
Ein vergleichsweise wohlhabendes Viertel in der Industriestadt San Pedro Sula in Honduras, eine der gefährlichsten Städte der Welt. Perspektiven für junge Menschen gibt es kaum. Nach Sonnenuntergang sind die Straßen wie leer gefegt, fast jede Nacht sind irgendwo Schüsse zu hören. Elisa Sánchez, Sprecherin einer lokalen Müttervereinigung, erklärt, warum so viele junge Menschen ihre Heimat verlassen:
"Die Jugendlichen fliehen vor der Gewalt oder weil sie fürchten, vom organisierten Verbrechen zu Auftragsmördern gemacht zu werden. Die Leute denken: Vielleicht ist der Weg in die USA lebensgefährlich, aber hier bin ich in jedem Fall tot."
Fast drei Millionen Menschen aus Honduras, Guatemala und El Salvador sind laut US-Statistikbehörde während der vergangenen zwei Jahrzehnte in die USA migriert, ein Zehntel der Bevölkerung dieser drei Länder. Die 60.000 unbegleiteten Jugendlichen, die im Jahr 2014 an der US-mexikanischen Grenze aufgegriffen wurden, haben der US-Regierung klar gemacht, dass sie mehr tun muss, als Grenzzäune zu bauen und illegale Einwanderer zurückzuschicken.
Fast drei Millionen Menschen aus Honduras, Guatemala und El Salvador sind laut US-Statistikbehörde während der vergangenen zwei Jahrzehnte in die USA migriert, ein Zehntel der Bevölkerung dieser drei Länder. Die 60.000 unbegleiteten Jugendlichen, die im Jahr 2014 an der US-mexikanischen Grenze aufgegriffen wurden, haben der US-Regierung klar gemacht, dass sie mehr tun muss, als Grenzzäune zu bauen und illegale Einwanderer zurückzuschicken.
Im November 2014 verständigte sie sich mit den Präsidenten der drei mittelamerikanischen Länder, auf die sogenannte "Allianz für Wohlstand". Deren Ziele: Jobs schaffen, Institutionen stärken, Sicherheit verbessern. Damit weniger Menschen ihre Heimat verlassen müssen und Richtung Nordamerika auswandern. US-Vizepräsident Joe Biden:
"Sechs Millionen junge Zentralamerikaner werden in den nächsten zehn Jahren auf den Arbeitsmarkt strömen. Es ist in unser aller Interesse, dass sie zu Hause Arbeit und Sicherheit vorfinden. Denn sonst werden wir alle die Konsequenzen spüren."
Acht Milliarden Dollar für Arbeit und Sicherheit
Die drei Herkunftsländer sollen dafür mindestens acht Milliarden Dollar Finanzhilfe erhalten. Eine stattliche Summe, von der nicht zuletzt die Ärmsten Nutzen ziehen könnten, wie Guatemalas Außenminister Carlos Raúl Morales betont:
"Von dem Geld, das Guatemala bekommen soll, wird ein Großteil direkt der Bevölkerung zugutekommen. Wir werden in Ernährung, in Bildung und Gesundheit investieren, in Katastrophenschutz oder in Bewässerungsprogramme für die Kleinbauern."
Zweifel an der Wirksamkeit der Allianz
Aber vor allem auf die Wirtschaftsentwicklung konzentriert sich die Allianz für Wohlstand Der Privatsektor soll für sechs Prozent Wachstum sorgen, um damit genügend Jobs und Wohlstand zu schaffen, dass die Menschen nicht mehr in Mafiastrukturen anheuern oder in die USA fliehen müssen. Doch ob das funktionieren wird, ist nicht unumstritten:
"Es gibt in Zentralamerika wenig Anhaltspunkte dafür, dass Unternehmerförderung zu mehr oder gar besseren Arbeitsplätzen führt. Es gibt hier genügend Beispiele ultrareicher Unternehmer, die nie Wohlstand für andere geschaffen haben."
So der costa-ricanische Migrationsexperte Carlos Sandoval. Auch diejenigen Wirtschaftsbereiche, in denen die Allianz Jobs schaffen will, sind allesamt nicht dafür bekannt, faire Löhne und vernünftige Arbeitsbedingungen zu bieten, wie etwa die industrielle Landwirtschaft, Callcenter, Textilfabriken. Pedro Cabeza, Leiter einer kanadischen Nicht-Regierungsorganisation, die sich seit 30 Jahren in El Salvador für Menschenrechte und soziale Entwicklung einsetzt, ist nach seinen Erfahrungen mit ähnlichen Projekten in der Region ausgesprochen skeptisch:
"Diese Abkommen haben immer zwei Komponenten: Wachstum und Sicherheit. 'Sicherheit' bedeutet US-Waffenlieferungen an die Länder des Südens, Polizei stärken, Gesetze verschärfen. Das ist ein Repressionsansatz. Und Wirtschaftsentwicklung heißt vor allem: Liberalisierung. Dass das nicht funktioniert, sieht man an ganz ähnlichen Vereinbarungen mit Mexiko oder Kolumbien.
Man stützt so Systeme, in denen die Mafia, Sicherheitskräfte, Politik und Unternehmer miteinander zusammenhängen."
Dennoch: Die Allianz scheint Erfolg zu haben: Laut US-Heimatschutz-Ministerium ist die Zahl der Menschen, die an der US-mexikanischen Grenze aufgegriffen wurden, zwischen Oktober 2014 und Juni 2015 um mehr als ein Drittel gesunken. Aber gleichzeitig hat Mexiko mehr als doppelt so viele Menschen nach Zentralamerika deportiert wie im Vorjahreszeitraum. Carlos Sandoval sagt denn auch, wie die Migrationsverhinderungspolitik der USA wirklich aussieht:
"Es ist die Strategie der USA die Migration schon weit vor ihrer Grenze, in Guatemala, im Süden Mexikos, spätestens im Norden Mexikos aufzuhalten. Hinzu kommt die Militarisierung der eigenen Grenze. Deswegen hat man in den USA weniger Migranten, aber das löst natürlich nicht die Gründe für die Migration. Sie ist das Produkt von Armut und Gewalt, um die sich Zentralamerikas Regierungen nie gekümmert haben. Diese Staaten müssten deshalb verpflichtet werden, ihren Bürgern Arbeit, Bildung, Gesundheit und Sicherheit, also einen gewissen Lebensstandard, zu garantieren."
Geldwäsche und Korruption
Doch: Wie will die Allianz garantieren, dass die Gelder, die Guatemalas Außenminister für Sozialprojekte verspricht, tatsächlich bei den Bedürftigen ankommen?
Immerhin ist sein eigener Chef, nun Ex-Präsident Pérez Molina, gerade erst wegen eines riesigen Korruptionsskandals im Gefängnis gelandet. Wie will man erreichen, dass Unternehmer soziale Verantwortung entwickeln, wenn wie in Honduras gerade erst ein Firmenimperium wegen Geldwäsche für die Drogenmafia zerschlagen worden ist?
Dass sich in San Pedro Sula und anderswo in Zentralamerika plötzlich blühende Landschaften entwickeln, daran glauben weiter die wenigsten. Die Migrationsursachen werden wohl bleiben. Nur die Migration selbst wird schwieriger werden.


