Die Deutschen, die östlich der Oder und Neiße lebten, wurden nach der deutschen Kapitulation zwangsausgesiedelt. Auch diese Vertreibung verlief weder human noch geordnet, obwohl genau das im Potsdamer Abkommen vom August 1945 verfügt worden war. Im Gegenteil es wurde geplündert, gequält und schikaniert.
In einem Villenviertel liegt die Janusz-Korczak-Grundschule in Wroslaw - dem ehemaligen Breslau. Unweit der Schule steht das Haus, indem der deutsche Kommandant im Januar 1945 die Kapitulalion unterschrieb. Die meisten deutschen Bewohner mussten damals die Stadt verlassen. an ihrer statt kamen polnische Kriegsflüchtlinge und Vertriebene, die schon zuvor alles verloren hatten.
Zur Zeit des Kommunismus war die Vertreibung von Polen und Deutschen kein Thema, es bestanden so genannte öffentliche "Erinnerungsverbote". Heute ist das anders: Einmal wöchentlich heißt es für die Grundschüler: "Ausbildung zum Patriotismus".
15 Kinder begrüßen ihre Lehrerin, setzen sich an ihre Tische. Die Schreibhefte und Mäppchen vor ihnen sind sorgfältig ausgerichtet. Die Wände hinter ihnen herbstliche Tuschebildern und Kastanien-Figuren aus dem letzten Werkunterricht.
"Das Motto unserer Lehrstunde heißt: Wir müssen die Menschen lieben, bevor sie von uns gehen." sagt Frau Zak. Sie steht vor ihrem Pult. Die Hände locker vor dem Bauch gefaltet. An der Jacke ihres grauen Kostüms steckt eine kleines Abzeichen: die polnische Flagge umrandet mit Europasternen. Grazyna Zak ist 46 Jahre alt, stellvertretende Direktorin und Patriotismuslehrerin.
"Wir haben uns vorgenommen, an unsere Vorfahren zu erinnern" Frau Zak schaut ihre Schüler freundlich an. "Und ihr habt dafür nach den Wurzeln eurer Familie gesucht" Die Schüler nicken mit den Köpfen. Sie sollten für die heutige Stunde ihre Grosseltern befragen. Nach ihrer Vergangenheit und ihrer Herkunft.
"Ich möchte euch jetzt fragen: Wo kommen wir her? Wer sind wir überhaupt? Ich beginne einen Satz :"Ich bin eine Wroslawerin" - wer führt ihn fort? Anja bitteschön!"
"Ich bin eine Wroclawierin, aber Opa und seine Vorfahren kommen aus Wilna. Sie kamen in der Silvesternacht von 1945 auf 1946" Anja hat alles sorgfältig in ihrem Heft notiert. Auch dass Wilna heute zum Nachbarland Litauen gehört.
"Meine Vorfahren kamen 1945 aus Lvov. Sie haben sich in Legnica niedergelassen", sagt Jola. Lvov oder Lemberg gehört heute zur Ukraine. Das können die Schüler auf der grossen Karte sehen, die neben der Tafel hängt..
"Ich bin ein Wroclawerin. Aber ich bin auch eine Sibirierin" sagt Frau Zak, "weil meine meine Eltern und meine Grosseltern den Zweiten Weltkrieg in Sibirien verbracht haben. "Wißt ihr auch warum sie von den Russen in die Verbannung geschickt wurden und wer deportiert wurde?" Paulina weiss es.
"Vor allem die Intelligenz und die Reichen. Alles, was polnisch war, sollte vernichtet werden.", sagt die 11-jährige.
Frau Zak hat ein Buch zur Hand genommen, liest den Kindern eine Geschichte vor. Von einem Mädchen, dessen Familie eines Nachts von sowjetischen Soldaten aus dem Bett geholt und zur Verladung nach Sibirien abtransportiert wurde. "Als ich zur Schule ging, durfte nicht über die Sibirienleute und die Verschleppungen gesprochen werden" sagt Frau Zak. "Aber ich hatte einen Geschichtslehrer, der hat die Tür vom Klassenzimmer abgeschlossen und dann hat er uns doch einiges erzählt". Die Lehrerin klappt das Buch wieder zu, legt es beiseite.
