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Wirtschaft kritisiert Umsetzung der Energiewende

Mit der "Kompetenzinitiative Energie" will die deutsche Industrie ihren Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten. Heute gab es erste Ergebnisse der Initiative. Die deutsche Politik kommt dabei nicht besonders gut weg.

Von Dieter Nürnberger |
    Auch die Wirtschaft übte heute Vormittag deutliche Kritik an der Umsetzung der Energiewende in Deutschland. Somit reiht man sich ein – es gibt ja auch Bedenken seitens der politischen Opposition, auch von Umweltgruppen oder von Verbraucherverbänden. Allerdings setzt der Bundesverband der Deutschen Industrie dann doch etwas andere Schwerpunkte bei der Kritik. Bezogen auf Ihre Eingangsfrage, Ulla Mense, wie kompetent die Energiewende denn aus Sicht der Wirtschaft bewertet wird, da verweist der BDI grundsätzlich auf eine zu schleppende Umsetzung der Energiewendeziele. Und das habe ganz eindeutig mit zu vielen Akteuren zu tun – zu viele Köche verderben den Brei, könnte man auch sagen. Ulrich Grillo, der BDI-Präsident, drückt es so aus.

    "Allein in Deutschland gibt es 70 verschiedene – für die Energiewende zuständige – Ministerien und Behörden, in Bund und Ländern. Nach unseren Berechnungen addieren sich die individuellen Ausbauziele der 16 Bundesländer bei den erneuerbaren Energien auf rund 150 Prozent der Bundesziele. Konkret: Für jede Kilowattstunde, die wir brauchen, kriegen wir noch eine halbe Kilowattstunde dazu, die wir nicht brauchen. Das ist unnötig teuer und ist auch Flickschusterei. "

    Das ist somit auch eine Kritik an einem ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier müsse sich mehr abgestimmt werden, so der BDI-Präsident.

    Im Juni 2012 wurde ja die "Kompetenzinitiative Energie" ins Leben gerufen. Hier will die Wirtschaft zusammen mit der Wissenschaft Leitlinien für den künftigen Strom- und Energiemarkt aufzeigen. Es wurden Studien in Auftrag gegeben – und nun werden daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet.

    Wobei man auch dazu sagen muss, dass die heutige Veranstaltung schon eine Art One-Man-Show war, denn die grundsätzliche Rede bei der Vorstellung der Ergebnisse hielt allein Ulrich Grillo, der BDI-Chef. Und vieles erinnerte denn auch an die schon bekannten Forderungen der Wirtschaft. Beispielsweise die Erkenntnis oder Meinung, dass die Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage für die Industrie natürlich nicht zu hoch und mitunter ungerecht verteilt seien. Worauf ja gerne Umweltverbände und Opposition verweisen.

    Steigende Strompreise werden ja mehr oder weniger von allen Marktteilnehmern kritisiert. Und Maßnahmen dagegen sind Bestandteil eines Katalogs, den die Kompetenzinitiative heute vorstellte. Ein wichtiger Aspekt betrifft die Einnahmen, die der Staat hierbei erzielt. BDI-Präsident Ulrich Grillo.

    "Der Staat verursacht über die Hälfte des Strompreises durch Steuern und Abgaben. An jeder Strompreissteigerung verdient der Staat über die Mehrwertsteuer noch einmal mit. Die Staatskasse füllt sich automatisch – allein durch die jüngste Erhöhung der EEG-Umlage seit dem 1.1. 2013 um rund 600 Millionen Euro pro Jahr. Insgesamt nimmt der Staat beim Strompreis über die Stromsteuer rund 7 Milliarden Euro ein, bei der Mehrwertsteuer sind es rund 1,6 Milliarden. Damit addieren sich die staatlichen Erlöse beim Strompreis auf immerhin 9 Milliarden Euro pro Jahr. "

    Weitere Punkte betreffen die angekündigte und wahrscheinlich nicht mehr vor der Wahl umgesetzte Reform beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz, EEG. Und es geht auch um die Gebäudesanierung. Auch hier gehe es nicht entschieden genug und zu langsam voran, sagt Grillo.

    "Als nächsten Schritt – noch vor der Bundestagswahl – müssen die Länder im Bundesrat ihre Blockadepolitik beenden. Ziel ist ein steuerliches Anreizsystem in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden Euro jährlich. Damit können Investitionen in Höhe von immerhin 12 Milliarden Euro pro Jahr ausgelöst werden. "

    An dieser Handlungsempfehlung erkennt man, dass die Industrie auch auf die Chancen verweist, die durch die Energiewende entstehen. Es gebe enorme Umsatzchancen auf den einzelnen Technologiefeldern für deutsche Unternehmen.

    Allerdings wiederholte BDI-Chef Grillo auch heute wieder, dass aufgrund hoher Stromkosten einzelne Unternehmen über eine Abwanderung aus Deutschland nachdenken, Investitionen würden zurückgehalten. Mit den heute vorgestellten Handlungsempfehlungen will man also die Politik auf Trab bringen, eine Kritik an der Energiewende soll es nicht sein. Noch einmal der BDI-Chef:

    "Die deutsche Industrie will die Energiewende, unsere Unternehmen können Energiewende."

    Es überwiegen somit eindeutig die Chancen für die Industrie bei der Umsetzung der Energiewende, wenn denn die Politik die Risiken auch anpacke und minimiere - so könnte das Fazit der heutigen Veranstaltung lauten.