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"Zukunft war selten etwas, was ich mir rosig vorgestellt habe"

Blockflötenunterricht, Akkordeonstunden, 80er-Jahre Schlager, 90er-Jahre Hip Hop und Leonard Cohen nennt der Musiker Sven Rathke als seine Inspirationsquellen. Den Durchbruch schaffte er auf Solo-Pfaden unter dem Namen Sven van Thom.

Sven van Thom im Gespräch mit Kerstin Janse |
    Sven van Thom: Mein Musikgeschmack ist auch tatsächlich breit gefächert, weil ich in meinen Leben halt viele musikalische Phasen durchgemacht habe. In der Kindheit halt Schlager, dann irgendwann in den Teenie-Jahren hab ich dann Popmusik natürlich für mich entdeckt und bin sehr schnell beim Hip Hop gelandet und mit 16 dann die erste Gitarre gekauft und Gitarrenmusik gehört und all das findet man doch auf dieser Platte wieder, aber letztendlich was ich an den meisten Musikstilen mag, ist wenn da einfach mal eine ausufernde Melodie ist und dann ist mir eigentlich der Stil fast ein bisschen egal. Ja, ich kann das gut finden, ob das jetzt Metal ist oder ein schwulstiger Schlager

    Kerstin Janse: Im herkömmlichen Sinne könnte man sagen recht konservativ geraten.

    van Thom: Die Platte ist absolut konservativ, ja.

    Janse: Sind Sie das auch im normalen Leben? Meistens sieht man Sie nur mit Anzug und Krawatte. Das ist so das Image, das transportiert wird. Die passende Brille. Eine Frisur, die so ein bisschen an Götz Alsmann erinnert. Wo man immer schon bei Götz Alsmann denkt – wieso nicht mal was neues? Jetzt kommt ein 34-Jähriger daher und transportiert ein ähnlich konservatives Image. Ist das vielleicht neo-konservativ?

    van Thom: Tja, ich würde ja sagen, es ist Neo-Punk. Also ich habe jahrelang in einer Rockband gespielt – Sofaplanet hieß die und damit waren wir auch so mittel erfolgreich. Hatten einen Top-Ten Hit - vor elf Jahren war das - glaube ich. Ja, da hatte ich lange Haare, rannte in den abgelegten Klamotten meines Onkels rum, aus den 70ern und hab mich um mein Aussehen quasi gar nicht geschert. Irgendwann dachte ich ja gut, ich beweg mich aber auch in diesen Kreisen, wo wir alle irgendwie gleich aussehen. Wir haben alle diese asymmetrischen Frisuren, kleiden uns nur so schick, wie unser Alter es erlaubt. Aber jetzt bin ich auch nicht mehr der Jüngste und ja mit meiner anderen Band Beatplanet haben wir angefangen uns auf der Bühne dann zu verkleiden – uns einfach so in Anzüge zu werden und Krawatten anzulegen und konservativ dann einfach damit auch zu spielen – mit dieser Optik. Das haben wir dann einfach eine Weile gemacht, bis es Besitz von mir ergriffen hat würde ich sagen. Ich fand es einfach schöner mich in den Anzug zu werfen als jetzt noch die alte Armee-Kutte anzuziehen.

    Janse: Also ist die Zeit des Verkleidens eigentlich vorbei und das ist letztendlich etwas geworden, wo man sagen kann, es ist Bestandteil ihres Lebens, ihres Charakters?

    van Thom: Ja durchaus, mittlerweile ist das so.

    Janse: Heute sitzt er aber im Pullover hier.

    van Thom: Ja, nachlässig.

    Janse: Nachlässig. Es ist ja auch ein Radiointerview und kein Fernsehinterview. Insgesamt in den Texten auch da ein wenig altersweise – ich denk jetzt an die Single "Irgendwann". Da gibt es auch ein Video dazu auch das ist im Zeichen der Sixties, Fithties letztendlich sowohl Sound wie auch von der Darstellung – ein älteres Pärchen tanzt während Sie dazu singen und musizieren. Machen Sie sich viel Gedanken über das Älterwerden?

    van Thom: Hm, viel Gedanken, also es ist tatsächlich so, dass dieses Älterwerden und sich erinnern, wie so ein roter Faden auf der Platte ist. Es ist aber nicht so, dass ich mir das vorgenommen habe, noch bevor ich die Lieder geschrieben habe, sondern ich habe irgendwann halt diese Sammlung von Liedern gehabt und es ist mir erst im nachhinein aufgefallen, wie oft ich darüber tatsächlich schreibe, also es war mir erstmal nicht so bewusst und es ist erst so mit dem Fertigstellen der Platte in mein Bewusstsein gerückt, das es offensichtlich doch ein Thema für mich ist – also ja es ist auch ein komisches Alter, Mitte 30, wenn ich da meine ehemaligen Klassenkameraden betrachte, was machen die. Die haben teilweise Kinder bekommen, Familien, Häuser gebaut und ich zieh seit über 10 Jahren durchs Land und mach Musik und kann zwar davon Leben aber nicht unbedingt in Saus und Braus. Mein Lebensentwurf ist einfach ein anderer als viele andere in meinem Alter und hin und wieder fragt man sich dann schon – wie lange geht das noch so, ist das jetzt gut, macht’s in 20 Jahren immer noch so Spaß?

    Janse: Macht’s noch Spaß?

    van Thom: Also mir macht’s noch Spaß.

