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Wüste, Berge, Flusslandschaften

Der Big Bend ist einer der größten Nationalparks der USA. Besucher können dort auf einer mehrtägigen Schlauchbootfahrt den Rio Grande erkunden; oder sie wandeln auf den Spuren der Cowboys und reiten mit Pferden in die texanischen Berge.

Von Dorothea Breit |
    In den. Das 320.000 Hektar Land umfassende Naturschutzgebiet ist der zweitgrößte Nationalpark der USA. Er gilt mit 350.000 Besuchern im Jahr immer noch als Geheimtipp im Vergleich zum Grand Canyon mit jährlich 6 Millionen Touristen. Um sich die Dimensionen des Landes vorzustellen ein Vergleich: Texas, der größte Bundesstaat der USA, ist größer als Deutschland. Man kommt nicht zufällig am Big Bend Nationalpark vorbei. Die nächsten Großstädte mit internationalen Flughäfen liegen jeweils eine Tagesfahrt mit dem Auto entfernt: El Paso im Westen, Dallas oder Houston im Osten. Es ist dies eine Gegend übrigens, wo die Einheimischen Wert darauf legen zu betonen, dass George W. Bush nicht aus Texas stammt, sondern nur zufällig eine Ranch in der Nähe von Midland/Odessa hat!

    Der Santa Fe Express: Tag und Nacht rauschen die mehrere Hundert Meter lang aneinander gekoppelten Eisenbahnwagons mit Getöse durch West-Texas; auch durch El Paso, die texanisch-mexikanische Grenzstadt am Rio Grande, 1500 Meter über dem Meeresspiegel auf einem Wüstenplateau gelegen.

    Der Himmel ist wolkenlos blau, aber ein heftiger Wind fegt aus den nahen Wüstenbergen, zerrt an fransigen Wedeln hoher Kokospalmen, die die Pioneer Plaza im Stadtzentrum schmücken. "Wells Fargo", steht auf einem der mächtigen roten Backsteingebäude, die den zentralen Platz umgeben. Das klingt irgendwie vertraut. Die Erinnerung an den Wilden Westen ist überall gegenwärtig in El Paso. Obwohl diese Ära nicht einmal ein halbes Jahrhundert dauerte, prägt sie noch heute das Bewusstsein der Menschen. Der Mythos wird auch gut gepflegt.

    "In El Paso gab es 30 Jahre lang Schießereien und Glücksspiele. Gegenüber dem Hotel Camino Real fing alles an. 1855 eröffnete hier ein Mann namens Ben Dell aus Kentucky ein Postbüro, eine Kneipe und ein Restaurant in einem alten Adobe-Haus. Damals waren alle Häuser in der alten Lehmziegelbauweise der Indianer gebaut, klein und einstöckig. Ben Dell machte seine Geschäfte. Da kamen ein paar Männer, tranken einige Whiskeys und stahlen eines seiner Pferde. Ben Dell hatte edle Rennpferde und verdiente damit sehr viel mehr Geld, als mit dem Postbüro. Das war, als die Stadt zu El Paso wurde."

    Berny Ok, ein schlanker Mittfünfziger, trägt gestreifte Hosen, cremefarbenes Hemd, Cowboyhut und kniehohe Stiefel mit Rädersporen an den Absätzen, um die Hüften einen Colt: alles authentisch. Berny ist Bezirksvorsitzender der historischen Kommission und Schauspieler. Bei Festen spielt er mit seiner Truppe legendäre Schießereien nach. Die Ursprünge von El Paso liegen jedoch in der spanischen Kolonialzeit im 16. Jahrhundert. Daher kommt auch der Name El Paso, spanisch: der Weg.

