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Zu Gast bei den Saaleperlen

Die Saaleperlen sind eine schwul-lesbischer Hochschulsportverein. Seit 13 Jahren geht es bei den Mitgliedern nicht nur um sportliche Höchstleistungen - Beratung und Unterstützung in der schwierigen Zeit des Coming-Outs gehören selbstverständlich zum Vereinsleben dazu.

Von Thomas Kramer |
    Zur Begrüßung Küsschen auf die Wange und herzliche Umarmungen. Eine kleine, altbackene Sporthalle am südlichen Stadtrand von Halle an der Saale. 15 gut gelaunte Volleyballer zwischen 20 bis Ende 30 verlassen die Umkleidekabine.

    Aufwärmtraining bei den Saaleperlen, dem schwul-lesbischen Hochschulsportverein der Martin-Luther-Universität.

    Hallenatmo: "Knie heben, absetzen, nach vorne, anderes Bein."

    Dennis: "Wir haben Leute, die richtig aktiv Volleyball beziehungsweise Badminton spielen wollen, und es gibt genauso viele Leute, die sagen, okay, ich mach es nur wirklich aus Freizeitgründen, um ein bisschen Sport zu machen, um Leute treffen zu können."

    Dennis Leutloff ist zweiter Vorsitzender bei den Saaleperlen, einem Sportverein mit etwa 70 Mitgliedern. Hauptberuflich arbeitet er für die AIDS-Hilfe. Die zwei Vereine sind eng verbunden: Aufklärung, Prävention und Sport gehen Hand in Hand.

    Was sportlich geleistet wird, ist zweitrangig, weiß auch Markus. Der 26-jährige Volleyballtrainer studiert Geschichte, Literatur und Namensforschung im benachbarten Leipzig:

    "Ich glaube, es geht mehr um das außerhalb vom Sport. Dass der Sport das ist, was einen zusammenbringt. Und dort lernt man viele Leute kennen und kann darüber hinaus viel miteinander unternehmen."

    Zu Gast sind heute ein paar der Rosa Löwen, dem Leipziger Pendant zu den Saaleperlen. Das Verhältnis ist freundschaftlich, für Turniere leiht man schon mal einen Spieler aus.

    Markus: "Aber es ist eine andere Spielkultur, das merkt man. Es ist nicht schwächer oder luschiger, wie man sich das vielleicht vorstellt, dass dann so ein paar Prinzesschen auf dem Feld rumhopsen, der Umgang miteinander ist ein anderer. Nicht negativ oder positiv, einfach nur anders."

    Herzlicher auf jeden Fall, und unbefangen. Niemand wird gemobbt, weil er etwas kräftiger, schlaksiger oder seit Kurzem erst dabei ist.

    Dennis: "Das waren einfach damals vier schwule Männer, die gesagt haben, wir wollen eine Plattform bilden, um Schwule in Halle ... dass sie sich kennenlernen – damals gab es die ganzen Internetplattformen noch nicht – und das gibt es jetzt seit 13 Jahren. Und Ziel war einfach die Leute über Sport zusammenzubringen."

    Zu Gast bei den Saaleperlen könnte man denken, der Kampf um die Gleichberechtigung Homosexueller sei ausgekämpft. Von Problemen im Alltag an der Uni keine Rede:

    Dennis: "Es hat doch kein Mensch ein Problem mehr damit, heutzutage groß an den Unis mit schwul umzugehen. Weil es sind eigentlich alles gut gebildete Leute, die wissen, dass der Mensch im Vordergrund steht und nicht seine sexuelle Orientierung."

    Doch nicht alle sehen das so. Florian Krause ist Koordinator der Bundeskonferenz der Schwulenreferate. Er kennt andere Fälle. Von Diskriminierung durch den Prof., der aus heiterem Himmel die zugesagte Hiwi-Stelle verweigert, bis hin zur vorgetäuschten Verabredung, zu der dann ein paar Schläger erscheinen. Und natürlich die Fragen zu Infektionskrankheiten und Probleme rund ums Coming Out.

    Florian Krause: "Also zunächst mal hat man die Probleme bei sich selber, dass man selbst noch sehr viel nachdenkt, wer bin ich eigentlich, was bin ich eigentlich, und dann natürlich die Anfeindungen, die man halt kennt, dass man im Gang nachgerufen kriegt, ey du Tunte."

    Ein anderes Problem: gut gemeinte Hilfe, die falsche Signale setzt.

    Florian Krause: "Oder man hat mit Gruppen zu tun, hauptsächlich christlichen Gruppen, die Homosexualität als Krankheit sehen, und versuchen einem da halt zu sagen, ja, wir versprechen dir Heilung."

    Die genaue Zahl der Abbrecher, die ihr Studium schmeißen, weil sie dem Druck nicht gewachsen sind – niemand kennt sie, niemand erhebt sie. Weder Studentenwerk noch Schwulenverbände. Doch eine US-Studie von 2008 belegt: Homosexuelle Studierende neigen gegenüber Heterosexuellen mit 25 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit zum Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten. Das kann man durchaus als Reaktion auf den Druck interpretieren, sich ständig für die eigene Sexualität rechtfertigen zu müssen. Schwul-lesbische Hochschulgruppen sind da eminent wichtig, so Florian Krause. Ob sie nun Politik oder Sport machen:

    "Wenn man halt alleine kommt aus einer fremden Stadt von weit her, dann hat man oft ... man sucht den Anschluss und wenn man sich gerade noch nicht selbst gefunden hat und aber eine Hochschulgruppe findet, die einen praktisch aufnimmt, und wo man sieht, die sind ja wie ich oder ich kann ja so sein, wie die sind, dann hilft einem das sehr, sehr viel."
    Und genau das leisten die Saaleperlen: mit Tischtennis, Laufgruppe, Badminton und Volleyball. Dennis Leutloff:

    "Es gibt so eins zwei, die mal dumme Sprüche bekommen haben, aber das lernt man dann ja auch in seiner Coming-Out-Phase, das irgendwie wegzustecken."

    Das Trainingsideal der Saaleperlen und der Rosa Löwen aus Leipzig, es klingt wie der Leitfaden für ein glückliches Leben. Trainer Markus:

    "Das, was die Einzelnen wollen in Einklang bringen und irgendwie eine Plattform bieten, dass sich da jeder selber und auch als Mannschaft entwickeln kann."

    Infos:

    saaleperlen.de