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Zankapfel auch in Tschechien

Die neue tschechische Mitte-Rechts-Regierung wird 2013 Studiengebühren einführen. Damit will Premier Petr Necas den chronisch unterfinanzierten Hochschulen auf die Beine helfen - und unter anderem ein Stipendiensystem für leistungsstarke Studenten aufbauen.

Von Christina Janssen |
    Der Biergarten Biograf ist an diesen Rekordsommertagen einer der wenigen erfrischend kühlen Orte in Prag. Hier treffen sich Studenten abends auf ein Bier unter alten Lindenbäumen und diskutieren. Zu besprechen gibt es genug. Denn einer der ersten Beschlüsse der neuen Regierung betrifft die Studenten: Von 2013 an sollen sie für ihre Hochschulausbildung bezahlen. Ein historischer Schritt in der tschechischen Bildungspolitik:

    "Ich bin dagegen", sagt Matej, Student an der Prager Filmakademie. "Dieses Geld wird die desolate Situation an unseren Unis nicht verbessern. Das ist doch der reine Populismus: Wir führen Studiengebühren ein und dann wird alles gut. Der Staat hätte schon vor zehn Jahren etwas tun müssen – anstatt jetzt auf die Schnelle den Studenten das Geld aus der Tasche zu ziehen."

    Auch Eva, die an der Karlsuniversität internationale Beziehungen studiert, ist gegen die Gebühren. Für sie selbst, sagt die junge blonde Frau im bunten Radler-Outfit, seien die Gebühren kein Problem – für andere schon:

    "Für die sozial schwächeren Familien ist das viel Geld. Vielleicht sind die Studiengebühren für die wohlhabenden Familien in Prag nicht so dramatisch, aber in ärmeren Regionen, zum Beispiel im Osten des Landes, ist das für viele einfach nicht machbar. Und wenn eine Familie dann auch noch zwei Kindern das Studium finanzieren muss, geht das überhaupt nicht."

    Bis zu 400 Euro sollen Studierende künftig pro Semester bezahlen. In einem Land mit einem monatlichen Durchschnittslohn von nicht einmal 900 Euro ist das eine Menge Geld. Die genaue Höhe der Gebühren sollen die Hochschulen selbst festlegen, so der Chef der Regierungspartei "Öffentliche Angelegenheiten", Radek John:

    "Dort, wo es eine besonders große Nachfrage gibt, werden es wohl 10.000 Kronen sein, also etwa 400 Euro pro Semester. Hochschulen, wo sich nur wenige Studenten einschreiben, werden aber wohl niedrigere Gebühren festsetzen müssen."

    Angebot und Nachfrage diktieren den Preis – schon 2013 soll das Wirklichkeit werden. Ein drastischer Einschnitt in dem einst kommunistischen Land, wo der Zugang zu Bildung traditionell nicht begrenzt war. Der neue Premier Petr Necas von den konservativen Bürgerdemokraten beteuert, ihm gehe es um eine bessere finanzielle Ausstattung der Hochschulen – um höhere Professorengehälter und mehr Geld für die Spitzenforschung. Und auch den Studenten selbst soll das Geld zugutekommen:

    "Ein Teil der Einnahmen soll für Stipendien verwendet werden, um besonders begabte Studenten zu fördern und ihnen Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten zu finanzieren."

    Studenten, die sich die Gebühren nicht leisten können, sollen ein staatliches Darlehen erhalten – ähnlich dem deutschen BAföG. Sie müssen das Geld erst dann zurückzahlen, wenn sie nach dem Studium genug verdienen – das heißt, wenn sie mindestens das Durchschnittseinkommen erreicht haben. Wer seinen Abschluss mit Auszeichnung macht, bekommt die Gebühren erstattet. Die tschechische Hochschulrektorenkonferenz unterstützt diese Pläne. Kein Wunder angesichts der mageren Professorengehälter: Die meisten verdienen weniger als 1000 Euro pro Monat. Das soll sich nun ändern. Während die neue Regierung die Beamten-Gehälter pauschal um zehn Prozent kürzt, werden die der Professoren angehoben. Das finden auch viele Studenten sinnvoll:

    "Ich bin eigentlich damit einverstanden", sagt Bohemistikstudentin Lucie, die im Biergarten als Kellnerin jobbt. "So kann die Qualität der Lehre an unseren Hochschulen verbessert werden. Die Professoren haben jahrelang kaum etwas verdient. Ich gehe davon aus, dass die Studiengebühren dazu beitragen, diese Situation zu verbessern."

    Und auch aus anderen Gründen plädiert eine Minderheit der tschechischen Studenten für die Studiengebühren:

    "Mich persönlich stört das überhaupt nicht. Grundsätzlich, finde ich, kann und soll jeder etwas für sein Studium bezahlen. Das könnte viele Leute wirklich motivieren, sich im Studium mehr zu engagieren. Aber klar: Für diejenigen, die aus ärmeren Familien kommen, kann das ein echtes Problem werden."

    Während die Akademikerquote in Deutschland besonders niedrig ist, liegt sie in Tschechien deutlich über dem OECD-Durchschnitt. Seit 2001 hat sich die Zahl der Studenten verdoppelt, gleichzeitig sind die Ausgaben für die Bildung immer weiter gesunken. Die Debatte über die Studiengebühren spitzte Staatspräsident Vaclav Klaus in gewohnter Manier zu: Bei einem Besuch der Universität Olmütz gab er den Studenten einen guten Rat: Sie haben kein Geld für Studiengebühren? Dann verzichten Sie doch mal auf Ihre teuren Snowboards.