    "Die spanische Krone errichtete von Mexico City aus fünf Camino Reales: königliche Wege. Der älteste und längste, El Paso del Norte, der Weg nach Norden, führte von Mexico City nach Santa Fe in Neumexiko. Er überquerte hier bei El Paso den Rio Grande. Doch gab es schon davor Handelswege von Santa Fe in die Chihuahua Wüste; Pfade, die die Indianer gegangen waren, lange bevor die europäischen Eroberer ankamen. Als 1848 der Krieg mit Mexiko zu Ende war, wurde El Paso amerikanisch. Die Amerikaner erweiterten ihr Territorium nach Süden bis zum Rio Grande - und im Westen bis Kalifornien. Postkutschenverbindungen wurden aufgebaut. Die Berühmteste, die Butterfield Überlandpost, fuhr von St. Louis über El Paso nach San Francisco. Und die Jackass Post fuhr von San Antonio über El Paso nach San Diego."

    Gary Williams ist leitender Mitarbeiter der Gemeindestiftung von El Paso. Er hat zusammen mit Berny Ok einen historischen Spaziergang für Touristen durch das Zentrum entwickelt. Sie haben Bronzetafeln und Texte in englisch und spanisch an Orten mit Geschichte angebracht, sowie Fotografien, die jeweils den ursprünglichen Zustand zeigen. Denn viele Plätze und Häuser wurden überbaut.

    "Glücklicherweise stehen noch genügend Gebäude, anhand derer wir erzählen können, wie die Stadt entstanden ist. 1827 bekam Juan Maria Ponce de León von der spanischen Krone Land bewilligt auf der Nordseite des Flusses. Er brachte seine Viehwirtschaft hierher und baute ein Adobe-Haus, da wo heute das Plaza Theater steht. Er zapfte Wasser vom Fluss ab, bewässerte die Erde und pflanzte Bäume. Als gegen 1850 die ersten Europäer in größerer Zahl hier ankamen, staunten sie über den Weizen, der hier gedieh und die Obstbäume - Birnen, Aprikosen, Pfirsiche und Weintrauben. An der Bronzestatue des franziskanischen Missionars vor uns, da sehen Sie Weinstöcke zu seinen Füßen. Er hatte sie einst mitgebracht. Es gab Wein und gute Brandys."

    Eine Oase. Heute dominieren mächtige Gebäudeklötze das Stadtzentrum in einem imposanten Stilmix aus spanischer Kolonialzeit, französischem Empire, italienischer Neo-Renaissance, Art Déco und lokalem Pueblo-Stil.

    "In dieser Straße war die Emporium Bar. In der verkehrten während des Ersten Weltkriegs auch Deutsche. Der legendäre mexikanische Revolutionär Francisco Pancho Villa traf sich dort mit Oberst Maximilian Kloss. Kloss bot Pancho Villa Unterstützung an bei der Revolution - für das Recht, an der mexikanischen Küste eine Militärbasis zu errichten. Man wollte die USA ablenken und aus Europa fernhalten. Es wurde nichts daraus. Aber viele ähnliche Intrigen spielten sich hier ab."


    El Paso verdiente damals an Geschäften mit Waffen und militärischer Ausrüstung. Die Stadt florierte. Conrad Hilton baute in El Paso sein erstes Hotelhochhaus. Die heute 500.000 Einwohner zählende Stadt mit ganzjährig heißem Klima und mexikanischem Flair war bis in die 1960er-Jahre ein beliebtes Feriendomizil der Schönen und Reichen. Dieser Glanz ist deutlich verblasst, aber die Berühmten kommen immer noch - und wenn sie nur zum Schuster gehen. El Paso ist die Hochburg der Stiefelmanufaktur: Cowboystiefel sind cool, ein Lebensstil, ein Kult.

    "Wir nähen seit 20 Jahren Stiefel mit der Hand. Musiker und andere berühmte Leute kommen zu uns. Vor Kurzem haben wir Stiefel für Julia Roberts gemacht und Ethan Hawk, Tommy Lee Jones. Sharon Stone trägt Stiefel von uns. Ich habe Stiefel für vier Präsidentschaftskandidaten von beiden Parteien entworfen. Giuliani hat unsere Stiefel, auch seine Ex-Frau - und Schwarzenegger. Keiner unserer Kunden ist langweilig. Nur lustige Leute tragen unsere Stiefel."

