Der Arbeitsamtsbezirk Hof hat die höchste Arbeitslosigkeit in Bayern. Nur wenige Kilometer von Hof entfernt und dicht an der Grenze zu Tschechien liegt das Städtchen Arzberg. Vor wenigen Jahrzehnten war es noch ein Zentrum der Porzellanindustrie. Der.Markenname Arzberg machte es weit über Oberfranken hinaus bekannt. Das ist nun endgültig vorbei. Walter Prell arbeitete seit 1968 bei der Firma Arzberg.
Damals waren noch ungefähr 1200 Personen in der Firma, Standort Arzberg. Und dann hat´s sich halt durch die Technisierung und das Ganze – hat sich das dann immer wieder weiter abgebaut,. Zuletzt waren wir noch 114 Personen und im Januar sind wir dann in die Insolvenz gegangen. Und seit dieser Zeit ist niemand mehr hier.
Fabriksäle und Büros leergeräumt, die Fenster des ehemaligen Gasthofes direkt am Werkstor blind – ein Bild, das Walter Prell, den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden schmerzt. In Arzberg gab es allein drei Porzellanfabriken, von denen heute keine mehr existiert.
Arzberg war eine blühende Stadt, aber die Firmen sind immer weniger geworden. Es gab früher eine Brauerei, es gab eine Schuhfabrik, es gab eine Hemdenfabrik, es gab eine Nadelfabrik. Diese Firmen sind alle nicht mehr da.
Dabei hatten sich viele Gemeinden im bayerischen Oberfranken eine ganz gute Zukunft ausgemalt, als 1989 die innerdeutsche Mauer fiel. Nach bitteren Jahrzehnten in wirtschaftlich ungünstiger Randlage an der Grenze zur DDR war die Region ins Zentrum gerückt: in die Mitte Deutschlands und der Europäischen Union gerückt, die sich wirtschaftlich nach Osten erweitern soll. Auch Winfried Geppert, Bürgermeister der Stadt Arzberg und CSU-Kommunalpolitiker, träumte vom Aufschwung.
Diese Region hier an der ehemaligen DDR-Grenze und an der tschechischen Grenze war das höchst industrielaisierte Gebiet von ganz Bayern. Hier war Porzellanindustrie, hier war Textilindustrie und hier war steinverarbeitende Industrie. Wir in Arzberg hatten etwa 80 Prozent unserer Arbeitsplätze in der Porzellanindustrie. Wir waren natürlich auch durch die Zonenrandlage gewissermaßen geschützt vor Billigimporten aus dem Osten; und durch die Grenzöffnung kam dann eine gewisse Euphorie auf. Man dachte: jetzt sind wir wieder Mittelpunkt Europas, haben aber nicht bedacht, dass die Märkte im Osten weggebrochen sind und billig importiert wird. Und wenn man daran denkt, dass zum Beispiel Eger, das ungefähr 15 km von Arzberg weg ist, ein Zehntel der Lohnkosten hat wie in Arzberg, dann ist s klar, dass wir hier voll getroffen worden sind durch diese Änderungen.
Oberfranken war über mehrere Jahrzehnte von einem Teil des Wirtschaftsgebietes abgeschnitten, zu dem die Gegend bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gehört hatte. Die Textilindustrie der Gegend zum Beispiel orientierte sich stark am sächsischen Plauen mit seinen Fabriken, in denen die weltberühmten Plauener Spitzen entstanden.
Für Gemeinden wie Arzberg waren Städte wie Eger das nächstgelegene Zentrum, wo es zahlreiche Ärzte und gute Einkaufsmöglichkeiten gab. Nach dem Krieg rissen die Beziehungen ins tschechische Egerland und in die nahe DDR ab. Durch die deutsche Teilung geriet Oberfranken ins wirtschaftliche Abseits, fernab umsatzträchtiger Ballungsgebiete und Industriertreviere.
Schon seit langem möchten potente Industrien ihre Zulieferer näher haben, um von ihnen auf kurzen Wegen ersorgt zu werden. Das erwarten auch namhafte Unternehmen der Kosmetikindustrie. Sie füllen Shampoos und Cremes in Plastikflaschen, wie sie die Firma Sauer fertigt. Das Unternehmen wurde 1938 im oberfränkischen Neustadt bei Coburg gegründet. Um den Anforderungen der Kundschaft zu genügen, hat Sauer ein französisches Zweigwerk. Der Stammsitz soll jedoch in Neustadt bleiben.
Bislang kam das mittelständische Vorzeigeunternehmen recht gut mit der Lage direkt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zurecht, sagt Juniorchef Alexander Umlauf-Sauer. Mittlerweile hat seine Firma allerdings für eine Filiale in Thüringen aufgebaut. .
