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Wo der Bleifuß noch regiert

Medizin. - Die so genannte NASCAR-Rennserie zählt zu den beliebtesten Sportarten in den USA. Stundenlang fahren dabei Tourenwagen in riesigen Ovalen wie den weltbekannten Motor-Speedways von Daytona und Indianapolis herum. Die hochgezüchteten Maschinen fahren bis zum heutigen Tag mit verbleitem Kraftstoff - mit gesundheitlichen Folgen für Fahrer und Mechaniker, wie eine neue Studie jetzt belegt.

Von Volker Mrasek |
    Dumpf dröhnende Acht-Zylinder-Motoren. Knapp sechs Liter Hubraum, über 800 PS, die aber aus Sicherheitsgründen stark gedrosselt sind. Mit solchen Kraftmaschinen donnern die Fahrer der NASCAR-Serie in den USA über ihre berühmten ovalen Rennstrecken.

    " Gentlemen, start your engines!"

    Vom Start weg schlucken die Boliden kräftig Sprit: fast zwei Liter Rennbenzin pro gefahrener Meile! Und das enthält bis zum heutigen Tag, was aus anderen Kraftstoffen längst verbannt ist - selbst in der Formel 1: das giftige Schwermetall Blei:

    " Verbleites Benzin gebe es in den USA nur noch in der Luftfahrt und im Rennsport. Und dort eben in der NASCAR-Serie."

    Mit ihr hat sich Gregory Steele jetzt intensiv beschäftigt. Der Epidemiologe und Forscher vom Universitätsklinikum in Indianapolis wollte wissen, wie stark die Rennteams dem Blei an der Strecke ausgesetzt sind; wie viel von dem Gift sich im Körper der Boxenhelfer ansammelt. Steele und seinen Kollegen gelang es, gleich mehrere NASCAR-Teams für das Projekt zu gewinnen. Am Ende füllten 47 Mechaniker und andere Crew-Mitglieder Fragebögen zu ihrem Job in der Box aus und ließen sich Blut abnehmen. Im Schnitt waren sie seit neun Jahren im Renngeschäft. Der Mediziner Joseph O'Neil zum Ergebnis der Analysen:

    " Zwei von fünf Team-Mitgliedern hatten einen Bleigehalt im Blut, der bei mehr als 10 Mikrogramm pro 100 Milliliter lag. Das galt besonders für die Leute, die bei ihrer Arbeit direkten Kontakt mit dem Rennbenzin haben oder die an den Bremsen arbeiten, wo sie dem Abgas stärker ausgesetzt sind als andere."

    Den Schwellenwert von zehn Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut wählten die US-Forscher ganz bewusst. Die Belastung der Normalbevölkerung ist nur ein Viertel so groß:

    " Zehn Mikrogramm gelten als eine gesundheitsschädliche Konzentration, jedenfalls für Kinder. Aber verlässliche Untersuchungen über die Langzeitwirkung von Blei haben wir nur bei Kindern. Aus ihnen wissen wir, dass schon geringe Mengen die intellektuelle Entwicklung negativ beeinflussen können."

    Auch bei den NASCAR-Teams fragten die Forscher nach gesundheitlichen Beschwerden. Und glauben auch darin die schädliche Wirkung von Blei zu erkennen.

    " Mit dem Bleigehalt im Blut nahm auch die Zahl der Symptome zu, von denen uns die Crew-Mitglieder berichteten. Das könnte ein Indiz für die Giftwirkung des verbleiten Benzins sein. Zu den Symptomen zählen häufige Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und eine nachlassende Kraft in Fingern und Handgelenken - also Dinge, unter denen die Leistungsfähigkeit leidet."

    Die Universitätsforscher sprechen von einer ersten Pilotstudie. Sie sei noch nicht sonderlich aussagekräftig, wegen der geringen Teilnehmerzahl. Doch das Problem der Bleibelastung im NASCAR-Zirkus müsse man auf jeden Fall ernst nehmen, mahnt Gregory Steele:

    " Die Crews sind dem Blei das ganze Jahr über ausgesetzt. Die Rennsaison läuft von Februar bis November. Dazwischen wird an den Motoren gearbeitet und getestet. Bei den Mechanikern lagert sich das Blei deshalb nicht in Knochen und Haaren ab, sondern es zirkuliert ständig im Blut und kann seine schädliche Wirkung entfalten."

    Steele und seine Kollegen wollen ihre Studien deshalb wenn möglich ausdehnen - auch auf die Fahrer der NASCAR-Serie. Von den Piloten liegen bisher noch gar keine Daten vor.