    Nelvina Christi entwirft Cowboystiefel bei Rocketbuster Boots. Der Laden liegt in einem alten Backsteingebäude von 1900 im ehemaligen Warenhausdistrikt. Fotos berühmter Kunden hängen an den Wänden. Regale stehen voller Stiefel. Auf massiven Holztischen türmen sich Lederhäute in allen Farben: rot, türkis, blau, gelb, grün, naturbraun, schwarz, weiß. Der Boden ist übersät mit bunten Lederschnipseln. Nelvina Christi zeichnet nach den Wünschen der Kunden Muster und Bilder für die Stiefel zuerst auf Transparentpapier: Cowboys und Cowgirls, Pferde, Hunde, Mickymaus, Superman, Lucky Girl, Lotusblumen, Herzen.

    "Eine Frau, die an Weihnachten Geburtstag hat, bekam auf ihre Stiefel einen Weihnachtsmann, der eine Geburtstagstorte überbringt."

    Knapp ein Dutzend mexikanischer Männer und Frauen arbeiten mit Nelvina. Mit kleinen, skalpellartigen Messern schneiden sie die Motive aus dem Leder und nähen die Stücke mit dickem Baumwollzwirn per Hand und an Nähmaschinen zusammen.

    "Wir haben uns auf den Stil der 1940er-Jahre spezialisiert. Jedes einzelne Detail, die Farben, alles am Stiefel ist individuell entworfen. An diesem alten Modell hier sehen Sie, wie eng die Stiche der Steppnähte aneinander liegen und da - schauen Sie an der Sohle, die winzigen Stifte aus Zitronenholz. Man muss wissen, dass Cowboys ihr Leben lang nur ein einziges Paar Stiefel trugen und damit auch durch Wasser wateten. Die Stifte aus Zitronenholz saugten sich dann voll, schwollen an und hielten die Sohle straff."

    Gutes Schuhwerk ist auch für den Big Bend Nationalpark zu empfehlen. Die texanische Wüste ist steinig, gelegentlich liegen Skorpione, Vogelspinnen oder Klapperschlangen auf dem Weg.

    540 Kilometer von El Paso entfernt in südöstlicher Richtung liegt das Naturschutzgebiet in der großen Biegung des Rio Grande. Schnurgerade zieht sich das dunkle Band der Interstate Autobahn Nummer zehn durch die Dornstrauchsavanne. Stachelige Kakteen, Yuccapalmen, Agaven, dornige Sträucher und blauer Himmel - die Weite der Landschaft ist berauschend. Bei Van Horn fahren wir auf die Landstraße ab Richtung Süden. Die graubraunen kahlen Berge der Chihuahua Wüste rücken allmählich am Horizont näher.

    In Marfa, einem kleinen Kuhdorf auf dem Weg, wurde 1950 der Film "Die Giganten" mit James Dean, Rock Hudson und Elisabeth Taylor gedreht. Der Künstler und Protagonist der Minimal Art, Donald Judd, gründete 1986 auf dem Gelände einer ehemaligen Militärstation in Marfa die Chinati Foundation, sein Lebenswerk: ein Museum mit Atelier- und Ausstellungsräumen. Das ist sehenswert für Kunstfreunde.

    Zum Big Bend Nationalpark sind noch knapp 200 Kilometer zu fahren durch abenteuerliche Landschaft. Wilde Antilopen jagen durch die Steppe. Von El Camino del Rio, der kurvigen Straße nahe am Fluss, eröffnen sich atemberaubende Ausblicke in Felsschluchten, durch die sich das grüne Band des Rio Grande schlängelt, die Grenze zu Mexiko. In einer 190 Kilometer langen Biegung säumt der Fluss den Big Bend Nationalpark.