War volles Zonenrandgebiet, ja. Und wurde halt bis zur Grenzöffnung auch mit Zonenrandförderung bedacht, die uns ja denn letztendlich schon zugute gekommen ist bei Investitionen; und die sind halt dann letztendlich von heute auf morgen weggefallen. Und im Gegenzug sind natürlich drüben in Thüringen, fünf Kilometer weg von hier, Förderhilfen von 50 Prozent ausgezahlt worden gleich nach Grenzöffnung. Und man hat sich dann natürlich schon mit Gedanken getragen: was macht man, wie attraktiv ist die Region hier noch und so weiter und so fort. Aber wir haben dem Standort Neustadt die Stange gehalten. Nur jetzt sind wir halt an unsere räumlichen Grenzen gestoßen. Wir haben hier kein Grundstück mehr und mussten uns somit nach anderen Möglichkeiten umgucken. Die Stadt Neustadt hat uns letztendlich ziehen lassen und die Regierung von Thüringen oder einige Stadtoberhäupter der angrenzenden Gemeinden waren sehr rührig und haben sich dann unserer Sache gleich angenommen.
Für die Entscheidung, ein neues Zweigwerk nicht in Oberfranken sondern in Thüringen zu errichten, spielen oft nüchterne finanzielle Überlegungen eine Rolle. Denn im bayerischen Grenzland zu Thüringen können Betriebe staatliche Fördermittel nicht einmal für ein Drittel der Investitionen einplanen, in Thüringen bekommen dagegen Fördermittel bis zur Hälfte der Investitionssumme subventioniert. Aber daran allein liegt es nicht, denn manchmal sind es auch lokalpolitische Umstände, dass Firmen eine Region verlassen.
Immerhin ist der gut situierte Familienbetrieb Sauer in der Region geblieben. Er hat Neustadt bei Coburg nicht verlassen wie vor einigen Jahren der Siemens-Konzern mit seinem Kabelwerk. Ein weitere Ursache, warum Betriebe aus Oberfranken wegziehen sind Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Es fehlt an Fachkräften. Oberfranken verfügt im Vergleich zu anderen Gebieten über weniger Akademiker. Ingenieure, Betriebswirtschaftler, Forscher sind unterdurchschnittlich vertreten.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass speziell Schulabgänger oder Akademiker eher die großen Firmen als Sprungbrett für ihre Karriere suchen und nicht den Mittelstand. Deswegen war es immer für uns schwierig, an Fachhochschul- oder Universitätsabsolventen heranzukommen, die auch Interesse gezeigt haben, bei uns zu arbeiten. Da gehen natürlich Firmen wie Daimler-Chrysler, BMW, Siemens, solche Großunternehmen, die haben natürlich Vorrang. Die picken sich auch die Schulabgänger schon heraus; und dann bleibt halt nichts mehr übrig, weil halt dann die Region für junge Leute nicht so attraktiv auch ist als ne Großstadt.
Trotz aller Probleme: die wirtschaftliche Lage im bayerischen Neustadt bei Coburg ist noch günstiger als in der thüringischen Nachbarstadt Sonneberg, und dies obwohl sich in Sonneberg einige neue Industriebetriebe angesiedelt haben. Zu ihnen zählt ein Zweigbetrieb der württembergischen Firma Märklin, die Modelleisenbahnen herstellt.
Bei Märklin in Sonneberg fand auch Heike Herrmann einen Vollzeitjob. Das sei für sie wie ein Sechser im Lotto gewesen:
Wir gelernten DDR-Frauen, sach ich mal, wir sind ja die Berufstätigkeit eigentlich gewöhnt. Und es ist die Voll-Berufstätigkeit auch und diese Teilzeitbeschäftigung oder diese Halbtagsjobs, das ist eigentlich nichts für uns. Wir wollen voll arbeiten und Geld verdienen. Und die Situation ist eben momentan, ja, zum jetzigen Zeitpunkt nich sehr gut.
Wenn eine Region in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, spüren Frauen dies besonders. Sie haben dann meist nur geringe Chancen, einen neuen Job zu finden. Das ist in Thüringen nicht anders als im bayrischen Oberfranken, sagt Walter Prell, der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der Porzellanfabrik Arzberg.
Mit gemischten Gefühlen betritt Walter Prell den einstigen Musterraum. Wo sich einmal die ganze Pracht der Teller, Tassen und Vasen präsentierte, hat das zuständige Berufsfortbildungszentrum BFZ einige Personalcomputer installiert. An ihnen sollen Frauen, die durch die Schließung der Porzellanfabrik arbeitslos qeworden sind, für einen Start in einen neuen Beruf üben.
Die Frauen haben ihre Beschäftigung gefunden in der Druckerei, in der Sortiererei, in der Gießerei, auf em Weißlager waren viele Frauen – also es war ein großer Anteil an Frauen da. Die ham heut kaum a Chancen. Ein Teil der bei uns jetzt in Konkurs gegangen ist, ist jetzt in ner Auffanggesellschaft. Die sind jetzt beim BFZ in Marktredwitz zur Weiterqualifizierung. Was dann da raus kommt, weiß man im Moment auch nicht. Qualifizierung is sehr gut, aber man braucht halt hinter auch einen Arbeitsplatz.
Der Mangel an Arbeitplätzen wird in seiner Wirkung noch verschärft druch den sogenannten "Einpendlerdruck", von dem in einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 die Rede ist. Auf den ohnehin angespannten Arbeitsmarkt in Oberfranken drängen viele Arbeitskräfte aus dem nahen Tschechien. Den Druck erhöhen zudem fast 12.000 Beschäftigten, die täglich aus dem Thüringer Arbeitsamtsbezirk Suhl ins Coburger Land pendeln.
