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Zehn-Punkte-Plan gegen Steueroasen
"Das wird ein äußerst mühevoller Weg"

Mit dem von Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgestellten Zehn-Punkte-Plan zum Kampf gegen Steueroasen sei ein Anfang gemacht, sagte der Steuerexperte Thomas Eigenthaler im DLF. Er erwarte "einen mühevollen Umsetzungsprozess". In der Pflicht seien auch die Banken, sagte Eigenthaler. "Sie dürfen sich nicht zum Gehilfen von Steuerhinterziehern und Geldwäschern machen."

Thomas Eigenthaler im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 11.04.2016
    Die Skyline von Panama City
    Der Kampf gegen Steueroasen kann nur international gelingen, sagt Steuerexperte Thomas Eigenthaler. (Heinz Krimmer, dpa picture-alliance)
    Ann-Kathrin Büüsker: Was taugt der Zehn-Punkte-Plan von Schäuble? Darüber möchte ich nun sprechen mit Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Guten Tag, Herr Eigenthaler.
    Thomas Eigenthaler: Guten Tag, Frau Büüsker!
    Büüsker: Herr Eigenthaler, wie beurteilen Sie das, was Schäuble da jetzt vorgelegt hat?
    "Die Dinge sind im Grunde ja schon viele Jahre bekannt"
    Eigenthaler: Nun, wie so oft liegen Licht und Schatten beieinander. Man kann natürlich fragen, warum jetzt erst, warum muss man erst auf ein schockartiges Ergebnis wie Panama Papers warten. Die Dinge sind im Grunde ja schon viele Jahre bekannt. Aber trotzdem: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin froh, dass sich der erfahrene Bundesfinanzminister jetzt auf den Weg macht. Er hat ja selbst einen Häutungsprozess hinter sich. Noch 2012 wollte er ein anonymes Abkommen mit der Schweiz schließen. Das hätte weiter Intransparenz verursacht. Jetzt ist Schäuble Gott sei Dank auf der anderen Linie für mehr Transparenz, für mehr Steueraufsicht.
    Büüsker: Es soll dieses besagte Transparenzregister geben, das klar machen soll, wer hinter einer Firma steckt. Klingt grundsätzlich vielversprechend, oder wie beurteilen Sie das?
    Eigenthaler: Dieses Transparenzregister klingt grundsätzlich gut. Es macht ja überhaupt nur Sinn, wenn es auch international vernetzt und verflochten wird. Das wird ein äußerst mühevoller Weg. Was mir deshalb fehlt in den Vorschlägen ist die Forderung der Deutschen Steuergewerkschaft, und die lautet Beweislastumkehr. Nicht der Fiskus muss hinter Registern hinterherspringen, muss etwas nachweisen, sondern jemand, der eine solche Briefkastenfirma in einer Oase unterhält, muss dem Fiskus glaubhaft nachweisen, dass das vernünftige Gründe hat. Ansonsten muss das Ding verboten werden, es muss durchgestrichen werden.
    Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft
    Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (dpa picture alliance / DStG)
    Büüsker: Das heißt, eigentlich geht dieser Plan von Schäuble gar nicht weit genug?
    "Da darf sich keiner in die Büsche schlagen"
    Eigenthaler: Nun, es ist zunächst mal ein Anfang. Ich erwarte einen mühevollen Umsetzungsprozess. Dort müssen ja alle Staaten an einem Strang ziehen. Es genügt also nicht, nur ein Papier auf den Tisch zu legen. Deutschland muss jetzt auch mit seiner wirtschaftlichen Potenz und Arm in Arm mit Frankreich und Großbritannien sich hinter die Sache klemmen, die USA, Russland und auch China mit dafür gewinnen, dass keiner sich in die Büsche schlägt. Das ist doch der Vorteil dieser Oasen, dass immer einer aus der Phalanx der Gegner ausbricht.
    Büüsker: Und halten Sie das für realistisch, dass die Länder da tatsächlich zusammenarbeiten?
    Eigenthaler: Ein gewisser Hoffnungsschimmer ist da, weil es gelang ja auch bezüglich von Bankkonten, ab 2017 beziehungsweise 2018 einen internationalen Datenaustausch zu vereinbaren. Der ist noch nicht ins Werk gesetzt. Das funktioniert hoffentlich ab 2017. Auf dieser Grundlage muss man aufbauen. Nicht nur Bankkonten, sondern auch diese fiktiven Firmenmäntel, Firmen, die es gar nicht gibt, die es nur auf dem Papier gibt, auch die müssen mitgeteilt werden.
    Büüsker: Herr Eigenthaler, wir reden jetzt seit einer Woche über Briefkastenfirmen und ich muss ganz ehrlich sagen, mir erschließt sich immer noch nicht, welchen rechtschaffenden Grund es gibt, eigentlich eine Briefkastenfirma zu führen. Welcher fällt Ihnen ein?
    Briefkastenfirmen sind nur dazu, etwas zu verschleiern
    Eigenthaler: Ich habe in der ersten Stunde schon verlautbart, zu 99,9 Prozent dienen diese Briefkastenfirmen, insbesondere wenn sie noch in einer Oase sind, in einer Steueroase, nur dazu, etwas zu verschleiern. Das ist in vielen Fällen der Fiskus, also der Steuerstaat, dass man Steuern hinterziehen möchte, dass man Dinge dort verschleiern möchte. Man arbeitet mit Scheingeschäften, mit Scheinfirmen. Aber manchmal geht es auch darum, Geschäftspartner oder Familienangehörige hinters Licht zu führen. Auch das sind ja keine besonders ehrenwerten Argumente. Mir ist im Grunde in meiner 40jährigen Berufspraxis noch nie ein Fall untergekommen, wo es einen vernünftigen Grund gibt und wo dann der Inhaber einer solchen Firma auch wirklich steuerehrlich ist.