    "Dieser kleine Canyon wird die 'Dunkle Schlucht' genannt, wegen des fast schwarzen Gesteins. Es ist vulkanischer Herkunft und liegt über dem alten Bett des Meeres aus Sediment- und Kalkstein. In Urzeiten war hier einmal das Meer. Man fand Muscheln und Haifischzähne. Das Plateau von Big Bend ist vor circa 30 Millionen Jahren in einem gigantischen Feuerwerk und Schmelzprozess entstanden. Es gibt Orte, wo glühende Lavaströme in den weichen Kalkstein eingedrungen sind. Da entstanden Schwellen aus Lava zwischen den Schichten des Kalksteins. Dann gibt es in der Nähe von Lajitas eine Stelle, wo der ausfließende Lavastrom direkt auf dem vorhandenen Gestein liegengeblieben ist."

    Wie Kronen sitzen die dunklen Lavakrusten auf hellen Kalksteinbergen, weißen und grauen Kegeln aus Asche. Gary Calloway, genannt Catfish, ist Flussführer. Er begleitet Touristen auf ein- bis mehrtägigen Schlauchbootfahrten auf dem Rio Grande. Wenn genügend Wasser fließt, paddelt er durch die Schlucht von Santa Elena, wo sich der große Fluss durch Hunderte Meter hohe senkrechte Felswände geschliffen hat. Von dem gewaltigen Strom, der dies einst vollbrachte, ist ein schmaler Gebirgsfluss geblieben.

    Bei Lajitas, einer alten Kavalleriestation am Rande des Big Bend National Parks, fließt der Rio Grande knapp 40 Meter breit und einen Meter tief milchig grün dahin; gerade richtig für eine gemütliche Schlauchbootfahrt.

    "Ladies, warum steigt ihr nicht bei mir ein? Seid nicht schüchtern. So übel bin ich gar nicht."

    Zwei sitzen vorne, zwei hinten im Boot, Catfish in der Mitte. Der sonnengegerbte Sechzigjährige mit weißem Bart und Strohhut rudert flussabwärts. Hohes grünes Schilf und Tamarisken säumen den Fluss. Wasserschildkröten sonnen sich am schlammigen Ufer. Blau glitzernde Riesenlibellen tanzen durch die Luft. Manche der umgebenden kargen Berge muten an wie Rücken von Dinosauriern, deren Knochen hier im weichen Kalkstein gefunden wurden.

    "Da vorne kommt eine kleine Stromschnelle, ein vorspringender Fels. Ist aber kein Problem. Nur manchmal ist diese Stelle unpassierbar. Wir werden sehen, wie es geht."

    Das Schlauchboot schlingert zwischen Felsbrocken und Wasserstrudeln. Catfish hält mit den Rudern dagegen, Gischt spritzt - und schon sind wir durch. Das Wasser fließt wieder ruhig und hellgrün dahin.

    Für einen Pausensnack steuert Catfish das Schlauchboot ans mexikanische Ufer, obwohl das seit 2002 verboten ist: eine Folge der Anschläge in New York. 5000 Dollar Strafe drohen.

    Früher überquerten die Einheimischen der spärlich bewohnten Gegend - Mexikaner wie Texaner - den Fluss informell und problemlos mit dem Boot, bei niedrigem Wasserstand zu Fuß oder zu Pferde. Touristen wanderten auf Tagesausflügen in abgelegene Bergdörfer.

    "Das Verbot, das die Homeland Security im Zuge der Terrorismusbekämpfung verhängt hat, ist eine sehr große Ungerechtigkeit gegenüber der Lebensgemeinschaft, die hier auf beiden Seiten der Grenze existiert. Wir können nicht mehr rüber, um unser Geld bei ihnen auszugeben; und sie haben ihre Arbeitsplätze verloren. Sie können nicht mal mehr ihre Grundnahrungsmittel einkaufen bei uns. Die nächsten offiziellen Grenzübergänge liegen Hunderte Meilen entfernt."

    Im Gegensatz zu Arizona war die Grenze zwischen Texas und Mexiko immer eine nachbarschaftliche Grenze. Das Verbot hat die Menschen der entlegenen Bergdörfer Mexikos in große Not gestürzt. Auch das kleine Geschäft mit Tagestouristen ist vorbei.

