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Wolfgang van Halen
Aus dem Schatten des Über-Vaters

Lange war Wolfgang van Halen persönlicher Assistent, aber auch Bassist in der berühmten Band seines noch berühmteren Vaters: Mit "Mammoth WVH" als Bandname und Titel des Debütalbums tritt der 30-jährige Sohn von Gitarren-Koryphäe Eddie Van Halen nun selbst ins Rampenlicht.

Von Marcel Anders | 06.06.2021
Ein junger Mann mit kurzem Kinnbart trägt eine Lederjacke und blickt, von hinten oben erleuchtet, in die Kamera
Tritt er aus dem Schatten des Weltstar-Vaters: Wolfgang van Halen, Sohn des 2020 verstorbenen Gitarristen Eddie van Halen (Travis Shinn )
Musik: "Think It Over"
"Ich habe mit der Gitarre angefangen als ich Zwölf war. Einfach, weil ich bei einem Nachwuchswettbewerb "316" spielen wollte. Den Song, den mein Vater für mich geschrieben hatte. Kurz darauf habe ich mich an Bass und Keyboards versucht. Und obwohl ich ein bisschen Klavier spiele, bin ich nicht wirklich gut darin. Im Sinne von: Ich kann keine Noten lesen, sondern probiere so lange rum, bis ich es hinkriege. Und da ich eine Menge Instrumente spiele, bin ich auch nicht wer-weiß-wie-gut an einem ganz bestimmten, sondern nur ganz passabel an mehreren. Sprich: Ich kriege das hin, was ich will. Und das reicht mir. Am besten gelingt mir das am Schlagzeug."
Er sei kein Virtuose, so Wolfgang Van Halen. Und die Diskrepanz zwischen Vater und Sohn ist offensichtlich: Eddie war ein Gitarrenhexer, Showman und Frauenschwarm. Sein Sohn – benannt nach Mozart - ist ein stämmiger und extrem schüchterner Typ. Bislang hat er als Bassist bei Van Halen und Tremonti ausgeholfen. Jetzt, acht Monate nach dem Krebs-Tod seines Vaters, will er sich als Solist beweisen. "Es ist nicht so sehr der Versuch, sich von Van Halen abzusetzen als vielmehr seinen eigenen Sound zu finden. Das ist mir gelungen. Ich habe Semi-Hollow- und akustische Gitarren verwendet, um mich nicht auf demselben Terrain zu bewegen, wie mein Vater. Ich will mein eigenes Ding machen."
Musik: "Feel"

Ein Kind der 2000er

Unter "seinem eigenen Ding" versteht der 30-Jährige eine Mischung aus Grunge, Nu-Metal und Alternative-Rock. Ein bisschen Alice In Chains, Tool und System Of A Down. Dazu starke Melodien, kantige Gitarren oder mal hymnischer, mal melancholischer Gesang. Wolfgang van Halen ist ein solider Songwriter, der das Wechselspiel zwischen Laut und Leise, Harsch und Harmonisch beherrscht. Leider ist der Sound etwas zu komprimiert und matschig geraten, und das Album mit 58 Minuten Spielzeit einen Hauch zu gleichförmig und lang. Auch die ihm so wichtige Abgrenzung gegenüber Van Halen verfolgt er nicht konsequent. Als Namen für sein Projekt nutzt er ausgerechnet Mammoth: Wie die Band seines Vaters, bevor sie unter dem Familiennamen geführt wurde. "Es ist ein Hinweis auf meine Herkunft, und ich habe es geliebt, wenn mir mein Vater Geschichten aus seinen Anfangstagen erzählt hat. Dabei tauchte dieser Name auf, den ich toll fand. Deshalb meinte ich schon als Kind, dass ich ihn irgendwann für meine eigene Band verwenden würde. Eingefleischte Fans wissen um den Zusammenhang, die Allgemeinheit eher nicht."
Musik: "Mammoth"

Die Abrechnung

Im Vorfeld dieses Gesprächs bittet Wolfgang, den Fokus nicht zu sehr auf seinen Vater zu legen – was er dann selbst übernimmt. So habe Eddie ihn 2006 nur zum Van Halen-Bassisten gemacht, damit Wolfgang seinen Alkoholproblem überwacht. Zudem habe sein Vater das jetzt erscheinende Solo-Album von den ersten Gehversuchen 2013 bis zur Fertigstellung 2018 interessiert verfolgt, aber sich geweigert, daran mitzuwirken. Genauso wenig habe er ihm je Gitarrenunterricht erteilt.
"Er war kein guter Lehrer, weil er sein Wissen nicht weitergeben konnte. Er hat mir hier und da ein paar Licks gezeigt, aber nie nach dem Motto: ´Ok, mein Sohn, setze dich hin, ich bringe dir das jetzt bei.´ Wenn ich ihn gefragt habe, wie man etwas spielt, hat er das so runtergerasselt, dass ich sagen musste: ´Mach mal langsamer.´ Insofern ist es lustig, dass jeder meint, ich hätte Schlagzeugstunden von meinem Onkel und Gitarrenunterricht von meinem Dad bekommen. Ich habe eher dadurch gelernt, dass ich mein ganzes Leben in ihrer Nähe verbracht habe. Das hat abgefärbt."
Musik: "You're To Blame"
Sohn eines Gitarrengotts zu sein ist kein leichtes Los: Der Vater eine suchtkranke, aber weltberühmte Überfigur mit Launen und Exzessen, der Sohn in der Rolle des persönlichen Assistenten, Prellbocks, Pflegers. Van Halen Junior hat Eddie durch diverse Therapien begleitet, ihn wieder mit David Lee Roth zusammengebracht und die Veröffentlichung seines eigenen Albums um zwei Jahre verschoben. Eine regelrechte Selbstaufgabe, die sich in Stücken wie "Mammoth" oder "Won't Back Down" niederschlägt. Sie sind wie Mantras zum Durchhalten.
Musik: "Don't Back Down"
"Mit der Gesundheit meines Vaters ging es auf und ab. Ich habe mir oft vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn er nicht mehr da ist. Deshalb habe ich einen Song darüber geschrieben, dass wir uns immer nahe sein werden. Und mein Vater hat ihn geliebt. Er hat all meine Stücke gehört, auch solche, die nicht aufs Album gepasst haben, aber auf dem nächsten landen werden."

Drummer-Träume

Mit dem zweiten Album von Mammoth WVH dürfte es allerdings noch dauern. Ab September will Wolfgang auf Welttournee gehen. Dann muss er sich um das Erbe seines Vaters kümmern. Der hat ihm 100 Millionen Dollar vermacht. Außerdem die Gitarren-Firma EVH, die 5150 Studios, hunderte Vintage-Gitarren und ein Archiv voller unveröffentlichter Musik. Eine Menge Altlasten. Doch: Wolfgang Van Halen wird seinen Weg gehen: Mit seinem Album tritt er zum ersten Mal aus dem großen Schatten seines Vaters. Sollte er sich allerdings nicht als Solist etablieren – für ihn wäre das kein Problem: "Es wäre toll, sich nicht mehr so viele Gedanken machen zu müssen, wie ich es gerade als Sänger und Gitarrist tue – sondern einfach ganz entspannt Schlagzeug zu spielen." Ein frommer Wunsch. Denn: Sein Name bleibt gigantisch, auch ohne Mammut.
Musik: "Distance"