"Was ist das Besondere an unserer Stadt Wroclaw?" will die Lehrerin jetzt wissen. Tadeuz meldet sich. Er ist der Kleinste der Klasse, sitzt in der vordersten Reihe.
"Irgendwie wurden nach dem Krieg die Grenzen verschoben" Tadeuz überlegt angestrengt. "Und hier war eine deutsche Stadt, richtig?" Frau Zak hilft ihm etwas nach. "Ja, hier haben Deutsche gewohnt" Tadeuz seine Lehrerin erleichtert an.
"Aber Moment mal", sagt Frau Zak und hebt den rechten Zeigefinger in die Höhe. "Was ist denn mit den Leuten passiert. Meine Grossmutter hat mir erzählt, dass die Deutschen geweint haben, weil sie nicht weg wollten. Und die Polen haben auch geweint, sie wollten nicht in die Häuser der Deutschen ziehen. Sie sagten: Wieso können wir nicht in unsere alten Häuser in Ostpolen ziehen. Sie hatten Angst, dass sie Deutschen zurückkommen und das sie wieder vertreiben werden. Was wißt ihr darüber, Kinder?" Macia aus der vorlezten Reihe meldet sich.
"Meine Oma hat eine deutsche Freundin, die Frau kommt manchmal aus Deutschland, um das Grab ihres Mannes zu besuchen." sagt Macia. "Sie erinnert sich noch daran, wie sie in Wroclaw gewohnt hat.". Die Lehrerin schaut auf ihre Armbanduhr: die Unterrichtsstunde ist fast vorüber. "Was ist mit Dir" fragt sie Rafael aus der letzen Reihe . Bis jetzt hat er noch gar nichts gesagt..
"Ich habe über die Vertreibung aus einem Computerspiel erfahren. Mein älterer Brunder hat das Spiel: Der Zweite Weltkrieg. Und da gibt es eine Karte, die zeigt wo Polen vor dem Krieg lag". "Und Wroclaw, war deutsch?" "Ja". Frau Zak nickt. Dann gibt sie die Hausaufgaben auf: Die Kinder sollen alles aufsschreiben was ihnen einfällt zu den Wörtern: Polnische Wurzeln, Nationalstolz, tragische Geschichte. Polens Ostgebiete. Dann ist die Patriotismusstunde ist zu Ende. (Atmo: Kinder gehen raus)
Manchmal wird die Stunde durch eine Kanonenschuss gestört. Der Schuss kracht gleich nebenan mächtig und laut, so dass die Scheiben zittern und die Wände beben, dann blickt der Herr Lehrer erschrocken aus dem Fenster. Wenn nach dem Schuss Stille eintritt, lesen wir in unserem dickem Buch weiter, wenn jedoch ein Knattern von Blech, ein Krachen berstender Mauern und ein Poltern herabfallender Ziegeln zu hören ist, packt die Klasse helle Aufregung und alle schreien durcheinander - . "Sie haben getroffen, sei haben getroffen!" und nach dem Pausenzeichen stürmen wir hinaus um zu schauen was passiert ist. Unsere kleine, einstöckige Schule steht an einem weiten Platz, der Platz des dritten Mai heißt. An diesem Platz steht auch eine große, wirklich sehr große Kirche, die größte in der ganzen Stadt. Man muss den Kopf schon tief in den Nacken legen, um zu sehen, wo die Kirche endet und wo der Himmel beginnt. Und genau auf diese Stelle dort oben zielt die Kanone. In der Schule erklären wir uns das so: Als die Bolschewiken anmarschiert sind, haben sie, ehe sie noch Polen und unsere Stadt sahen, schon den Turm der Kirche von Pinsk erblickt. So hoch ist der. Das hat sie offenbar in Wut versetzt. Warum? Auf diese Frage wissen wir keine Antwort.