    In Lajitas blieb nach einer Filmproduktion nahe der alten Kavalleriestation eine Westernstadt stehen: die perfekte Kulisse für eine Hotelanlage. Vor dem Saloon steht den ganzen Tag ein gesatteltes Pferd angebunden, allerdings nur als Statist. Freizeitreiter finden Pferde in den nahen Lajitas-Ställen. Janell DeGroot, eine schmale junge Frau in Jeans, langärmeligem Hemd und Cowboyhut, unternimmt Ausritte.

    "Wir reiten in Gruppen mit sechs bis sieben Leuten in die Berge. Jeder kann mitkommen, auch wer noch nie geritten ist. Es passiert nichts, außer vielleicht ein bisschen Muskelkater am nächsten Tag. Wir haben großartige Pferde. Sie sind gut trainiert und sehr erfahren."

    In einem Pferch stehen acht Pferde gezäumt und gesattelt bereit. Nach einer kurzen Einweisung in die Zügelführung geht es los - einer hinter dem anderen im Schritt einen steinigen Pfad hinauf. Die Sonne brennt vom Himmel. Die Pferde rupfen hier und da vertrocknete Grasbüschel zwischen stacheligen Kakteen. Janell reitet an der Kante eines schwindelerregenden Abgrunds entlang. Hunderte Meter hohe rote Felswände flankieren die Schlucht gegenüber. Richtung Süden schweift der Blick endlos weit in die kahle mexikanische Bergwüste.

    Der Big Bend Nationalpark ist berühmt für seine vielfältige Flora und Fauna. Manche Kakteen sind nur nach einem Regenguss von Steinen und Felsen zu unterscheiden, dann verstreuen sie bunte Blütensterne über die Wüste. Der erstaunlichste Vegetationssprung vollzieht sich in den Chisos Mountains: statt Feigenkaktus und Dornbüschen - Kiefern- und Eichenwälder. Das Gebirge aus dunklem Lavagestein umgibt eine Talsenke, das Chisos Basin auf circa 1600 Meter Höhe.

    Hier ist es nicht ganz so heiß und ideal zum Wandern. Schwarz-weiß gestreifte stachelige Stinktiere kreuzen die Straße. Javalina-Familien spazieren grasend durchs Gelände, niedliche hochbeinige Gesellen mit borstig braunem Fell. Sie ähneln Wildschweinen, sind aber nicht mit ihnen verwandt.

    Rehe, der berühmte Roadrunner, langohrige schnelle Hasen, Kolibris, Falken und Habichte, Eulen und Echsen leben hier, aber auch Klapperschlangen und Vogelspinnen. Hinweisschilder instruieren darüber, wie man sich bei der Begegnung mit einem Berglöwen verhält. Ein bisschen mulmig kann einem dann schon zumute werden.

    "Dort sind Nester von Felsenschwalben. Sie sind Zugvogel, kommen als letzte hier an im Frühling und ziehen als Erste wieder fort."

    In Trauben hängen die kokosnussgroßen Nester der Schwalben an bröselig weichen Kalkfelsen, die den Weg zu heißen Quellen am Rio Grande flankieren, einen Tagesausflug mit dem Auto entfernt von den Chisos Bergen. Rechts säumt meterhohes grünes Schilf den Pfad. In einer Nische der Kalkfelswände steht ein verlassenes Haus.

    "Das war mal ein Hotel. Es gehörte einem Herrn Langford, der aus Mississippi hierher kam mit seiner Familie. Er war krank, hatte starke Atemprobleme. Er fand heraus, dass dieses Stück Land zu kaufen war und heiße Quellen hatte. Ohne es sich vorher anzuschauen, kaufte er es, zog mit ein paar Pferden und Mauleseln hierher und baute einen Erholungsort auf. Ein Handelsposten entstand, Leute kauften Felle und andere Waren aus Mexiko."

    Das war um 1900. Bis 1944 lebten hier Leute. Dann wurde das Gebiet Nationalpark. Mike Davidson ist Direktor des Brewster County Tourism Council Big Bend. Er rupft langes Schilfgras ab und wirft es verächtlich zur Seite.

