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Zehn Dollar oder doch ein bisschen mehr

Schon der 100-Dollar-Laptop, vor dreieinhalb Jahren auf dem Weltinformationsgipfel in Tunis vorgestellt, galt als äußerst ehrgeiziges Projekt. Doch der Preis war nicht zu halten – fast doppelt so viel sollte das Laptop für Kinder am Ende kosten. Indiens Bildungsminister Arjun Singh hat in dieser Woche noch eins drauf gesetzt - und den Zehn-Dollar-Laptop angekündigt.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Ein Volkscomputer, den sich jeder Inder für zehn Dollar kaufen können soll. Ist der Zehn-Dollar-Laptop mehr als bloße Propaganda, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Schon mehr als nur Propaganda. Denn der Zehn-Dollar-Laptop ist ein äußerst ehrgeiziges Projekt, mit dem Bildungsminister Arjun Singh Wirtschaftspolitik treiben will. Aber es handelt sich bei dieser ganzen Geschichte, die ja in dieser Woche enorm viel Staub aufgewirbelt hat, eben auch um Propaganda. Und so kam es ja auch, wie es kommen musste: Zur Eröffnung des E-Learning-Portals im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh hatte Arjun Singh eben keinen Prototypen des Zehn-Dollar Laptop dabei, sondern lediglich eine Machbarkeitsstudie, die Wissenschaftler des Institute of Technology in Madras erstellt haben.

    Kloiber: Treffen die Wissenschaftler in dieser Machbarkeitsstudie Angaben zu den Produktionskosten eines solchen Laptops?

    Welchering: Ja, es stehen sogar Preise drin. Und auch Computerwissenschaftler des Institute of Science in Bangalore kalkulieren unterschiedliche Billigcomputer durch. Um das aber gleich ganz klar zu sagen: Auf zehn Dollar Produktionskosten kommt da niemand. Produktionskosten für einen Billigcomputer von unter 100 Dollar werden für machbar gehalten. Die ganz Mutigen prognostizieren 60 Dollar. Zehn Dollar, so heißt es in den unterschiedlichen Gutachten und Studien immer wieder, sind ein sehr langfristiges und erstrebenswertes Ziel.

    Kloiber: Ein Laptop für weniger als 100 Dollar ist ja immer noch recht günstig. Wie muss denn ein solcher Laptop aussehen, damit er so preiswert hergestellt werden kann?

    Welchering: In erster Linie wird es wohl kein Laptop mehr sein, sondern eine Art Volkscomputer ohne Display, der an das TV-Gerät angeschlossen werden soll. Fällt das Display weg, kann eine Menge gespart werden. Dann soll der Billigcomputer aus Indien natürlich auch keine Festplatte haben. Die wäre viel zu teuer. Als Datenspeicher werden preisgünstige Flashspeicher verwendet. Das kostenlose Linux als Betriebssystem hilft ebenfalls sparen. Und als Prozessor denken die indischen Experten daran, einen sehr günstigen MIPS-prozessor zu verwenden. Ursprünglich hatten sie da mal ihr Auge auf den chinesischen Ingenic-Prozessor geworfen, der ja auch im Jee-PC verbaut wird. Der ist extrem preisgünstig und MIPS-kompatibel. Doch, wie es aussieht, haben die Chinesen ihren indischen Freunden hier eine klare Absage erteilt.

    Kloiber: AMD hat ja indischen Prozessor-Herstellern schon vor einiger Zeit Lizenzen übertragen. Kann der indische Billigcomputer denn mit Prozessoren aus eigener Produktion versorgt werden?

    Welchering: Zurzeit nicht. Aber es gibt einige Anzeichen, dass eine Politikergruppe um den indischen Bildungsminister Arjun Singh unbedingt eine indische Halbleiterindustrie aufbauen will. Und dort könnten dann auch preisgünstige MIPS-kompatible Chips gebaut werden. Doch gegenwärtig verfügt Indien nicht über eine international wettbewerbsfähige Prozessorproduktion. Ohnehin steht zu vermuten, dass Arjun Singh das ganze Theater um den Zehn-Dollar-Laptop in dieser Woche auch deshalb veranstaltet hat, weil er sich davon Unterstützung für seine Pläne einer autarken indischen Computerindustrie verspricht. Die Softwareindustrie Indien musste ja in den vergangenen Monaten Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Politikergruppe um Arjun Singh führt das auf die nicht geschlossene Wertschöpfungskette zurück. Der indische Billigcomputer soll eine Art Identität stiftendes Ziel sein, um die in Schwierigkeiten geratene indische Softwarebranche zur indischen Computerindustrie auszubauen, also um die Hardwarekomponenten zu erweitern.