Dadurch wird es für einheimische Arbeitssuchende schwieriger, eine Stelle zu finden. Deshalb geschieht inzwischen auch in Oberfranken, was in den neuen Ländern schon seit Jahren Alltag ist: Familien verlassen die Region, weil sie keine beruflichen Perspektiven mehr sehen. In der Kleinstadt Selb, die früher als Porzellanstadt noch vor Arzberg rangierte, sank die Zahl der Einwohner allein im letzten Jahr um 368.
Noch deutlicher ist der Bevölkerungsrückgang auf der thüringischen Seite. 1992 hatte die Stadt Saalfeld noch über 33 tausend Einwohner, heute sind es über zehn Prozent weniger. Läden machen dicht, mehrere Schulen mussten bereits geschlossen werden. Der Bevölkerungsschund bleibt nicht ohne Folgen auf die finanziellen Zuweisungen, die Saalfeld vom Land Thüringen bekommt, wie Stadtrat Herbert Henniger berichtet:
Unsere Haushalte in den Städten und Kommunen und auch im Landkreis sind abhängig von den Schlüsselzuweisungen des Landes Thüringen. Die Schlüsselanweisungen gehen also zurück, weil die pro Kopf geschaltet sind. Die Haushalte gehen insgesamt zurück. Durch früheren Dinge des Rückgangs in der Industrie fehlt Gewerbesteuer. Das führt natürlich ganz markant zu fehlenden Summen bei Investitionen.
Bleiben Investitionen aus, fallen Problem-Regionen wirtschaftlich immer weiter zurück. Staatliche Fördermittel ändern daran wenig, zumal künftig eher weniger Geld zu verteilen ist und der Wettbewerb um finanzielle Förderungen zunimmt. Den Rahmen setzt die Europäische Union durch ihre Regionalpolitik, der sich auch nationale Förderprogramme anpassen müssen. Die EU hat erst vor wenigen Jahren die Förderpolitik europaweit neu geordnet. Dabei dürfen die Fördergebete in Deutschland nur noch 17,6 Prozent der Gesamt-Bevölkerung umfassen. Bis 2000 waren es noch 23,4 Prozent.
Es geht um Milliarden-Subventionen, die zum Beispiel in die Erschließung von Industrie- und Gewerbegebieten fließen oder in die Errichtung eines Naturschutzzentrums, das den Tourismus in einer Region ankurbeln soll. Auch die Neuansiedlung und Erweiterung von Betrieben und damit die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen darf mit mitteln aus den sogenannten regionalen Strukturfonds unterstützt werden.
Die westdeutschen Gebiete entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze erhalten heute deutlich weniger staatliche Unterstützung als vor der Wende, als es noch die Zonenrandförderung gab. Der größte Teil der neuen Bundesländer einschließlich des einstigen Grenzgebiets dagegen gilt als Höchstfördergebiet. Dennoch fühlen sich Kommunalpolitiker wie Herbert Henniger aus Saalfeld bei der Vergabe von Fördermitteln gegenüber Ballungsgebieten benachteiligt.
Fördermittel sind auch in Thüringen in die Großstädte geflossen – sach ich mal - wie Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar, Gera, Nordhausen. Und hier das südliche Thüringen - ich nehme auch Meiningen mit dazu und Saalfeld, Pößneck, Rudolstadt - die waren eben außen vor und wir sind vielleicht damals nicht bei den Fördermitteln so bedacht worden, wie´s notwendig war. Und vielleicht sind die Probleme damals auch nicht so erkannt worden, wie´s eigentlich auf der Tagesordnung gewesen wäre.
Ob und in welchem Umfang die sogenannte regionale Strukturpolitik wirklich sinnvoll ist oder nicht, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Selbst Hans Trunzer von der oberfränkischen Industrie- und Handelskammer in Bayreuth bleibt skeptisch.
Mit der deutschen Einheit ist zunächst einmal die Zonenrandförderung ausgelaufen. Der Wert der Zonenrandförderung bestand darin, dass sie dazu beigetragen hat, dass die "passive Sanierung" dieser abgelegenen Region abgebremst und gemildert wurde. Sie war nicht in der Lage, hier Entwicklungen ingang zu setzen, die vergleichbar sind mit denen im Großraum München.
Oberfranken ist ein Exempel. Auf den ersten Blick scheint es, als sei letztendlich die über Jahrzehnte der deutschen Teilung zementierte Randlage der Region daran Schuld, dass Oberfranken so weit hinter Oberbayern zurückfiel. Die Gründe für diese Entwicklung sind jedoch vielschichtiger. Manche hängen mit der bayerischen Geschichte zusammen. Seit jeher ist das Land ganz auf München und Oberbayern ausgerichtet.
Eine aufschlussreiche Episode gab es in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei spielt der streng katholische bayerische Kultusminister Alois Hundhammer eine Rolle. Er war der Sohn eines oberbayerischen Kleinbauernfamilie und setzte gegen den Willen mancher Parteifreunde aus der CSU die christliche Bekenntnisschule durch. Zwangsweise wurden evangelische und katholische Schulen in Bayern eingeführt.