    Büüsker: Das heißt, eigentlich müsste man diese Art von Firmen verbieten?
    Eigenthaler: Im Grunde müsste man sie verbieten. Nur Deutschland kann natürlich nicht etwas verbieten, was zum Beispiel nach panamesischem Recht oder nach dem Recht der Virgin Islands gegründet wird. Die Rechtsmacht Deutschlands hört an seiner Grenze auf. Man muss international zusammenarbeiten, oder national sagen, was an Steuerprodukten aus diesen Ländern kommt, anerkennen wir nicht an. Ja im Gegenteil: Vielleicht muss man hier sogar mit Gewinnzuschlägen arbeiten, damit die Sache auch wehtut. Wer sich solcher Dinge bedient, darf nicht profitieren.
    Büüsker: In dem Papier von Schäuble steht drin: "Es ist nicht Aufgabe von Banken, aggressive Steuervermeidung zu begünstigen." Wie stark kann und wie stark muss man die Banken in die Pflicht nehmen in dieser Sache?
    Eine Banken "haben im Grunde eine Schleuserfunktion"
    Eigenthaler: Die Banken haben oft, natürlich nicht alle. Es gibt auch wirklich seriöse Banken, die sich daran nicht beteiligen. Aber es gibt auch welche, die haben im Grunde eine Schleuserfunktion. Sie machen im Grunde nichts anderes wie auch im Flüchtlingswesen, dass man Wege eröffnet, die normalerweise nicht legal sind. Diese Schleuserfunktion auf dem Finanzsektor darf nicht sein. Die Banken müssen hier moralische Vorgaben erfüllen. Sie dürfen sich nicht zum Gehilfen von Steuerhinterziehern und von Geldwäschern machen. Die Banken müssen ganz klar eine Weißgeld-Strategie fahren.
    Büüsker: Jetzt hat unser Korrespondent Theo Geers aus dem Hauptstadtstudio eben berichtet, dass der neue Chef des Bundesverbandes deutscher Banken gleichzeitig auch der Chef der Berenberg Bank ist. Hans-Walter Peters ist gemeint. Und die Berenberg Bank, die taucht ja auch im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen in den sogenannten Panama-Papieren auf. Das ist dann nicht unbedingt eine vertrauensbildende Maßnahme, dieser neue Chef?
    Eigenthaler: Jede Bank, die auf diesen Listen auftaucht, die zeigt kein Ruhmesblatt vor und sie wirft einen gewissen Schatten auf diese Bank, und ob jemand aus einer solchen Bank dann eine Funktionsstellung haben sollte, müssen die inneren Gremien entscheiden. Ich kann nur sagen, im Schwabenland würde man sagen, das hat ein Gschmäckle.
    Büüsker: Im Zuge der Diskussion über die Panama-Papiere wird jetzt auch sehr viel über Schwarzgeld diskutiert. Das ist seit einigen Wochen schon ein Thema. Da wird dann auch gefordert, Bargeldzahlungen zu begrenzen, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, um Schwarzgeld-Geschäfte zu vermeiden. Und dann gibt es diese Enthüllungen, die zeigen, dass solche Geschäfte mit Briefkastenfirmen eigentlich ein viel gravierenderes Problem zu sein scheinen als etwa Bargeldzahlungen in puncto Schwarzgeld. Haben wir beziehungsweise hat die Politik nicht in solchen Dingen ein Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber den Bürgern, wenn sie auf der einen Seite sagt, wir müssen Bargeldzahlungen beschränken, auf der anderen Seite aber es nicht richtig hinbekommt, Briefkastenfirmen zu stoppen?
    "Wir haben auch ein großes Geldwäsche-Problem"
    Eigenthaler: Ich habe den Eindruck, die Politik, die rennt den Dingen immer hinterher wie das Spiel mit Hase und Igel. Die Finanzwirtschaft mit dem flüchtigen Medium Geld wird immer einen Schritt voraus sein. Deutschland ist natürlich mit Blick auf Geldwäsche ein attraktiver Staat, nicht weil bei uns die Kontrollen jetzt furchtbar lasch sind. Ich würde die mal im Mittelfeld einordnen. Aber das Problem ist: Deutschland ist natürlich für Geldanlagen attraktiv. Wir sind eine wirtschaftlich potente Nation. Dort investiert man Geld gerne, und zwar sowohl die, die das offen und transparent machen. Aber wir sind auch ein Magnet für intransparente Investitionen. Da scheint mir der Hauptgrund zu sein, weshalb wir auch ein großes Geldwäsche-Problem haben. Und es ist natürlich so: Wir haben keine eigene Verwaltung, die sich ausschließlich mit Geldwäsche beschäftigt. Man müsste ja hinter jedes Bargeschäft einen Beamten stellen. Das lässt sich natürlich so auch nicht durchführen. Wir müssen natürlich appellieren an alle die, die bestimmte Bargeldbeträge annehmen, ohne dieses korrekt zu überprüfen, und es wäre notwendig, dass diese eine Mitteilung machen an die zuständigen Behörden, hier hat jemand große Mengen an Bargeld mit. Das sind Verdachtsmomente, aber viele liefern diese Informationen einfach nicht weiter.
    Büüsker: … sagt Thomas Eigenthaler. Er ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Herr Eigenthaler, ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Eigenthaler: Gerne! Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.