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Wolf auf Wanderschaft

Weil die Wölfe hierzulande lange Zeit ausgerottet waren, gibt es viel Forschungsbedarf. Unter anderem läuft ein Projekt über das Wanderverhalten der Raubtiere. Wo siedeln sie sich an und welchen Einfluss haben Hindernisse, wie Straßen und Autobahnen?

Von Joachim Hildebrandt | 29.12.2009
    "Das sind die beiden Elterntiere des Dauritzer Rudels gewesen. Der Rüde zuerst und dann ist die Fähe, also das Weibchen, in das Heulen des Männchens eingefallen."

    Sebastian Koerner ist Biologe und untersucht zusammen mit seiner Frau, der Wolfsforscherin Gesa Kluth, das Wanderverhalten von Jungwölfen. Dazu wurden sie mit Peilsendern ausgestattet. Alles begann auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz. Dort wurden 1998 erstmals zwei Wölfe gesichtet. Einen davon hatte Gesa Kluth eingefangen.

    "Wir hatten einen Wolf in der Falle. Dann wird er als Erstes betäubt. Man hat etwa eine Stunde Zeit, sich mit dem Tier zu beschäftigen. Als Erstes wird der Sender angelegt, dann nimmt man die Maße, also wie groß ist das Tier, wie schwer, und nimmt Blutproben sowie Speichelproben für die genetische Untersuchung, bestimmt sein Aussehen."

    Das 33 Kilo schwere Tier gehört zum sogenannten Neustädter Rudel, stammt also aus dem angrenzenden Sachsen. Der Truppenübungsplatz Oberlausitz ist ein gut geeignetes Gelände für den Wolf - mit Sandwegen und Möglichkeiten, sich zwischen den Kiefern gut zu verstecken. Derzeit leben sechs Wolfsrudel und ein Wolfspaar in Südbrandenburg auf circa 2000 Quadratkilometern.
    Mit dem Forschungsprojekt LUPUS wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie sich die Wölfe ausbreiten, welche Strecken sie zurücklegen, und wie sie sich verhalten, wenn sie zum Beispiel auf eine Autobahn treffen.

    "Ein Wolf, den wir Anfang März besendert haben, ist auf die Autobahn gestoßen. Und dann war das erst einmal, weil das eingezäunt ist, eine Barriere, und er ist dadurch abgebracht worden von seinem Kurs. Er ist einen Tag lang an der Autobahn entlang gelaufen, etwa 14 km, und als er die Autobahn überquert hat, hat er sich wieder zurückorientiert auf seinen alten Kurs.
    Das ist ein Phänomen, dass wandernde Wölfe anscheinend einen inneren Drang haben zu wandern. Sie haben einen Kurs, an dem sie sich grob orientieren, aber sie lassen sich auch beeinflussen von landschaftlichen Strukturen, ob da Wälder, ob da Flüsse, ob da Berge sind."

    Seitdem 1998 die ersten Wölfe auf dem Truppenübungsplatz gesichtet wurden, gibt es ständig Wolfsnachwuchs, der irgendwann das Weite suchen muss.

    "In unserer Region ist das so, dass man vorher nur merkte, im Laufe des Sommers werden die Jährlinge weniger - also im ersten Jahr sind das ja Welpen, die werden im Mai geboren, laufen mit den Eltern mit, im zweiten Jahr heißen sie Jährlinge, und in der Regel geht man davon aus, dass sie als Jährlinge abwandern."

    Der Wolf Alan, den Gesa Kluth im März mit einem Sender ausgestattet hatte, ist nach Polen abgewandert und war zuletzt 800 km Luftlinie entfernt von seinem Heimatgebiet unterwegs. Doch nun hat sie ihn aus den Augen verloren. Nach Berechnung der Mitarbeiter von LUPUS kann solch ein Wolf in gut einem Monat etliche Hundert Kilometer laufen. Das jetzt neu entdeckte Lausitzer Wolfsrudel hat sechs Welpen zur Welt gebracht. Bei den anderen Rudeln sind je drei bis acht Welpen nachzuweisen. Insgesamt wurden 24 Welpen gezählt.

    "Die Wölfe jagen ja große Huftiere, also Rehe, Rothirsche, Wildschweine, und die können auch sehr schnell laufen. Der Wolf muss schon sehen, dass er das Tier in einer ungünstigen Situation erwischt, dass es krank ist oder der Wind ungünstig steht, um schneller zu sein als solch ein Tier, und muss ein riesiges Gelände durchstreifen, um solch ein Tier zu finden."

    Die mit dem Senderhalsband gewonnenen neuen Erkenntnisse, die intensive Beobachtung, sollen helfen, Maßnahmen für ein langfristiges Überleben der Wölfe in friedlicher Koexistenz mit den Menschen zu entwickeln und gezielt umzusetzen, auch außerhalb der "Wolfsbundesländer" Sachsen und Brandenburg.