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Wissenschafts- und Kulturinstitute unter Mussolini
Freiräume trotz Kontrolle

Mussolini wollte Italiens Wissenschaften und Kultur fördern. Dennoch waren die zahlreichen Wissenschafts- und Kulturinstitute, die in den Jahren des italienischen Faschismus entstanden, nie völlig ideologisch durchdrungen, ergab jetzt ein Symposium in Rom.

Von Thomas Migge | 13.01.2019
    Adolf Hitler (2.v.l.) und der italienische Ministerpräsident und Duce Benito Mussolini (r), aufgenommen am 15.06.1938 in Rom.
    Adolf Hitler (2.v.l.) und der italienische Ministerpräsident und Duce Benito Mussolini (r), aufgenommen am 15.06.1938 in Rom. (picture-alliance/ dpa / LaPresse Archivio Storico)
    Benito Mussolini höchstpersönlich eröffnete 1937 die neuen Gebäude für den Nationalen Wissenschaftsrat CNR, verziert mit großflächigen Fresken, die, so heißt es in diesem historischen Filmdokument, die Vormachtstellung der italienischen Wissenschaft repräsentieren sollen.
    Das CNR, vergleichbar mit der deutschen Max-Plank-Gesellschaft, wurde vom faschistischen Staat 1923 gegründet. Nur ein Jahr nach Mussolinis Machtübernahme. Es war das erklärte Ziel des Duce, Italiens Wissenschaften und die Kultur zu fördern. Und er beließ es nicht nur bei schönen Worten, wie auch die wissenschaftliche Tagung in Rom jetzt zeigte, bei der zum ersten Mal überhaupt die unter Mussolini gegründeten Kultur- und Forschungsinstitute Thema waren. Die Germanistin Roberta Ascarelli, Präsidentin der 1931 geschaffenen Villa Sciarra:

    "Die Aufarbeitung der Geschichte dieser Institute ist schon aus einem Grund wichtig: Während die faschistische Kulturpolitik nach 1945 endete, bestehen die vom Regime gegründeten Institutionen bis heute".
    Geld für Mussolinis Kulturinstitute
    Der italienische Faschismus trat anfangs noch recht gemäßigt auf. Ziel war es, das Land mit großen Schritten zu modernisieren. Es waren jene Jahre des Faschismus, in denen viel Geld in Gründung und Aufbau zahlreicher Forschungs- und Kulturinstitute in allen nur denkbaren Bereichen investiert wurde. Die Biologie, die Medizin, die Mathematik, der Tanz, die Sprache, die Philosophie, die Architektur erhielten eigene Institute. Zensur und Kontrolle durch die faschistische Partei setzten sich erst später durch.
    Interessant ist, dass bis in die 1930er-Jahre hinein auch viele Liberale, Juden und auch Antifaschisten in den neuen Instituten Anstellung fanden. Die Tagung stellte einige von ihnen vor.
    Mit der Einführung der Rassengesetze 1938 endete diese relativ gemäßigte Phase des faschistischen Regimes jedoch: Sämtliche Juden und später auch Antifaschisten wurden systematisch aus Forschung, Wissenschaft und Kultur ausgeschlossen. Stramme Faschisten übernahmen die Leitung vieler Institute. Nicht wenige von ihnen blieben auch nach 1945 in Amt und Würden – aber dieser Aspekt wurde bei der Tagung in Rom erstaunlicherweise nicht thematisiert.
    Die Teilnehmer konzentrierten sich auf die Institute, die damals einmalig in Europa waren: etwa für den Film, für den Rundfunk und die Fotografie. Der Turiner Medienexperte Peppino Ortoleva:

    "Es entstand eine nationale Radioschule, 1935 auch das bis heute existierende Zentrum für experimentelles Kino, das einen enormen Einfluss auf das gesamte italienische Filmschaffen vor und nach 1945 hatte. Die Geschichte der Radioschule des Regimes ist bis heute wissenschaftlich nicht untersucht worden."
    Kontrolle der italienischen Filmkultur
    1932 entstand auf ausdrücklichen Wunsch führender Faschisten auch die Filmbiennale in Venedig. Gleich wurde sie zu einem der wichtigsten Treffpunkte internationalen Filmschaffens. Der Filmhistoriker Damiano Garofalo:

    "Mehr als zehn Jahre lang übte das Regime nur wenig ideologischen Einfluss im Filmschaffen und beim Festival in Venedig aus. Erst ab der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre versuchten die Faschisten, die gesamte Filmkultur zu kontrollieren."

    Doch von einer umfassenden ideologischen Durchdringung der Wissenschafts- und Kulturinstitute, da waren sich alle Teilnehmer der römischen Tagung einig, konnte in Italien nie die Rede sein. Präsentiert wurden verschiedene Beispiele für Freiräume, die im nationalsozialistischen Deutschland undenkbar gewesen wären. Ein Beispiel: Die Bücher jüdischer und antifaschistischer Autoren waren trotz wiederholter Aufforderungen durch die Faschisten nie aus der Bibliothek des Nationalinstituts für germanistische Studien, wo auch die Tagung jetzt stattfang, entfernt worden. Sie blieben, wo sie waren – ohne Konsequenzen etwa für die Institutsleitung.