In einem Villenviertel liegt die Janusz-Korczak-Grundschule in Wroslaw - dem ehemaligen Breslau. Unweit der Schule steht das Haus, indem der deutsche Kommandant im Januar 1945 die Kapitulalion unterschrieb. Die meisten deutschen Bewohner mussten damals die Stadt verlassen. an ihrer statt kamen polnische Kriegsflüchtlinge und Vertriebene, die schon zuvor alles verloren hatten.
Zur Zeit des Kommunismus war die Vertreibung von Polen und Deutschen kein Thema, es bestanden so genannte öffentliche "Erinnerungsverbote". Heute ist das anders: Einmal wöchentlich heißt es für die Grundschüler: "Ausbildung zum Patriotismus".
15 Kinder begrüßen ihre Lehrerin, setzen sich an ihre Tische. Die Schreibhefte und Mäppchen vor ihnen sind sorgfältig ausgerichtet. Die Wände hinter ihnen herbstliche Tuschebildern und Kastanien-Figuren aus dem letzten Werkunterricht.
"Das Motto unserer Lehrstunde heißt: Wir müssen die Menschen lieben, bevor sie von uns gehen." sagt Frau Zak. Sie steht vor ihrem Pult. Die Hände locker vor dem Bauch gefaltet. An der Jacke ihres grauen Kostüms steckt eine kleines Abzeichen: die polnische Flagge umrandet mit Europasternen. Grazyna Zak ist 46 Jahre alt, stellvertretende Direktorin und Patriotismuslehrerin.
"Wir haben uns vorgenommen, an unsere Vorfahren zu erinnern" Frau Zak schaut ihre Schüler freundlich an. "Und ihr habt dafür nach den Wurzeln eurer Familie gesucht" Die Schüler nicken mit den Köpfen. Sie sollten für die heutige Stunde ihre Grosseltern befragen. Nach ihrer Vergangenheit und ihrer Herkunft.
"Ich möchte euch jetzt fragen: Wo kommen wir her? Wer sind wir überhaupt? Ich beginne einen Satz :"Ich bin eine Wroslawerin" - wer führt ihn fort? Anja bitteschön!"
"Ich bin eine Wroclawierin, aber Opa und seine Vorfahren kommen aus Wilna. Sie kamen in der Silvesternacht von 1945 auf 1946" Anja hat alles sorgfältig in ihrem Heft notiert. Auch dass Wilna heute zum Nachbarland Litauen gehört.
"Meine Vorfahren kamen 1945 aus Lvov. Sie haben sich in Legnica niedergelassen", sagt Jola. Lvov oder Lemberg gehört heute zur Ukraine. Das können die Schüler auf der grossen Karte sehen, die neben der Tafel hängt..
"Ich bin ein Wroclawerin. Aber ich bin auch eine Sibirierin" sagt Frau Zak, "weil meine meine Eltern und meine Grosseltern den Zweiten Weltkrieg in Sibirien verbracht haben. "Wißt ihr auch warum sie von den Russen in die Verbannung geschickt wurden und wer deportiert wurde?" Paulina weiss es.
"Vor allem die Intelligenz und die Reichen. Alles, was polnisch war, sollte vernichtet werden.", sagt die 11-jährige.
Frau Zak hat ein Buch zur Hand genommen, liest den Kindern eine Geschichte vor. Von einem Mädchen, dessen Familie eines Nachts von sowjetischen Soldaten aus dem Bett geholt und zur Verladung nach Sibirien abtransportiert wurde. "Als ich zur Schule ging, durfte nicht über die Sibirienleute und die Verschleppungen gesprochen werden" sagt Frau Zak. "Aber ich hatte einen Geschichtslehrer, der hat die Tür vom Klassenzimmer abgeschlossen und dann hat er uns doch einiges erzählt". Die Lehrerin klappt das Buch wieder zu, legt es beiseite.
