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"www.spickmich.de"

Welcher Schüler würde nicht gerne mal seine Lehrer benoten. Seit Anfang dieses Jahres ist das sogar möglich, mit ein paar Mausklicks im Internet, auf der Seite Spickmich.de. Mehr als 100.000 Schülerinnen und Schüler haben sich bis heute dort eingeloggt, um ihre Lehrer zu beurteilen.

Von Svenja Üing | 07.07.2007
    Eine frisch renovierte Dachgeschosswohnung in der Nähe der Kölner Uni. Kahle Wände, kaum Möbel, nur ein paar Schreibtische. Die drei Macher der Internetseite Spickmich.de sind gerade in ihr neues Büro gezogen. Programmierer Philipp Weidenhiller sitzt am Laptop und klickt sich durch das Programm:

    "Ich klicke jetzt hier diese Lehrerin an, die hat insgesamt eine 2,0 als Durchschnittsnote bekommen und die Grundlage dieser Note sind schon 76 Bewertungen. Das heißt, 76 Schüler haben dieser Lehrerin schon eine Note gegeben. Wir können uns hier kurz die Kategorien anschauen."

    Die Kategorien, das sind neun Stichworte wie "beliebt", "sexy" oder "cool und witzig".

    "In "cool und witzig" zum Beispiel hat sie tatsächlich eine 1,8 bekommen, was wirklich eine richtig gute Note ist, sie macht auch einen sehr guten Unterricht, mit einer 1,9 hier bewertet, gibt faire Noten, da hat sie - Punktlandung - genau eine 2,0 bekommen. Ganz so leicht sind ihre Prüfungen nicht, das ist ihre schlechteste Note, da hat sie nur in Anführungszeichen eine 2,8."
    Die Notenskala ist dieselbe wie auf Schulzeugnissen, also alles zwischen 1 und 6. Wer will, kann das Zeugnis am Ende sogar ausdrucken und seiner Lehrerin überreichen. Und es gibt die Möglichkeit, Lehrerzitate zu verewigen, erklärt Philipp Weidenhillers Kollege Manuel Weisbrod:

    "Die Grundidee ist eigentlich auf einer Studentenparty entstanden, also Philipp, Tino und ich haben uns einfach mal angeguckt, haben uns über die Bewertung von Professoren unterhalten. An der Universität Köln werden Professoren noch mit Papier-Bögen bewertet anhand von 20 Kriterien. Und da ist wirklich die Frage im Raum gewesen, wieso es das eigentlich nicht für Lehrer gibt."

    "Ich fände das lustig, dass wir denen mal Noten geben können und nicht nur die uns."

    Viele Schüler denken wie die 14-jährige Pauline. Seit dem Start der Internetseite im Februar dieses Jahres haben 100.000 Schülerinnen und Schüler ganze Lehrerkollegien benotet. Mehr als 120.000 Lehrerinnen und Lehrer stehen namentlich im Netz. Und die wehren sich inzwischen. 20 Anwaltsschreiben liegen bei Manuel Weisbrod und seinen Kollegen auf dem Tisch. Die Internetseite diffamiere die Lehrkräfte und verletze ihre Persönlichkeitsrechte, sagen Kritiker. Diese Meinung teilt auch Brigitte Balbach, stellvertretende Vorsitzende des Realschullehrerverbandes NRW:

    "Ob jemand sexy ist, ist ja nicht relevant für die Funktion als Lehrer oder Lehrerin. Hier geht's ja wirklich darum, wie sieht der aus, wie wirkt der auf mich. Und sicherlich gibt es einige, die sagen, das ist mir egal oder die von sich wissen, ich habe eine gewisse Ausstrahlung. Aber alle anderen werden Angst davor haben, dass sie als nicht-sexy zum Beispiel abgestempelt werden."

    Auch die Schülerin Pauline findet, hier gehe die Lehrer-Benotung zu weit:

    "Ich finde das nicht fair, weil wenn man danach beurteilt wird, ob man jetzt sexy ist, dann glaube ich nicht, dass das so gut ist, weil man sollte immer auf den Charakter gucken, glaube ich, und nicht nur auf das Aussehen und so."

    Vielen ihrer Kollegen gehe es psychisch sehr schlecht, wenn sie die Seite im Netz besucht haben, sagt Brigitte Balbach. Wer sich als Lehrer einloggt, kann zwar nicht lesen, wer genau sie benotet hat, wohl aber, aus welcher Schulklasse die Note kommt.

    "Man muss täglich ja in die Klasse zurück und weiß dann, die und die haben das gesagt, die haben das über mich geschrieben. Das erleichtert den Stand nicht, dass erschwert ihn, und auch das Zusammenleben miteinander."

    Die Macher von Spickmich sehen das anders. Die Lehrer-Benotung soll Spaß machen, damit sich viele beteiligen. Und verletzende Zitate würden gar nicht erst eingestellt. Spickmich soll ein Sprachrohr für Schülerinnen und Schüler sein - und damit letztlich auch den Unterricht verbessern. Erste Erfolge hätten sie damit schon erzielt. Eine Schülerin habe ihnen zum Beispiel geschrieben, dass ihr Physiklehrer seine Benotung im Internet entdeckt habe, sagt Tino Keller:

    "Und die Schülerin hat uns geschrieben, das ist super, er hat sich voll verändert, Physik macht richtig Spaß. Und es ist schön zu sehen, dass Lehrer auch so positiv auf so ein Feedback reagieren können."

    Völlig abschaffen würde auch Brigitte Balbach die Internetseite nicht. Schließlich sei Schüler-Feedback wichtig. Auch sie selbst hat ihren Unterricht schon evaluieren lassen. Aber im Unterricht, nicht anonym im Internet. Doch so kritikfähig seien eben nicht alle Lehrer, sagen die Macher von Spickmich:

    "Bei denen, die sich pauschal gegen eine Benotung ihrer Arbeit wehren, da sagen wir ganz klar, das ist eine Meinung der Schüler, die muss so möglich sein und da stellen wir uns auch vor die Schüler."