
"Im Titel Shriek, zu Deutsch Aufschrei, stecken mehrere Bedeutungen: Man kann einen Schrei vor Freude, aber auch vor Angst oder Panik ausstoßen. Dieser Schrei kommt von ganz tief innen heraus, aus einer unbewussten, wortlosen, ja fast tierischen Sphäre. Das ist die Quelle meiner Inspiration. Das Stück ist für mich wie ein Mantra. Es schenkt mir Ruhe und Stabilität."
Die Sängerin Jenn Wasner der amerikanischen Band Wye Oak streicht sich durch die halblangen blonden Haare und legt die Stirn in Falten. Im Song "Shriek" der gleichnamigen aktuellen Veröffentlichung hat sie ihre Ängste und Zweifel verarbeitet. Denn nach dem letzten Album "Civilian" war Jenn ausgebrannt und hatte sogar kurz mit dem Gedanken gespielt, alles hinzuschmeißen.
Ausgebrannt
"Nach unserer letzten Konzerttournee war ich vollkommen überarbeitet und hatte eine Schreibblockade. Ich realisierte, dass die Gitarre mir im Wege stand. Ich brauchte fürs neue Album unbedingt eine andere Herangehensweise. Warum sollte ich mir nicht Zeit nehmen und ganz in Ruhe das Album mit anderen Instrumenten kreieren?, fragte ich mich. Ich beschäftigte mich eingehend mit dem Aufbau: Das Werk sollte einen offenen, durchlässigen Charakter haben und Raum für kompositorische Detailarbeit bieten."
Auch bei Andy hat sich etwas getan. Er wechselte vom Bass zum Keyboard und spielt jetzt auch die hohen Töne. Dennoch kümmert er sich weiterhin um die Drums:
"Auf diesem Album habe ich mich intensiv mit den Schlagzeug-Passagen beschäftigt. So gibt es zum Beispiel im Song "Schools Of Eyes" verzögerte Drumparts. Basis sind analoge Schlagzeug-Passagen, die ich dann digital so bearbeitet habe, dass diese Sequenzen sich verlangsamen und einen repetitiven Effekt erhalten."
Und dann gab es noch innerhalb der Bandarbeit einen Wechsel. Andy war an die Westküste gezogen, weit weg von der Heimatstadt. Jenn blieb in Baltimore und hielt sich ab und zu in New York auf. So wurden die musikalischen Ideen erstmals über die Distanz eines Kontinents ausgetauscht und in ihrer jeweiligen Abgeschiedenheit weiterentwickelt.
Überzeugendes Ergebnis
"Das Studio ist für uns seit jeher ein Soundlabor. Hier entstehen unsere Kompositionen. Wir gehen nicht mit bereits fertigen Songs ins Studio und nehmen dann die beste Fassung davon auf. Nein, erst dort nehmen unsere Songs allmählich Gestalt an, indem wir viel experimentieren. Bei diesem Album war ich in Portland und Jenn in Baltimore. Wir haben jeweils ein Heimstudio und haben unsere Ideen und Soundexperimente immer wieder hin und hergeschickt."
Die Entfernung hat dem Duo gutgetan. Das Ergebnis ist überzeugend: Schlagzeug und Bass sind gekonnt eingesetzt. Shriek ist ein abwechslungsreiches Album. Es ist langsam und mit Bedacht entstanden. Das ganze Werk hält die wunderschöne Stimme von Jenn zusammen.
"Für den Anfang der Songs wählte ich Piano-, Schlagzeug-, oder Melodie-Passagen. Außer der Gitarre gibt es noch viele andere Kompositionsmöglichkeiten. Jeder Song klingt anders. Mir kommt es so vor, als würden viele sich darauf konzentrieren, dass wir dieses Mal die Gitarre weggelassen haben. Doch meiner Meinung nach unterscheidet sich diese Veröffentlichung nicht grundlegend von den vorherigen Alben."