Das katholische, adrett bäuerlich gekleidete Oberbayern gilt seitdem als Inbegriff von Bayern, während sich das stark evangelisch geprägte Oberfranken als Bayern zweiter Klasse vorkommt musste. Zumal gerade die Hofer Gegend lange Zeit eine der wenigen Hochburgen der sozialdemokratisch orientierter Arbeitnehmerschaft war.
Nach wie vor ist in Oberfranken das Gefühl weit verbreitet, von der Landesregierung in München vernachlässigt zu werden. So kursiert m Nordosten Bayerns der Vorwurf, die bayerische Regierung habe zu wenig Druck auf BMWE gemacht. Der Autokonzern entschied sich nämlich, i Leipzig und nicht in Hof ein neues Werk zu bauen. Der CSU-Mann und Arzberger Bürgermeister Winfried Geppert ist ebenso enttäuscht wie viele seiner Mitbürger, zumal in der Stadt ohnehin das Kohlekraftwerk des EON-Konzerns stillgelegt wird, obwohl es als eines der modernsten überhaupt gilt. BMW war daher einer der wenigen Hoffnungsträger.
Des wäre mit Sicherheit der Durchbruch in unserer Region gewesen. Man muß natürlich auch sagen, dass wir eine freie Marktwirtschaft haben, dass Betriebe nach ihren Gesichtspunkten entscheiden. Und wir sehen hier, gerade in Arzberg, dass man schon alles unternimmt, um hier neue Betriebe anzusiedeln. Wenn ich dran denke; wir haben ein großes, voll erschlossenes Gewerbegebiet, wir kriegen in Arzberg höchste Förderung, wir kriegen dadurch, dass sie jetzt uns auch noch das Kraftwerk Arzberg schließen, auch noch weitere Möglichkeiten der Förderung vom EON-Konzern. Der EON-Konzern hat sich verpflichtet, Ersatzarbeitsplätze in Arzberg zu schaffen. Und im Moment bemüht sich jeder, aber es tauchen die entsprechenden Schwierigkeiten auf.
Vom fernen München aus verspricht die bayerische Staatsregierung, als Trostpflaster einen "Automobilzulieferpark" in die Gegend zu bringen, Dafür hat sich vor allem der ehemalige Entwicklungshilfeminister Jürgen Warnke, der im oberfränkischen Selb lebt, stark gemacht. Welche Firmen in die ferne Provinz kommen sollen, kann aber auch der CSU-Politiker nicht sagen. Statt dessen haben er und einige Mitstreiter den Begriff "Hochfranken" erfunden und eine Marketingaktion angestoßen. Sie solle die Gegend um Hof in New York, Tokio und auf anderen wichtigen Plätzen der Welt bekannt machen.
Dass dies zu wenig ist, weiß auch Jürgen Warnke. Er fordert daher weitere staatliche Hilfen. Er sieht jedoch auch die Gefahr, dass ein warmer Geldsegen einschläfern kann. In den Fünfziger Jahren hatte Arzberg mehrfach die Chance, neue Industrien anzusiedeln und so die starke Abhängigkeit von der Porzellan-Branche zu überwinden. Doch der damalige Bürgermeister, gleichzeitig einer der größten Porzellanfabrikanten in Arzberg, blockte Investoren ab. Ähnlich lief es in Hof, wo sich nach dem Krieg Siemens niederlassen wollte, wie Jürgen Warnke berichtet:
Damals gab´s hier Vollbeschäftigung und die heimische Industrie hat klar zu erkennen gegeben: euch brauchen wir nicht und euch wollen wir nicht. Siemens hat dann gesagt: dann werden wir irgendwo anders unseren Platz suchen. Und Erlangen hat bis heute den großen Vorteil davon. Solche Bestrebungen hat es bis in die Achtziger Jahre immer wieder gegeben, dass in der Konkurrenz am Arbeitsmarkt man gesagt hat: ja wir haben hier relativ niedrige Tarifkosten und werden uns nicht die Laus der Arbeitsmarkt-Konkurrenz in den Pelz setzen.
Handlungsbedarf besteht wie eh und je, zumal die weitere Konzentration staatlicher Wirtschafts-Förderung auf weniger Gebiete eines Landes unausweichlich ist. Die beschlossene EU-Erweiterung bringt es mit sich, dass sich mehr Staaten die begrenzten EU-Fördermittel teilen müssen. Auch die nationalen Haushalte bieten kaum Spielraum für finanzielle Wohltaten. Den an Deutschland grenzenden Landstrichen Tschechiens und Polens ist die höchste Förderstufe versprochen. Die Grenzregionen auf deutscher Seite müssen sich mit geringeren Zuweisungen bescheiden.
Die Zeiten sind endgültig vorbei, da nach dem Gießkannenprinzip alle irgendwie mit wirtschaftlichen Problemen behafteten Regionen mit staatlichen Zuwendungen rechnen konnten. Und das wird auch das vermeintliche Wirtschafts-Wunderland Bayern spüren. Die ungleiche Entwicklung der städtischen Ballungsräume und der ländlichen Gebieten, die zunehmend auseinanderklaffende Schere zwischen armen und reichen Regionen wird dem Freistaat noch lange zu schaffen machen.
