzielle Bedeutung hinsichtlich der Qualität der Abschlüsse hat, die man erst in einigen Jahren feststellen kann, muss man aufpassen, dass nicht Billiganbieter zu minderen Konditionen in einen Markt eindringen, ihn abschöpfen und wieder verschwinden."

    Gegen den (Aus)-Verkauf der Bildung hat sich die Initiative "Education is not for sale!" formiert, die von Studierenden getragen wird. Sie befürchten die Kommerzialisierung der Hochschule und der Forschung. Manche sehen in GATS sogar die Gefahr, dass die traditionelle europäische Hochschule als ein Ort des Lernen, Lehren und Forschen ausgehöhlt wird. Peter J. Weber vom Institut für International und Interkulturell vergleichende Erziehungswissenschaft I2 der Uni Hamburg mahnt zur Sachlichkeit. Die Entwicklung zu mehr Wirtschaftlichkeit im Bildungswesen habe bereits in den Neunzigerjahren begonnen. Schließlich spiele der Hochschulsektor für das Wirtschaftswachstum eine bedeutende Rolle - bei zurückgehenden öffentlichen Mitteln. Wichtig sein nun, das richtige Gleichgewicht zwischen Privatisierung und Verstaatlichung des Sektors herzustellen.

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    "Bildung als Ware" lautet auch das Thema des Samstags-Specials in Campus und Karriere am 27.7.2002. Zu Gast im Studio ist der Bildungsexperte Peter J. Weber. Fragen zum Thema können Sie während der Sendung (14:05-15:00 Uhr) über die kostenlose Hörer-Hotline an den Experten richten: 00800 - 4464 4464 oder schon jetzt per Mail an campus@dradio.de