Umso höher ist der Mut der Hamburger Deichtorhallen zu veranschlagen, eine riesige, nahezu ungeteilte Hallenfläche von dreitausend Quadratmetern für vergleichsweise kleinteilige Installationen zu öffnen Haackes zu öffnen - Arbeiten, die weit in die Anfänge des heute Siebzigjährigen zurückreichen - und dabei auf allgemein bekannte Werke wie den Pflanzentrog aus dem Reichtags oder die bedeutende "Germania"-Installation aus Venedig zu verzichten.
In Hamburg erscheint Haackes Werk von einer Seite, die hinter seinen öffentlichkeitswirksamen Aktionen verschwunden zu sein schien: seine frühe Entwicklung aus der Anti-Ästhetik der Künstlergruppe "Zero" heraus, der er in den sechziger Jahren angehörte. Seine Rezeption von Marcel Duchamp und den Dadaisten, schließlich auch der frühen Minimal Art und Konzeptkunst, wobei Haacke selbst an dieser Stelle eher auf sein Vorbild der russischen Konstruktivisten wie El Lissitzky oder Rodschenko verweist. Am Anfang stehen relativ strenge Objektarbeiten, kleine Spiegelquadrate, Wasserwaagen - überhaupt fällt die Vorliebe für klare geometrische Formen bei Haacke auf, die die riesige Nordhalle am Hamburger Deichtor eher schüchtern ausfüllen. Ein kegelförmiger Grashügel hier, drei monumentale, rechteckige Spiegelwände dort, die ein Projekt aus Haackes frühester Zeit sind, wie auch die situationistischen Fotografieserien von der Kasseler documenta 1957, die Haacke damals noch als Student besuchte. An diesen Werken wird deutlich, dass Haacke einer der ersten deutschen, wenn nicht europäischen Künstler überhaupt war, die die Strömung der Minimal und Concept Art aus Amerika aufnahmen. Später kamen ökologische Aspekte hinzu, wie etwa bei der Installation "Weißer Fluß", bei der ein riesiges weißes Seidentuch von mehreren Ventilatoren auf dem Boden in Wellenbewegungen versetzt wird - ein frühes Stück "Land Art" für die Halle.
Haackes seit den sechziger Jahren immer stärker hervortretende Kritik an Institutionen und am Wirtschaftssystem mag ebenfalls aus der Konzeptkunst kommen, aber sie geht deutlich über den Kunstbereich hinaus - sie nimmt sich die Wirtschaftsunternehmen, Politiker oder den Alltag aus den Medien ganz konkret vor, und er nennt Namen. Nicht zuletzt darin ist auch ein Motiv dafür zu sehen, dass Haacke für die heutige Retrospektive darauf bestanden hat, allein auf Steuermittel etwa durch die Bundeskulturstiftung zurückzugreifen und damit das inzwischen gängig gewordene Anwerben von "Drittmitteln" durch Museen zu konterkarieren. Wenigstens einen Teil der Kunstkritik dürfte er damit auch immer noch auf seiner Seite haben.
Haacke, darin fast wie ein Günter Wallraff der Kunstszene, recherchiert seit den siebziger Jahren immer wieder die Geschichte von Unternehmen, die diese gern verborgen hätten, er bohrt in der fehlgeschlagenen Entnazifizierung Deutschlands, entlarvt heuchlerisches Kultursponsoring. Berühmt ist seine Fotoinstallation über den New Yorker Immobilienspekulanten Shapolsky Anfang der siebziger Jahre, die dazu führte, dass eine geplante Ausstellung Haackes im Guggenheim Museum kurzfristig abgesagt wurde, weil jener Shapolsky-Clan zugleich Sponsor des Museums war und mißliebige Kunst nicht duldete. Vermutlich ein Schlüsselerlebnis für Haacke, der daraufhin zum Radikalkritiker des privaten Kultursponsorings wurde. Seitdem sind Wirtschafts- und Gesellschaftskritik in seinem Werk dominant.
Der Berliner Teil der Ausstellung in der Akademie der Künste zeigt diesen, zweifellos prominenteren Teil von Haackes Werk. Dieser Ausstellungsteil hat es auch deswegen leichter, öffentlich aufzufallen, weil die Akademie am Pariser Platz als Ort Haackes Leidenschaft für historische Recherchen entgegenkommt. Seine 1974er Arbeit über die Provenienz des berühmten "Spargel-Stillebens" von Manet bezieht sich deshalb schon auf die ungute Akademie-Geschichte, weil sowohl der ehemalige Akademie-Präsident Max Liebermann als auch der seinerzeitige NS-Finanzier und spätere Deutsche-Bank-Vorstand Hermann Joseph Abs einmal Besitzer des Gemäldes waren. Im Hauptausstellungsraum, in dem auch einmal Albert Speers Germania-Modell stand, sieht man als Großfotografie Haackes "Germania"-Installation von 1993, mit der er auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen gewann. Der aufgebrochene Boden des Deutschen Pavillons mit der Aufschrift von Hitlers Fantasiemetropole des Dritten Reiches ist sicher immer noch Haackes beeindruckendste Arbeit, in dem seine formalen und inhaltlichen Bezüge so dicht wie kaum sonst noch einmal zusammenfließen.
Haackes Werk fehlt zweifellos der abgründige Hintersinn eines Bruce Nauman, es besitzt keine spirituelle Grundierung wie bei Joseph Beuys. Auffallend ist zudem Haackes völliger Verzicht auf sogenannte "neue" Medien. Unter den heutigen explizit politischen Künstlern könnte man sein Werk am ehesten noch mit dem von Santiago Sierra vergleichen, der ähnlich wie Haacke mit der Methode der Recherche und der ironisch inszenierten Anprangerung von sozialer Unfreiheit arbeitet. Aber auch gegen Sierra wirkt Haacke insgesamt ausgesprochen diskret, seine Provokationen sind leise - wenn auch das Medienecho, das sie erzeugen, mitunter darüber hinwegtäuscht.