Damals waren noch ungefähr 1200 Personen in der Firma, Standort Arzberg. Und dann hat´s sich halt durch die Technisierung und das Ganze – hat sich das dann immer wieder weiter abgebaut,. Zuletzt waren wir noch 114 Personen und im Januar sind wir dann in die Insolvenz gegangen. Und seit dieser Zeit ist niemand mehr hier.
Fabriksäle und Büros leergeräumt, die Fenster des ehemaligen Gasthofes direkt am Werkstor blind – ein Bild, das Walter Prell, den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden schmerzt. In Arzberg gab es allein drei Porzellanfabriken, von denen heute keine mehr existiert.
Arzberg war eine blühende Stadt, aber die Firmen sind immer weniger geworden. Es gab früher eine Brauerei, es gab eine Schuhfabrik, es gab eine Hemdenfabrik, es gab eine Nadelfabrik. Diese Firmen sind alle nicht mehr da.
Dabei hatten sich viele Gemeinden im bayerischen Oberfranken eine ganz gute Zukunft ausgemalt, als 1989 die innerdeutsche Mauer fiel. Nach bitteren Jahrzehnten in wirtschaftlich ungünstiger Randlage an der Grenze zur DDR war die Region ins Zentrum gerückt: in die Mitte Deutschlands und der Europäischen Union gerückt, die sich wirtschaftlich nach Osten erweitern soll. Auch Winfried Geppert, Bürgermeister der Stadt Arzberg und CSU-Kommunalpolitiker, träumte vom Aufschwung.
Diese Region hier an der ehemaligen DDR-Grenze und an der tschechischen Grenze war das höchst industrielaisierte Gebiet von ganz Bayern. Hier war Porzellanindustrie, hier war Textilindustrie und hier war steinverarbeitende Industrie. Wir in Arzberg hatten etwa 80 Prozent unserer Arbeitsplätze in der Porzellanindustrie. Wir waren natürlich auch durch die Zonenrandlage gewissermaßen geschützt vor Billigimporten aus dem Osten; und durch die Grenzöffnung kam dann eine gewisse Euphorie auf. Man dachte: jetzt sind wir wieder Mittelpunkt Europas, haben aber nicht bedacht, dass die Märkte im Osten weggebrochen sind und billig importiert wird. Und wenn man daran denkt, dass zum Beispiel Eger, das ungefähr 15 km von Arzberg weg ist, ein Zehntel der Lohnkosten hat wie in Arzberg, dann ist s klar, dass wir hier voll getroffen worden sind durch diese Änderungen.
Oberfranken war über mehrere Jahrzehnte von einem Teil des Wirtschaftsgebietes abgeschnitten, zu dem die Gegend bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gehört hatte. Die Textilindustrie der Gegend zum Beispiel orientierte sich stark am sächsischen Plauen mit seinen Fabriken, in denen die weltberühmten Plauener Spitzen entstanden.
Für Gemeinden wie Arzberg waren Städte wie Eger das nächstgelegene Zentrum, wo es zahlreiche Ärzte und gute Einkaufsmöglichkeiten gab. Nach dem Krieg rissen die Beziehungen ins tschechische Egerland und in die nahe DDR ab. Durch die deutsche Teilung geriet Oberfranken ins wirtschaftliche Abseits, fernab umsatzträchtiger Ballungsgebiete und Industriertreviere.
Schon seit langem möchten potente Industrien ihre Zulieferer näher haben, um von ihnen auf kurzen Wegen ersorgt zu werden. Das erwarten auch namhafte Unternehmen der Kosmetikindustrie. Sie füllen Shampoos und Cremes in Plastikflaschen, wie sie die Firma Sauer fertigt. Das Unternehmen wurde 1938 im oberfränkischen Neustadt bei Coburg gegründet. Um den Anforderungen der Kundschaft zu genügen, hat Sauer ein französisches Zweigwerk. Der Stammsitz soll jedoch in Neustadt bleiben.
Bislang kam das mittelständische Vorzeigeunternehmen recht gut mit der Lage direkt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zurecht, sagt Juniorchef Alexander Umlauf-Sauer. Mittlerweile hat seine Firma allerdings für eine Filiale in Thüringen aufgebaut. .
War volles Zonenrandgebiet, ja. Und wurde halt bis zur Grenzöffnung auch mit Zonenrandförderung bedacht, die uns ja denn letztendlich schon zugute gekommen ist bei Investitionen; und die sind halt dann letztendlich von heute auf morgen weggefallen. Und im Gegenzug sind natürlich drüben in Thüringen, fünf Kilometer weg von hier, Förderhilfen von 50 Prozent ausgezahlt worden gleich nach Grenzöffnung. Und man hat sich dann natürlich schon mit Gedanken getragen: was macht man, wie attraktiv ist die Region hier noch und so weiter und so fort. Aber wir haben dem Standort Neustadt die Stange gehalten. Nur jetzt sind wir halt an unsere räumlichen Grenzen gestoßen. Wir haben hier kein Grundstück mehr und mussten uns somit nach anderen Möglichkeiten umgucken. Die Stadt Neustadt hat uns letztendlich ziehen lassen und die Regierung von Thüringen oder einige Stadtoberhäupter der angrenzenden Gemeinden waren sehr rührig und haben sich dann unserer Sache gleich angenommen.
