Dienstag, 30. April 2024

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Ypersele: Temperaturziel ist machbar

Der stellvertretende Chef des Weltklimarats (IPCC), Jean-Pascal Ypersele, glaubt, dass mit Technologien, Politik und Verhaltensänderungen die Begrenzung der Erderwärmung möglich ist. Auch wenn internationale Klimakonferenzen schwer handhabbar seien, so Ypersele weiter, brauche man sie.

Jean-Pascal Ypersele im Gespräch mit Georg Ehring | 09.12.2010
    Theo Geers: Von Potsdam geht es nun nach Cancun. Dort geht es nicht nur um die Frage, ob so ein Fonds endlich geschaffen wird und wie viel Geld da hineinkommt, sondern es geht auch um das ganz große Ziel, die globale Erderwärmung, die schon jetzt bei Plus 0,8 Grad angekommen ist, auf höchsten zwei Grad zu begrenzen. Aber ist das noch realistisch? – Genau das hat Georg Ehring in Cancun den stellvertretenden Chef des Weltklimarats, Jean-Pascal Ypersele, gefragt.

    Jean-Pascal Ypersele: Nun, es ist die politische Entscheidung, die von Politikern getroffen worden ist, um die schwersten Folgen des Klimawandels zu lindern – nicht alle Folgen, aber die schwersten Folgen. Und wenn Sie den letzten Sachstandsbericht des IPCC nehmen, dann sehen Sie eine Übersetzung der Temperaturziele in die Mengen an CO2 und anderer Treibhausgase, die in die Atmosphäre ausgestoßen werden können, und dort können Sie sehen, dass dies machbar ist. Es sieht so aus, dass dies mit einer Kombination aus Technologien, Politik und Verhaltensänderungen möglich ist. Es scheint sogar nicht sehr teuer zu sein, dies zu erreichen, wenn und das ist ein großes Wenn, das so eine Konferenz rechtfertigt , wenn es eine globale Übereinkunft gibt, so dass die beste Politik auch überall umgesetzt wird.

    Ehring: In Bezug auf den Klimawandel gibt es noch große Unsicherheiten. Wie genau kann man das sagen, dass das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen ist? Wie groß ist die Chance, dass es alles nicht so schlimm kommt, und wie groß ist das Risiko, dass es viel schlimmer kommt?

    Ypersele: Es ist seit fast 200 Jahren bekannt, dass es zu einer Erwärmung des Klimas auf dem Planeten führt, wenn man die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre erhöht. Das ist sehr gut etablierte Wissenschaft. Also: Wenn wir weiter so viel CO2 emittieren und diese Mengen sogar noch steigern, dann wird das Klima wärmer. Es ist wahr, dass wir nicht genau wissen, um wie viel, also um wie viel Grad für eine gegebene Menge an CO2 in der Atmosphäre. Es gibt Unsicherheiten, das ist wahr. Wenn wir über die Unsicherheiten reden, müssen wir uns daran erinnern, dass die Unsicherheiten in beide Richtungen bestehen können. Es ist nicht nur möglich, dass das Risiko kleiner wird; es kann auch ein Anstieg des Risikos sein. Die Unsicherheiten sind also in beide Richtungen da, und um ein laufendes und zu gefährliches Experiment zu vermeiden wird es sinnvoll sein, so wenig davon auf sich zu nehmen wie möglich und die Emissionen so weit wie möglich zu verringern.

    Ehring: In einigen Jahren kommt der nächste Sachstandsbericht des IPCC. Was kann man über die neuesten Erkenntnisse zum Thema Klimawandel jetzt schon sagen?

    Ypersele: Es ist zu früh, um zu sagen, welche neuen Schlüsse es geben wird, doch ich glaube nicht, dass ich ein großes Risiko eingehe, wenn ich schon heute sage, die Kernbotschaften des vergangenen Berichts werden mit größerer Genauigkeit und besserem Verständnis bestätigt werden, und dass der Schluss, dass sich das Klima wegen der Emissionen der Menschen erwärmt, im nächsten Bericht nur bekräftigt werden wird. Da bin ich ziemlich sicher.

    Ehring: Welchen Eindruck haben Sie von dieser Klimakonferenz? Glauben Sie, dass sie einen guten Beitrag zur Lösung des Problems leisten wird?

    Ypersele: Das kann ich noch nicht vorhersagen. Niemand kann das Ergebnis der Konferenz vorhersagen. Doch wenn Sie sehen, was in den vergangenen 20 Jahren passiert ist, und ich habe diesen Prozess eine lange Zeit beobachtet, seit der ersten Konferenz, die 1995 in Berlin, in Deutschland stattgefunden hat, ich kann Ihnen sagen, dass jede Konferenz ein Schritt in die richtige Richtung war – manchmal ein kleiner Schritt, manchmal ein größerer. Wir werden sehen, wie groß der Schritt dieses Mal sein wird, doch eines ist aufgrund des IPCC-Berichts sehr klar: Für ein globales Problem wie den Klimawandel braucht man ein globales Herangehen. Internationale Konferenzen wie diese sind schwer zu handhaben, doch es gibt keinen anderen Weg, um so ein internationales und globales Problem zu diskutieren.

    Geers: Klimaschutz kann nur auf Mammutkonferenzen wie in Cancun betrieben werden, sagt der stellvertretende Chef des Weltklimarats, Jean-Pascal Ypersele, im Interview mit Georg Ehring.