"Was ist das Besondere an unserer Stadt Wroclaw?" will die Lehrerin jetzt wissen. Tadeuz meldet sich. Er ist der Kleinste der Klasse, sitzt in der vordersten Reihe.
"Irgendwie wurden nach dem Krieg die Grenzen verschoben" Tadeuz überlegt angestrengt. "Und hier war eine deutsche Stadt, richtig?" Frau Zak hilft ihm etwas nach. "Ja, hier haben Deutsche gewohnt" Tadeuz seine Lehrerin erleichtert an.
"Aber Moment mal", sagt Frau Zak und hebt den rechten Zeigefinger in die Höhe. "Was ist denn mit den Leuten passiert. Meine Grossmutter hat mir erzählt, dass die Deutschen geweint haben, weil sie nicht weg wollten. Und die Polen haben auch geweint, sie wollten nicht in die Häuser der Deutschen ziehen. Sie sagten: Wieso können wir nicht in unsere alten Häuser in Ostpolen ziehen. Sie hatten Angst, dass sie Deutschen zurückkommen und das sie wieder vertreiben werden. Was wißt ihr darüber, Kinder?" Macia aus der vorlezten Reihe meldet sich.
"Meine Oma hat eine deutsche Freundin, die Frau kommt manchmal aus Deutschland, um das Grab ihres Mannes zu besuchen." sagt Macia. "Sie erinnert sich noch daran, wie sie in Wroclaw gewohnt hat.". Die Lehrerin schaut auf ihre Armbanduhr: die Unterrichtsstunde ist fast vorüber. "Was ist mit Dir" fragt sie Rafael aus der letzen Reihe . Bis jetzt hat er noch gar nichts gesagt..
"Ich habe über die Vertreibung aus einem Computerspiel erfahren. Mein älterer Brunder hat das Spiel: Der Zweite Weltkrieg. Und da gibt es eine Karte, die zeigt wo Polen vor dem Krieg lag". "Und Wroclaw, war deutsch?" "Ja". Frau Zak nickt. Dann gibt sie die Hausaufgaben auf: Die Kinder sollen alles aufsschreiben was ihnen einfällt zu den Wörtern: Polnische Wurzeln, Nationalstolz, tragische Geschichte. Polens Ostgebiete. Dann ist die Patriotismusstunde ist zu Ende. (Atmo: Kinder gehen raus)
Manchmal wird die Stunde durch eine Kanonenschuss gestört. Der Schuss kracht gleich nebenan mächtig und laut, so dass die Scheiben zittern und die Wände beben, dann blickt der Herr Lehrer erschrocken aus dem Fenster. Wenn nach dem Schuss Stille eintritt, lesen wir in unserem dickem Buch weiter, wenn jedoch ein Knattern von Blech, ein Krachen berstender Mauern und ein Poltern herabfallender Ziegeln zu hören ist, packt die Klasse helle Aufregung und alle schreien durcheinander - . "Sie haben getroffen, sei haben getroffen!" und nach dem Pausenzeichen stürmen wir hinaus um zu schauen was passiert ist. Unsere kleine, einstöckige Schule steht an einem weiten Platz, der Platz des dritten Mai heißt. An diesem Platz steht auch eine große, wirklich sehr große Kirche, die größte in der ganzen Stadt. Man muss den Kopf schon tief in den Nacken legen, um zu sehen, wo die Kirche endet und wo der Himmel beginnt. Und genau auf diese Stelle dort oben zielt die Kanone. In der Schule erklären wir uns das so: Als die Bolschewiken anmarschiert sind, haben sie, ehe sie noch Polen und unsere Stadt sahen, schon den Turm der Kirche von Pinsk erblickt. So hoch ist der. Das hat sie offenbar in Wut versetzt. Warum? Auf diese Frage wissen wir keine Antwort.