Für die Entscheidung, ein neues Zweigwerk nicht in Oberfranken sondern in Thüringen zu errichten, spielen oft nüchterne finanzielle Überlegungen eine Rolle. Denn im bayerischen Grenzland zu Thüringen können Betriebe staatliche Fördermittel nicht einmal für ein Drittel der Investitionen einplanen, in Thüringen bekommen dagegen Fördermittel bis zur Hälfte der Investitionssumme subventioniert. Aber daran allein liegt es nicht, denn manchmal sind es auch lokalpolitische Umstände, dass Firmen eine Region verlassen.
Immerhin ist der gut situierte Familienbetrieb Sauer in der Region geblieben. Er hat Neustadt bei Coburg nicht verlassen wie vor einigen Jahren der Siemens-Konzern mit seinem Kabelwerk. Ein weitere Ursache, warum Betriebe aus Oberfranken wegziehen sind Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Es fehlt an Fachkräften. Oberfranken verfügt im Vergleich zu anderen Gebieten über weniger Akademiker. Ingenieure, Betriebswirtschaftler, Forscher sind unterdurchschnittlich vertreten.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass speziell Schulabgänger oder Akademiker eher die großen Firmen als Sprungbrett für ihre Karriere suchen und nicht den Mittelstand. Deswegen war es immer für uns schwierig, an Fachhochschul- oder Universitätsabsolventen heranzukommen, die auch Interesse gezeigt haben, bei uns zu arbeiten. Da gehen natürlich Firmen wie Daimler-Chrysler, BMW, Siemens, solche Großunternehmen, die haben natürlich Vorrang. Die picken sich auch die Schulabgänger schon heraus; und dann bleibt halt nichts mehr übrig, weil halt dann die Region für junge Leute nicht so attraktiv auch ist als ne Großstadt.
Trotz aller Probleme: die wirtschaftliche Lage im bayerischen Neustadt bei Coburg ist noch günstiger als in der thüringischen Nachbarstadt Sonneberg, und dies obwohl sich in Sonneberg einige neue Industriebetriebe angesiedelt haben. Zu ihnen zählt ein Zweigbetrieb der württembergischen Firma Märklin, die Modelleisenbahnen herstellt.
Bei Märklin in Sonneberg fand auch Heike Herrmann einen Vollzeitjob. Das sei für sie wie ein Sechser im Lotto gewesen:
Wir gelernten DDR-Frauen, sach ich mal, wir sind ja die Berufstätigkeit eigentlich gewöhnt. Und es ist die Voll-Berufstätigkeit auch und diese Teilzeitbeschäftigung oder diese Halbtagsjobs, das ist eigentlich nichts für uns. Wir wollen voll arbeiten und Geld verdienen. Und die Situation ist eben momentan, ja, zum jetzigen Zeitpunkt nich sehr gut.
Wenn eine Region in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, spüren Frauen dies besonders. Sie haben dann meist nur geringe Chancen, einen neuen Job zu finden. Das ist in Thüringen nicht anders als im bayrischen Oberfranken, sagt Walter Prell, der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der Porzellanfabrik Arzberg.
Mit gemischten Gefühlen betritt Walter Prell den einstigen Musterraum. Wo sich einmal die ganze Pracht der Teller, Tassen und Vasen präsentierte, hat das zuständige Berufsfortbildungszentrum BFZ einige Personalcomputer installiert. An ihnen sollen Frauen, die durch die Schließung der Porzellanfabrik arbeitslos qeworden sind, für einen Start in einen neuen Beruf üben.
Die Frauen haben ihre Beschäftigung gefunden in der Druckerei, in der Sortiererei, in der Gießerei, auf em Weißlager waren viele Frauen – also es war ein großer Anteil an Frauen da. Die ham heut kaum a Chancen. Ein Teil der bei uns jetzt in Konkurs gegangen ist, ist jetzt in ner Auffanggesellschaft. Die sind jetzt beim BFZ in Marktredwitz zur Weiterqualifizierung. Was dann da raus kommt, weiß man im Moment auch nicht. Qualifizierung is sehr gut, aber man braucht halt hinter auch einen Arbeitsplatz.
Der Mangel an Arbeitplätzen wird in seiner Wirkung noch verschärft druch den sogenannten "Einpendlerdruck", von dem in einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 die Rede ist. Auf den ohnehin angespannten Arbeitsmarkt in Oberfranken drängen viele Arbeitskräfte aus dem nahen Tschechien. Den Druck erhöhen zudem fast 12.000 Beschäftigten, die täglich aus dem Thüringer Arbeitsamtsbezirk Suhl ins Coburger Land pendeln.