    Janse: Und dennoch stellen Sie alles ein bisschen in Frage. In meiner Generation haben die Männer so um die 50 diese Midlifecrisis, wo sie all das in Frage stellen. Verschiebt sich das alles jetzt nach vorne, demnächst die mitte 20-Jährigen schon?

    van Thom: Nein, ich glaube, dieser Begriff der Quaterlifecrisis ist ja auch schon eine Weile unterwegs. Vielleicht ist es das noch gerade bei mir.

    Janse: Wann schaut den Sven van Thom mal nach vorne, in die Gegenwart zumindest, mindestens aufs Heute. Ist heute ein guter Tag, ist heute ein depressiver Tag und ist der Blick in die Zukunft nicht etwas, was einem vielleicht auch die Vergangenheit ein bisschen leichter erscheinen lässt? Weil da ist ja noch Zukunft, soviel Zukunft?

    van Thom: Ich hab mich lange als pessimistischen Menschen selber betrachtet. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das so stimmt oder sagen wir mal, ich werde – je älter ich werde – gelassener. Aber Zukunft war selten etwas, was ich mir rosig vorgestellt habe und davon ist noch einiges hängen geblieben. Nun haben wir auch noch dieses verheißungsvolles Jahr 2012, ha nach Dezember kommt doch eh nichts mehr, was soll denn da noch sein.

    Janse: "Ach", so heißt das zweite Album, auch da verbirgt sich etwas drin, wo Sie sich für meinen Geschmack vor jemanden verneigen, der auch eigentlich eher mit Ihrer Vergangenheit eher zu tun haben kann mit der Gegenwart leider nicht, letztes Jahr gestorben – Loriot. Großer Fan von Loriot, sind Sie einer?

    van Thom: Ja, ich finde diesen Humor in Deutschland unerreicht. Ich finde keinen größer als diesen Mann, was Humor betrifft.

    Janse: Wie würden Sie Ihren eigenen Humor beschreiben? Er ist ja sehr sarkastisch in den Texten.

    van Thom: Ja, ich glaube, wer mit Sarkasmus nichts anfangen kann, wird auch mit meinen Texten keine Freude haben. Es ist manchmal auch skurril – skurril eigentlich nur insofern, dass ich meine Figuren in den Liedern manchmal in irgendwelche Situationen werfe, die einfach unheimlich peinlich oder fast ein bisschen ausweglos sind.

    Janse: "Ihr Vater ist ein Nazi".

    van Thom: Zum Beispiel.

    Janse: Eigene Lebenserfahrung drin?

    van Thom: Nur zum Teil. Gott sei Dank, ist es mir erspart geblieben einen potentiellen Schwiegervater zu haben, der rechtsradikal ist. Aber dieses Nazithema hat sich mich auf jeden Fall eine Rolle gespielt. Vor allem in meiner Jugend, so in den 90ern in Brandenburg aufzuwachsen, da war das einfach, ich würde fast sagen die populärste Jugendkultur einfach ein bisschen rechts zu sein und wenn man sich einfach nur so gekleidet hat. Ich will gar nicht allen unterstellen, dass sie jetzt tatsächlich nach Hause kamen und Mutti und Vati erstmal mit gehobenen Arm begrüßt haben. Aber das war für mich auf jeden Fall klar, da eine Gegenposition zu beziehen auch in diesem Alter. Jetzt so in letzter Zeit, so im privaten Leben, oder im Leben in Berlin kriege ich davon nicht viel mit, tatsächlich so im Prenzlauer Berg, da wo ich wohne, da ist es erstmal so kein alltägliches Thema, was einem auf der Straße begegnet. Das ist in den Randbezirken vielleicht auch schon was anderes. Es ist ein Teil auch meiner Vergangenheit aber natürlich ist es sehr überspitzt dargestellt in diesem Lied.

    Janse: Es ist glaube ich auch, wenn ich die Texte alle richtig interpretiert habe, weil manches ist ja auch sehr zweideutig. Es ist auch der einzige Song, der so richtig im Kern politisch daherkommt.

    van Thom: Ja.

    Janse: Alle anderen beschäftigen sich mit dem Leben und mit der Liebe mit beidem tun Sie sich schwer, warum?

    van Thom: Tja, mit der Liebe, hm.. ja jetzt muss ich lange überlegen, warum tu ich mich damit schwer? Ich merke doch, dass ich mich immer wieder auch mal verlieben kann aber das mit diesen langen Beziehungen, die die Regierung gerne von mir hätte mit Heirat und allem, das wollte irgendwie bisher noch nicht so ganz hinhauen. Also tatsächlich hab ich mich irgendwann auch von dieser unheimlich romantischen Vorstellung "für immer und ewig" verabschiedet, die ich sicherlich in meinen Teenie-Jahren noch hatte. Aber wenn man dann mal so zwei, drei Beziehungen hatte und gesehen hat, die gehen dann doch irgendwie den Bach runter ja dann wird man doch etwas nachdenklich und stellt das alles in Frage – ist das überhaupt richtig so und vor allem, wenn man eine neue Beziehung eingeht – man kann sich gar nicht mehr so richtig fallen lassen und es schwingen so Gedanken mit wie ja, wie lange geht die wohl jetzt, ist es jetzt in einem halben Jahr immer noch so, wie es jetzt ist – das ist alles nicht so einfach.

    Janse: Also ein sehr kritikbesetzter Mensch sitzt vor mir.

    van Thom: Zumindest was die Liebe betrifft.

    Janse: Ich wünsche Ihnen einfach, dass die große Liebe daher kommt und dass das nächste Album dann einfach "Ja" heißt und die Liebe in anderen Perspektiven dargestellt wird. Sven van Thom, herzlichen Dank für den Besuch im Studio.

    van Thom: Danke für die Einladung, tschüss!

    Janse: Tschüss!