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Zivilcourage
In Schweden tragen Denkmäler Handtaschen

1985 ging während einer Demonstration eine Frau mit ihrer Handtasche auf Neo-Nazis los. Im schwedischen Växjö sollte ihr ein Denkmal gesetzt werden. Kritiker wendeten allerdings ein, dass die Statue gewaltverherrlichend sei. Das Hin und Her um die "Frau mit der Handtasche" sorgt inzwischen in ganz Schweden für Aufsehen.

Von Randi Häussler | 25.02.2015
    1985, ein Tag im April in der Kleinstadt Växjö. Die Menschen protestieren gegen einen Marsch von Neo-Nazis. Eine Frau löst sich aus der Volksmenge. Sie stammt ursprünglich aus Polen, ihre Mutter war im Konzentrationslager. Die Frau nähert sich einem jungen Skinhead, holt mit ihrer Handtasche aus - und schlägt zu. Der Schlag geht daneben.
    Egal. Eine Sekunde vorher hat ein Fotograf den Auslöser gedrückt - wenige Tage später ist das Bild weltberühmt.
    "Es ist wichtig, dass wir die zivilen Gesten gegen Neonazis zeigen - darüber wird ja ständig geredet, wenn es um Extremismus geht, dass die Gesellschaft reagieren muss, und hier macht das endlich mal einer", sagt Pontus Samuelsson.
    Er ist ein junger sozialdemokratischer Politiker und versteht nicht, warum eine Statue der Frau mit der erhobenen Handtasche nun doch nicht in Växjö aufgestellt werden soll. Er sammelt Unterschriften für das Denkmal.
    Bedenken wegen Gewalt gegen Andersdenkende
    Der Stadtrat von Växjö hat Bedenken bekommen. In Zeiten, in denen Meinungsfreiheit mit roher Gewalt begegnet wird, ist sie offenbar doch zu brisant, die Statue. Die konservativen Parteien und die Grünen in der südschwedischen Stadt sind sich einig, sagt Stadträtin Eva Johansson:
    "Die Frau schlägt einem Neo-Nazi die Handtasche auf den Kopf. Aber man muss Andersdenkenden mit Worten begegnen, nicht mit Gewalt."
    Also wird es wahrscheinlich nichts, mit der Statue auf dem "Stortorget", dem großen Platz in Växjö. Und das sorgt in Schweden für Aufruhr. "Wenn ihr sie nicht wollt", sagt zum Beispiel Nils Karlsson von der Stadt Malmö:
    "Die Statue sieht fantastisch aus - und das Foto ist ikonisch. Eigentlich gehört das Denkmal nach Växjö, denn dort ist es ja damals passiert. Aber wenn Växjö es nicht haben will, dann nehmen wir es!"
    Protest für und gegen die Statue
    Auch in den sozialen Medien formt sich ein Proteststurm. Für und gegen die Statue. Auf Twitter zum Beispiel rauft sich eine Kindergärtnerin die Haare, Tag für Tag müsse sie den Kindern beibringen, dass man nicht hauen dürfe. Und andere sagen: So eine Statue? Nicht mit meinen Steuergeldern!
    Dann gibt es die, die Fotos von Statuen posten, geschichtsträchtige Kerle mit massiven Schwertern in den Händen. "Weg damit!" wird da gefordert.
    Ein Statement für das Denkmal: Mehr und mehr Statuen im ganzen Land tragen seit wenigen Tagen: Handtaschen! Auch ein bronzener Mensch in Linköping: Gut so, findet Vera Johansson, die täglich an diesem Denkmal vorbeigeht.
    "Die Frau, die so deutlich gegen die Neo-Nazis demonstrierte - sie geht uns ja alle an. Und wenn wir die Handtaschen hier an den Statuen sehen, dann denken wir an sie und ihre Geschichte, die sonst mehr und mehr in Vergessenheit gerät."