Dadurch wird es für einheimische Arbeitssuchende schwieriger, eine Stelle zu finden. Deshalb geschieht inzwischen auch in Oberfranken, was in den neuen Ländern schon seit Jahren Alltag ist: Familien verlassen die Region, weil sie keine beruflichen Perspektiven mehr sehen. In der Kleinstadt Selb, die früher als Porzellanstadt noch vor Arzberg rangierte, sank die Zahl der Einwohner allein im letzten Jahr um 368.
Noch deutlicher ist der Bevölkerungsrückgang auf der thüringischen Seite. 1992 hatte die Stadt Saalfeld noch über 33 tausend Einwohner, heute sind es über zehn Prozent weniger. Läden machen dicht, mehrere Schulen mussten bereits geschlossen werden. Der Bevölkerungsschund bleibt nicht ohne Folgen auf die finanziellen Zuweisungen, die Saalfeld vom Land Thüringen bekommt, wie Stadtrat Herbert Henniger berichtet:
Unsere Haushalte in den Städten und Kommunen und auch im Landkreis sind abhängig von den Schlüsselzuweisungen des Landes Thüringen. Die Schlüsselanweisungen gehen also zurück, weil die pro Kopf geschaltet sind. Die Haushalte gehen insgesamt zurück. Durch früheren Dinge des Rückgangs in der Industrie fehlt Gewerbesteuer. Das führt natürlich ganz markant zu fehlenden Summen bei Investitionen.
Bleiben Investitionen aus, fallen Problem-Regionen wirtschaftlich immer weiter zurück. Staatliche Fördermittel ändern daran wenig, zumal künftig eher weniger Geld zu verteilen ist und der Wettbewerb um finanzielle Förderungen zunimmt. Den Rahmen setzt die Europäische Union durch ihre Regionalpolitik, der sich auch nationale Förderprogramme anpassen müssen. Die EU hat erst vor wenigen Jahren die Förderpolitik europaweit neu geordnet. Dabei dürfen die Fördergebete in Deutschland nur noch 17,6 Prozent der Gesamt-Bevölkerung umfassen. Bis 2000 waren es noch 23,4 Prozent.
Es geht um Milliarden-Subventionen, die zum Beispiel in die Erschließung von Industrie- und Gewerbegebieten fließen oder in die Errichtung eines Naturschutzzentrums, das den Tourismus in einer Region ankurbeln soll. Auch die Neuansiedlung und Erweiterung von Betrieben und damit die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen darf mit mitteln aus den sogenannten regionalen Strukturfonds unterstützt werden.
Die westdeutschen Gebiete entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze erhalten heute deutlich weniger staatliche Unterstützung als vor der Wende, als es noch die Zonenrandförderung gab. Der größte Teil der neuen Bundesländer einschließlich des einstigen Grenzgebiets dagegen gilt als Höchstfördergebiet. Dennoch fühlen sich Kommunalpolitiker wie Herbert Henniger aus Saalfeld bei der Vergabe von Fördermitteln gegenüber Ballungsgebieten benachteiligt.
Fördermittel sind auch in Thüringen in die Großstädte geflossen – sach ich mal - wie Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar, Gera, Nordhausen. Und hier das südliche Thüringen - ich nehme auch Meiningen mit dazu und Saalfeld, Pößneck, Rudolstadt - die waren eben außen vor und wir sind vielleicht damals nicht bei den Fördermitteln so bedacht worden, wie´s notwendig war. Und vielleicht sind die Probleme damals auch nicht so erkannt worden, wie´s eigentlich auf der Tagesordnung gewesen wäre.
Ob und in welchem Umfang die sogenannte regionale Strukturpolitik wirklich sinnvoll ist oder nicht, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Selbst Hans Trunzer von der oberfränkischen Industrie- und Handelskammer in Bayreuth bleibt skeptisch.
Mit der deutschen Einheit ist zunächst einmal die Zonenrandförderung ausgelaufen. Der Wert der Zonenrandförderung bestand darin, dass sie dazu beigetragen hat, dass die "passive Sanierung" dieser abgelegenen Region abgebremst und gemildert wurde. Sie war nicht in der Lage, hier Entwicklungen ingang zu setzen, die vergleichbar sind mit denen im Großraum München.
Oberfranken ist ein Exempel. Auf den ersten Blick scheint es, als sei letztendlich die über Jahrzehnte der deutschen Teilung zementierte Randlage der Region daran Schuld, dass Oberfranken so weit hinter Oberbayern zurückfiel. Die Gründe für diese Entwicklung sind jedoch vielschichtiger. Manche hängen mit der bayerischen Geschichte zusammen. Seit jeher ist das Land ganz auf München und Oberbayern ausgerichtet.
Eine aufschlussreiche Episode gab es in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei spielt der streng katholische bayerische Kultusminister Alois Hundhammer eine Rolle. Er war der Sohn eines oberbayerischen Kleinbauernfamilie und setzte gegen den Willen mancher Parteifreunde aus der CSU die christliche Bekenntnisschule durch. Zwangsweise wurden evangelische und katholische Schulen in Bayern eingeführt.
