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Zensus in der Savanne

Biologie. - Sie gehören zu den meist bedrohten Raubtieren überhaupt: Vielleicht leben noch 3000 Afrikanische Wildhunde, vielleicht 5000 in ganz Afrika. Das früher so verbreitete kleine Raubtier ist in vielen Ländern bereits ausgestorben. Deshalb läuft im Krüger Nationalpark derzeit ein Zensus über den Bestand an Afrikanischen Wildhunde.

Von Dagmar Röhrlich |
    Es ist neun Uhr und schon heiß - jetzt ist es sinnlos, weiter nach Afrikanischen Wildhunden Ausschau zu halten. Mariana Venter von der südafrikanischen Tierschutzorganisation Endangered Wildlife Trust hat wieder einmal vergebens nach ihnen gesucht. Die Tiere, die etwas kleiner als Wölfe sind, haben sich längst irgendwo in den Schatten verkrochen:

    "Ihr Lebensstil macht es uns sehr schwer, sie zu beobachten. Sie sind früh morgens unterwegs und dann wieder am späten Nachmittag. Dazwischen verkriechen sie sich, um irgendwo anders wieder aufzutauchen. Falls man sie entdeckt, ist es eine Herausforderung, mit ihnen mitzuhalten, weil sie am liebsten querfeldein laufen. Man hat das Gefühl, als würde man sie in jeder Stunde eine Million Mal verlieren."

    Lycaon pictus ist der wissenschaftliche Namen der Afrikanischen Wildhunde - was so viel bedeutet wie bunter Wolf. Und bunt sehen die schmalen, hochgewachsenen Tiere auch aus:

    "Die Afrikanischen Wildhunde sind schwarz, weiß und braun gefleckt. Als Welpen sehen sie alle gleich dunkel aus mit wenigen hellen Punkten, aber später bekommen sie ihr persönliches Aussehen. Jeder hat seine eigenen Farben."

    Die bunten Raubtiere stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, weil ihnen Nahrung und der Lebensraum ausgehen. Wo überall Felder, Dörfer und Städte entstehen, werden die Wildhunde verdrängt, denn sie brauchen sehr große Territorien. Farmer erschießen sie, weil sie sie mit wildernden Haushunden oder Hyänen verwechseln. Außerdem verfangen sie sich oft in den Schlingen der Wilderer. Große Rudel mit mehr als 20 Tieren sind inzwischen selten:

    "Wildhunde erkranken leicht, werden von Haushunden beispielsweise mit Tollwut angesteckt, und das wird umso schlimmer, je tiefer der Mensch mit seinen Siedlungen in ihren Lebensraum eindringt. Außerdem werden sie oft von Hyänen und Löwen erwischt, denn sie sind im Vergleich zu ihnen schwach."

    Derzeit rätseln die Wissenschaftler, wie sich der Klimawandel mit seinen veränderten Regenmustern auf die afrikanischen Wildhunde auswirken wird. Forschungen im Krüger-Nationalpark haben gezeigt, dass das Wetter eine zentrale Rolle dabei spielt, ob die Welpen überleben. Sie brauchen Dürrephasen vor ihrer Geburt. Trockenheit hält Gras und Büsche niedrig, das erleichtert die Jagd. Außerdem kann sich ihr Erzfeind Löwe schlechter verstecken. Schnelle Mahlzeiten und wenig Stress - das ist gut für die Gesundheit, und das Alphaweibchen wirft widerstandsfähigere Welpen.

    "Nur das Alpha-Männchen und das Alpha-Weibchen im Rudel haben Junge. Meistens, denn Wildhunde machen oft nicht das, was man von ihnen erwartet. Genetische Untersuchungen zeigen, dass manchmal das Beta-Weibchen vom Alpharüden gedeckt wird. Einmal hat sie dann die Welpen des Alpha-Weibchens und ihre Stellung übernommen."

    Aber das ist längst nicht immer so, meist übernimmt das Alphaweibchen alle Kleinen. Dabei kann jeder Wurf mehr als 20 Junge umfassen. Nach den ersten beiden Wochen wird die Milch mehr und mehr durch Fleisch ersetzt:

    "Dann kümmern sich alle im Rudel um die Kleinen und würgen Fleisch für sie hoch. Selbst wenn die Mutter stirbt und nur Rüden übrig sind, werden sie die Welpen alleine groß ziehen."

    Bei den Wildhunden dreht sich alles um die Jungen - denn je mehr überleben, um so größer wird das Rudel und dass verbessert die Chancen aller: Die Team-Jäger sind umso erfolgreicher, je mehr da sind, um die Beute zu hetzen. Deshalb achten sie aufeinander:

    "Vor einem Monat hat der Tierarzt des Krüger-Nationalparks eine verletzte Hündin eingeschläfert, die etwa drei Wochen lang herumgekrochen sein muss. Ihr Rudel hat sie während der ganzen Zeit mit hochgewürgtem Fleisch gefüttert, ihr Bauch war voll. Afrikanische Wildhunde kümmern sich sehr umeinander."

    Ob starke Familienbande allein im 21. Jahrhundert ausreichen werden, um das Überleben der Wildhunde zu sichern, ist unklar. Um sie wirkungsvoll zu schützen fehlt auch Wissen. Deshalb wird Mariana Venter morgen früh wieder um drei Uhr aufstehen, um nach ihren Lieblingen Ausschau zu halten.