"Literatur ist kein moralischer Schönheitswettbewerb." Ein Satz, wie ihn Philip Roth eben so sagt. Der Mann, der über den menschlichen Makel schrieb, über Außenseiter. Den weißen amerikanischen Mann. Über politische Korrektheit und vor allem über Lust, über Sex, über die Abgründe des Lebens, er war tief in seiner Seele ein großer Menschenfreund.
Das Schreiben, sagte er einst, es müsse dunkel und tiefer als das Leben sein. Sein Schreiben war es bisweilen. Geboren und aufgewachsen in Newark, New Jersey vor den Toren New Yorks. Auf der falschen Seite des Hudson Rivers gewissermaßen. Die große Stadt, nur ein ferner Kosmos für ihn.
Aufgewachsen in einer jüdischen Familie. Mittelklasse. Es wurde gelesen, sagt er. Aber Bücher? Drei Bücher habe die Familie besessen. An die könne er sich sehr gut erinnern.
"Ziel ist nicht, ein Buch zu schreiben, sondern einen Satz"
Philipp Roth. Später, als Autor, hat er die Welt der Millionenstadt New York beschrieben. Charaktere des amerikanischen Lebens geschaffen. Die männliche Seite der Lust erkundet, die Abgründe der Sexualität wohl auch. Die Wirkung seiner Bücher auf den Leser? Ihm war es egal, sagt er einst. Er habe sich nie um den Leser gekümmert, aber stets um die Bücher.
Zeitweise schrieb er beinahe manisch. Ein Buch pro Jahr. Panikattacken inklusive. In seinem Schreibzimmer, eine Tafel mit Buchstaben, wie sie Erstklässler malen. Stete Erinnerung daran, dass ein Buch, Wort für Wort und Buchstabe für Buchstabe geschrieben werden muss.
Seine Sätze hallten nach. Legten Abgründe offen, ließen manche Leser in die eigene Dunkelheit des Lebens schauen. Stets wisperten sie, der Nobelpreis für Literatur, er warte auf ihn. Der Autor selbst sagt, er habe nie gewartet. Der Nobelpreis, nicht wichtig für ihn.
Nie erhielt er den großen Preis. Aber er galt als einer der größten Gegenwartsautoren Amerikas. 1998 bekam Roth den Pulitzerpreis für "American Pastoral", sein letztes Werk, "Nemesis" ist 2010 erschienen. Zwei Jahre später kündigte er an, künftig nie mehr schreiben zu wollen. Auserzählt zu sein. Jedes Talent habe seine Begrenzungen, sagte er. Nicht jeder könne für immer ergiebig sein.
Von Menschen, die die dunkle Seite des Lebens kannten
Als der scheue Mann 85 wurde, im März, brach er zuletzt sein Schweigen. Bezeichnete den amtierenden Präsidenten Trump als die Katastrophe des 21. Jahrhunderts, die entwürdigendste Katastrophe der USA. Trump sei, so Philipp Roth, ein großer Betrüger, die üble Summe all seiner Unzulänglichkeiten.
Es war das schneidende Urteil eines Literaten, der Zeit seines Lebens niemals Rücksicht genommen hatte. Nicht auf sich, nicht auf die Charaktere seiner Bücher. Menschen mit Fehlern. Menschen, die auch die dunkle Seite des Lebens kannten. Aber der Mann, der jetzt im Alter mit 85 gestorben ist, er liebte das Leben. Die Liebe wohl auch.