Das katholische, adrett bäuerlich gekleidete Oberbayern gilt seitdem als Inbegriff von Bayern, während sich das stark evangelisch geprägte Oberfranken als Bayern zweiter Klasse vorkommt musste. Zumal gerade die Hofer Gegend lange Zeit eine der wenigen Hochburgen der sozialdemokratisch orientierter Arbeitnehmerschaft war.
Nach wie vor ist in Oberfranken das Gefühl weit verbreitet, von der Landesregierung in München vernachlässigt zu werden. So kursiert m Nordosten Bayerns der Vorwurf, die bayerische Regierung habe zu wenig Druck auf BMWE gemacht. Der Autokonzern entschied sich nämlich, i Leipzig und nicht in Hof ein neues Werk zu bauen. Der CSU-Mann und Arzberger Bürgermeister Winfried Geppert ist ebenso enttäuscht wie viele seiner Mitbürger, zumal in der Stadt ohnehin das Kohlekraftwerk des EON-Konzerns stillgelegt wird, obwohl es als eines der modernsten überhaupt gilt. BMW war daher einer der wenigen Hoffnungsträger.
Des wäre mit Sicherheit der Durchbruch in unserer Region gewesen. Man muß natürlich auch sagen, dass wir eine freie Marktwirtschaft haben, dass Betriebe nach ihren Gesichtspunkten entscheiden. Und wir sehen hier, gerade in Arzberg, dass man schon alles unternimmt, um hier neue Betriebe anzusiedeln. Wenn ich dran denke; wir haben ein großes, voll erschlossenes Gewerbegebiet, wir kriegen in Arzberg höchste Förderung, wir kriegen dadurch, dass sie jetzt uns auch noch das Kraftwerk Arzberg schließen, auch noch weitere Möglichkeiten der Förderung vom EON-Konzern. Der EON-Konzern hat sich verpflichtet, Ersatzarbeitsplätze in Arzberg zu schaffen. Und im Moment bemüht sich jeder, aber es tauchen die entsprechenden Schwierigkeiten auf.
Vom fernen München aus verspricht die bayerische Staatsregierung, als Trostpflaster einen "Automobilzulieferpark" in die Gegend zu bringen, Dafür hat sich vor allem der ehemalige Entwicklungshilfeminister Jürgen Warnke, der im oberfränkischen Selb lebt, stark gemacht. Welche Firmen in die ferne Provinz kommen sollen, kann aber auch der CSU-Politiker nicht sagen. Statt dessen haben er und einige Mitstreiter den Begriff "Hochfranken" erfunden und eine Marketingaktion angestoßen. Sie solle die Gegend um Hof in New York, Tokio und auf anderen wichtigen Plätzen der Welt bekannt machen.
Dass dies zu wenig ist, weiß auch Jürgen Warnke. Er fordert daher weitere staatliche Hilfen. Er sieht jedoch auch die Gefahr, dass ein warmer Geldsegen einschläfern kann. In den Fünfziger Jahren hatte Arzberg mehrfach die Chance, neue Industrien anzusiedeln und so die starke Abhängigkeit von der Porzellan-Branche zu überwinden. Doch der damalige Bürgermeister, gleichzeitig einer der größten Porzellanfabrikanten in Arzberg, blockte Investoren ab. Ähnlich lief es in Hof, wo sich nach dem Krieg Siemens niederlassen wollte, wie Jürgen Warnke berichtet:
Damals gab´s hier Vollbeschäftigung und die heimische Industrie hat klar zu erkennen gegeben: euch brauchen wir nicht und euch wollen wir nicht. Siemens hat dann gesagt: dann werden wir irgendwo anders unseren Platz suchen. Und Erlangen hat bis heute den großen Vorteil davon. Solche Bestrebungen hat es bis in die Achtziger Jahre immer wieder gegeben, dass in der Konkurrenz am Arbeitsmarkt man gesagt hat: ja wir haben hier relativ niedrige Tarifkosten und werden uns nicht die Laus der Arbeitsmarkt-Konkurrenz in den Pelz setzen.
Handlungsbedarf besteht wie eh und je, zumal die weitere Konzentration staatlicher Wirtschafts-Förderung auf weniger Gebiete eines Landes unausweichlich ist. Die beschlossene EU-Erweiterung bringt es mit sich, dass sich mehr Staaten die begrenzten EU-Fördermittel teilen müssen. Auch die nationalen Haushalte bieten kaum Spielraum für finanzielle Wohltaten. Den an Deutschland grenzenden Landstrichen Tschechiens und Polens ist die höchste Förderstufe versprochen. Die Grenzregionen auf deutscher Seite müssen sich mit geringeren Zuweisungen bescheiden.
Die Zeiten sind endgültig vorbei, da nach dem Gießkannenprinzip alle irgendwie mit wirtschaftlichen Problemen behafteten Regionen mit staatlichen Zuwendungen rechnen konnten. Und das wird auch das vermeintliche Wirtschafts-Wunderland Bayern spüren. Die ungleiche Entwicklung der städtischen Ballungsräume und der ländlichen Gebieten, die zunehmend auseinanderklaffende Schere zwischen armen und reichen Regionen wird dem Freistaat noch lange zu schaffen machen.