In Hamburg erscheint Haackes Werk von einer Seite, die hinter seinen öffentlichkeitswirksamen Aktionen verschwunden zu sein schien: seine frühe Entwicklung aus der Anti-Ästhetik der Künstlergruppe "Zero" heraus, der er in den sechziger Jahren angehörte. Seine Rezeption von Marcel Duchamp und den Dadaisten, schließlich auch der frühen Minimal Art und Konzeptkunst, wobei Haacke selbst an dieser Stelle eher auf sein Vorbild der russischen Konstruktivisten wie El Lissitzky oder Rodschenko verweist. Am Anfang stehen relativ strenge Objektarbeiten, kleine Spiegelquadrate, Wasserwaagen - überhaupt fällt die Vorliebe für klare geometrische Formen bei Haacke auf, die die riesige Nordhalle am Hamburger Deichtor eher schüchtern ausfüllen. Ein kegelförmiger Grashügel hier, drei monumentale, rechteckige Spiegelwände dort, die ein Projekt aus Haackes frühester Zeit sind, wie auch die situationistischen Fotografieserien von der Kasseler documenta 1957, die Haacke damals noch als Student besuchte. An diesen Werken wird deutlich, dass Haacke einer der ersten deutschen, wenn nicht europäischen Künstler überhaupt war, die die Strömung der Minimal und Concept Art aus Amerika aufnahmen. Später kamen ökologische Aspekte hinzu, wie etwa bei der Installation "Weißer Fluß", bei der ein riesiges weißes Seidentuch von mehreren Ventilatoren auf dem Boden in Wellenbewegungen versetzt wird - ein frühes Stück "Land Art" für die Halle.
Haackes seit den sechziger Jahren immer stärker hervortretende Kritik an Institutionen und am Wirtschaftssystem mag ebenfalls aus der Konzeptkunst kommen, aber sie geht deutlich über den Kunstbereich hinaus - sie nimmt sich die Wirtschaftsunternehmen, Politiker oder den Alltag aus den Medien ganz konkret vor, und er nennt Namen. Nicht zuletzt darin ist auch ein Motiv dafür zu sehen, dass Haacke für die heutige Retrospektive darauf bestanden hat, allein auf Steuermittel etwa durch die Bundeskulturstiftung zurückzugreifen und damit das inzwischen gängig gewordene Anwerben von "Drittmitteln" durch Museen zu konterkarieren. Wenigstens einen Teil der Kunstkritik dürfte er damit auch immer noch auf seiner Seite haben.
Haacke, darin fast wie ein Günter Wallraff der Kunstszene, recherchiert seit den siebziger Jahren immer wieder die Geschichte von Unternehmen, die diese gern verborgen hätten, er bohrt in der fehlgeschlagenen Entnazifizierung Deutschlands, entlarvt heuchlerisches Kultursponsoring. Berühmt ist seine Fotoinstallation über den New Yorker Immobilienspekulanten Shapolsky Anfang der siebziger Jahre, die dazu führte, dass eine geplante Ausstellung Haackes im Guggenheim Museum kurzfristig abgesagt wurde, weil jener Shapolsky-Clan zugleich Sponsor des Museums war und mißliebige Kunst nicht duldete. Vermutlich ein Schlüsselerlebnis für Haacke, der daraufhin zum Radikalkritiker des privaten Kultursponsorings wurde. Seitdem sind Wirtschafts- und Gesellschaftskritik in seinem Werk dominant.
Der Berliner Teil der Ausstellung in der Akademie der Künste zeigt diesen, zweifellos prominenteren Teil von Haackes Werk. Dieser Ausstellungsteil hat es auch deswegen leichter, öffentlich aufzufallen, weil die Akademie am Pariser Platz als Ort Haackes Leidenschaft für historische Recherchen entgegenkommt. Seine 1974er Arbeit über die Provenienz des berühmten "Spargel-Stillebens" von Manet bezieht sich deshalb schon auf die ungute Akademie-Geschichte, weil sowohl der ehemalige Akademie-Präsident Max Liebermann als auch der seinerzeitige NS-Finanzier und spätere Deutsche-Bank-Vorstand Hermann Joseph Abs einmal Besitzer des Gemäldes waren. Im Hauptausstellungsraum, in dem auch einmal Albert Speers Germania-Modell stand, sieht man als Großfotografie Haackes "Germania"-Installation von 1993, mit der er auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen gewann. Der aufgebrochene Boden des Deutschen Pavillons mit der Aufschrift von Hitlers Fantasiemetropole des Dritten Reiches ist sicher immer noch Haackes beeindruckendste Arbeit, in dem seine formalen und inhaltlichen Bezüge so dicht wie kaum sonst noch einmal zusammenfließen.
Haackes Werk fehlt zweifellos der abgründige Hintersinn eines Bruce Nauman, es besitzt keine spirituelle Grundierung wie bei Joseph Beuys. Auffallend ist zudem Haackes völliger Verzicht auf sogenannte "neue" Medien. Unter den heutigen explizit politischen Künstlern könnte man sein Werk am ehesten noch mit dem von Santiago Sierra vergleichen, der ähnlich wie Haacke mit der Methode der Recherche und der ironisch inszenierten Anprangerung von sozialer Unfreiheit arbeitet. Aber auch gegen Sierra wirkt Haacke insgesamt ausgesprochen diskret, seine Provokationen sind leise - wenn auch das Medienecho, das sie erzeugen, mitunter darüber hinwegtäuscht.