    "Das ist hier nicht natürlich gewachsen und pflanzt sich immer weiter fort. Auch die Tamarisken. Die hat das Amt für Erd- und Wasserkonservierung ursprünglich angepflanzt, um das Abrutschen der Uferbänke zu verhindern. Die Pflanzen wurden aus dem Mittleren Osten importiert. Dort und am Mittelmeer ist ihr natürlicher Lebensraum. Man importierte diese Pflanzen und vergaß, ihre natürlichen Feinde mitzubringen. Die Tamarisken vermehren sich ungehindert im hiesigen Ökosystem und verbrauchen enorm viel Wasser aus dem Fluss, das anderswo fehlt."

    Im vergangenen Jahr wurde nach langen, aufwendigen Testverfahren erstmals ein natürlicher Feind der Tamarisken am Rio Grande ausgesetzt: ein Käfer aus Kreta - in der Hoffnung, dass der Grundwasserspiegel wieder ansteigt und das einzigartige Biotop erhalten bleibt.

    "Man muss deshalb kein radikaler Umweltschützer sein. Wir schätzen das ursprüngliche Leben der Natur hier, die Vielfalt der Vogel- und Tierwelt, die Möglichkeiten zu jagen und zu fischen. Die lokale Ökonomie hängt davon ab. Im Erhalt natürlicher Lebensräume liegt auch ein wirtschaftlicher Mehrwert."

    Die ockergelben Kalksteinwände sind übersät mit verblassten, zinnoberroten Zeichen: gebogenen und sich kreuzenden Linien, Kreisen, Vierecken. Diese Felszeichnungen malten Indianer vor 3000 bis 4000 Jahren. Der Weg wird weich und sandig, das Schilf lichtet sich in einer Bucht am Fluss.

    Von dem Badehaus, das Langford einst um die Quellen gebaut hatte, stehen nur noch die Grundmauern, knapp vom Wasser bedeckt. Sie trennen das sanft aus der Quelle blubbernde klare heiße Wasser vom Fluss. Man kann sich gut daran festhalten und von der heißen Quelle in den kalten, milchig grünen Rio Grande wechseln.

    Samstagabends treffen sich Einheimische und Besucher im Geisterstädtchen Terlingua. Das Dorf verfiel nach der Schließung der Quecksilbermine 1944 wie zahlreiche andere der Gegend. Die Ruinen von Lehmhäuschen ehemaliger mexikanischer Arbeiterfamilien stehen verlassen zwischen Kakteen und Dornbüschen. Eine Gruppe Countrymusiker feiert Party.

    "Ich kam im Alter von sieben Jahren hierher mit den Eltern. Jetzt bin ich 70. Vor 63 Jahren lebten noch 200 Leute hier. Sie arbeiteten in den Zinnoberminen. Daraus wurde Quecksilber gewonnen, das man bis dahin weltweit als Zündstoff für Bomben und Torpedos benutzte. 1898 war die Mine gegründet worden. 1944 wurde sie geschlossen. Es gab Hunderte Minen. Mehrere Tausend Mexikaner lebten hier."

    Blair Pittman war Journalist, Höhlenforscher und Fotograf der Zeitschrift "National Geographic". Er verbringt seinen Lebensabend in einer kleinen Gemeinde Gleichgesinnter, die sich in Terlingua neu angesiedelt hat, darunter ehemalige Hippies ebenso wie emeritierte Astro- und Atomphysiker aus Houston oder Dallas. Sie alle schwören auf das trocken heiße Klima, die Stille und das allabendliche Lichtspiel der Sonne über den Wüstenbergen.

    "Die Leute, die hier leben, verbindet eine große Liebe zu diesem Land und unseren mexikanischen Nachbarn. Ich war todkrank, hatte eine Lungenentzündung, als wir hierhin zogen. Aber seither bin ich gesund und wie neugeboren."

    Nur einmal im Jahr, an einem Wochenende im Oktober, wird Terlingua zum Rummelplatz: Da findet der internationale Chili-Kochwettbewerb statt.