Die Vision einer fortschreitenden Technisierung des Sports, einer Aufrüstung, in dem beispielsweise Exoskelette, Nanobots oder Bioprinting zum Einsatz kommen, müssten die Sportorganisationen dazu veranlassen, zur Grundidee zurückzukehren, erläutert Reinhard Merkel. Diese bestehe für jedes Individuum in der Verbesserung seiner selbst. So wie Immanuel Kant davon gesprochen habe, dass es zu den Pflichten eines Menschen gehöre, seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, stehe der Athlet sinnbildlich dafür.
Diese Fähigkeiten dürften aber nicht durch technische bzw. biotechnische Eingriffe erweitert werden. Damit sei nicht gemeint, dass der Sport sich der wissenschaftlichen Fortentwicklung verschließen müsse. Die Grenze, die der Sport ziehen müsse, sei die Grenze der Haut des Sportlers. "Wenn da eingedrungen wird in den Körper, um den Körper selbst zu technisieren ... oder ins Gehirn eingedrungen wird um mentale Verbesserungen durch substanzielle Gehirneingriffe vorzunehmen ..., dann beginnt der Sport seine Grundidee aufzugeben."
Was für Roboter, Cyborgs oder Ingenieure möglich sei, sei nicht das, was die olympischen Idee mit dem Athleten verbindet und dies sollte auch nicht verbunden werden, forderte Merkel: "Denn dadurch würde der Sport seinen Charakter substanziell wandeln."
Destruktive Kräfte durch Einsatz technischer Mittel
So dürfe auch nicht mehr weiter die Maxime des "Schneller, Höher, Stärker" gelten. Jedenfalls nicht als gesellschaftliches Ideal, weil es eine Grenzenlosigkeit suggeriere, die durch den Einsatz technischer Mittel die destruktiven Kräfte verstärken würde. Diese Maxime sollte vielmehr auf das individuelle Sportlerdasein zurückgenommen werden, fordert Merkel.
Die Authentizität des Athleten liege in der Geschichte, wie ein Mensch zu seiner außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit komme. Darin begründe sich auch sein Lohn, der Ruhm. Das Publikum bewundere einen 100-Meter-Läufer wie Usain Bolt dafür, dass er dies als Mensch geschafft habe. "Nun stelle man sich daneben jemanden vor, bei dem im Embryonalstadium ein Eingriff ins Genom vorgenommen wird, der ihn später auch mit durchschnittlichem Talent und wenig Training befähigt, 100 Meter in 8,5 Sekunden zu laufen. Niemand würde das bewundern."
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