"Go West! Das haben wir mit der Muttermilch aufgesogen: diese amerikanische Geschichte mit ihrem manifesten Schicksal. Diese Idee, dass Amerikaner dazu bestimmt sind, den Kontinent zu erobern. Und zwar westwärts. Erforsche und zähme dieses wilde Land! Mit diesem Geist identifizieren wir uns doch, im Westen."
Ripley Johnson, Gitarrist und Sänger der Wooden Shjips, philosophiert über spezifisch US-amerikanische Mythologie. Langhaarig und langbärtig wirkt er wie ein Überlebender: eines Pionier-Trecks vor langer Zeit oder der Hippie-Ära der Sixties. Langbärtige Männer, wie er strahlen uns indes - aktuell und international – auch von Werbeplakaten auf der Straße an. Man könnte den Frontmann der Wooden Shjips also auch eine "In"-Persönlichkeit nennen.
Gitarrenklänge, modifiziert mit gleich einem Dutzend verschiedener Fuzz- und Overdrive-Pedale, ein undurchdringlicher Nebel verzerrter Sounds, die sich förmlich selbst zerfleischen, das ist eine Ebene des Drone Rocks der Wooden Shjips. Johnson bedient auf der Bühne eine markante, NASA- weiße Gitarre mit ungewöhnlich vielen Schaltern und Drehreglern. Hier darf das Wort fallen: "Abgespaced!"
"Es ist aber das Modell Airline, nicht Spaceship! Der Nachbau einer Gitarre aus den 60ern, die Firma hieß Airline."
Damit zelebriert er: epische Endlos-Soli. Ein kathedraler Sound, der – das ist das Charakteristische – immer oszilliert, zwischen Dur und Moll. Wollte man analysieren: mit Anklängen an die Kirchentonskala des Mixolydischen.
"Ich höre mir Jazz, vor allem Free Jazz an. Ich mag die Soli, die sich nicht darum scheren, ob diese oder jene Note gerade passt. Man kann auch mal mit Dissonanzen spielen, bis nur noch der rohe Sound übrigbleibt. Wenn es gut ist, dann ist es wie Wellenreiten."
Die Kür über einem minimalen Klangbett. Nash Whalen, Omar Ahsanuddin und Dusty Jermier skandieren - mit Bass, Schlagzeug und Orgel - ein Fundament, das in Rocklehrbüchern schon im ersten Kapitel abgehandelt wird. Basis: "Power Chords" im schmucklosen Blues-Schema.
"Ich muss möglichst exakt immer wieder dasselbe spielen. Ein paar Sekunden lang ist das nicht schwer. Aber denselben Basslauf zehn Minuten lang zu spielen, ist schon eine Herausforderung."
Bassist Dusty über Psychedelic 2013. Musikcomputern wird inzwischen ein "Human Touch" einprogrammiert, diese kleinen Abweichungen, die Fehler, die Menschen unweigerlich machen, wenn sie etwas ständig wiederholen. Beim repetitiven Konzept der Wooden Shjips geht es aber gerade darum: die Musik tatsächlich selbst zu spielen. Musik als körperliche Erfahrung, als Bewusstseinserweiterung.
Die Wooden Shjips gibt es seit 2006. Davor habe man in ziemlich erfolglosen, experimentellen Bands gespielt und zahlreiche Nebenjobs gehabt, erzählt Ripley Johnson. Inzwischen ist die Identität als Drone-Rock-Band gefestigt und: Man sei einigermaßen etabliert. Dazu gehört, dass man, international vernetzt, ein Album wie "West" von Sonic Boom produzieren lässt, ehemaliges Mitglied der britischen Spacemen 3, die in der Psychedelic-Szene seit den 1980ern Kultstatus genießen. Das vierte Album "Back to Land" überrascht mit für Verhältnisse der Shjips vergleichsweise eingängigen Songstrukturen. Eine Auseinandersetzung mit Einflüssen – die MC 5, die Stooges, besagte Spacemen 3.
Die Wooden Shjips sind keine Band mit einer Mission. Auch von den Texten, die Ripley Johnson - absichtlich – nur nuschelt und raunt ins Mikrofon, sind keine Parolen zur Weltenrettung zu erwarten. Sie sind eine weitere Klangfarbe. Und man mag sich diese Band auch nicht so recht Stadion-füllend vorstellen. Das ist auch immer eine Überlegung als Musiker, sagt Johnson: Machst du Musik für alle? Oder willst du Kritikers Liebling sein - und niemand kauft deine Platten? Dazwischen wäre ganz gut.
"Es geht darum, in einem guten Klub ein Konzert zu erleben, mit Leuten, die die gleiche Musik gut finden wie wir. Das ist doch schon mal was."