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Zum Vollstudium in die Niederlande

Die Abiturklausuren sind da und so manch einer rechnet jetzt bang seine Punkte zusammen. Reicht der Notendurchschnitt für das Traumstudium? In Deutschland sind viele Studiengänge durch einen Numerus Clausus beschränkt, selbst gute Schüler sind nach dem Abi oft viele Wartesemester von ihrem Studienplatz entfernt. Wer nicht warten will, könnte in den Niederlanden gucken. Dort darf man nämlich fast alles ohne NC studieren. Immer mehr Deutsche nutzen die Chance und machen ihr komplettes Studium hinter der Grenze.

Anneke Wardenbach |
    Martin Schweinsberg aus Hamburg bestellt einen Happen im Cafe de Jaren, mitten in Amsterdam. Das Café ist vollbesetzt mit Studenten von der nahe gelegenen Universität – er gehört dazu. Seit fast einem Jahr studiert er hier Psychologie.
    In der Regel reichen das Abitur und ein Sprachkurs, um als Deutscher in den Niederlanden zu studieren. Die sprachliche Mühe wird honoriert, erzählt der 23-jährige:

    Also in der Einführungsveranstaltung gab’s Applaus für die ausländischen Studenten, die so mutig sind und das auf Holländisch probieren. Es ist ganz anders als in Deutschland. In Deutschland wird man, wenn man kein Deutsch spricht, ein Jahr lang noch mal vor die Tür gesetzt um doch bitte Deutsch zu lernen und hier ist es so "ok, du stammelst dir einen ab, und es läuft noch nicht so rund, aber es ist toll, dass du da bist!

    Seit 1999 hat sich die Zahl der Deutschen an niederländischen Universitäten und Hochschulen in etwa verdoppelt. Die insgesamt rund 5000 deutschen Studenten machen inzwischen circa ein Prozent aller Studenten in den Niederlanden aus. Dass es zu viele sein könnten, glaubt Martin Schweinsberg nicht:

    Neee, ich nicht, und die Holländer auch nicht, glaube ich. Bei uns im Studiengang ist es schon so, dass sehr viele Deutsche studieren und es manchmal schon so aussehen kann, dass jetzt da die "Gruppe Deutsche" sitzt, aber im allgemeinen mischen wir uns ganz gut unter, denke ich.

    Die niederländischen Universitäten werben gezielt um ausländische Studenten. Internetseiten auf Deutsch oder Englisch sind selbstverständlich, berichtet Julia Hilverling aus Dortmund, die in Nimwegen Psychologie studieren will:

    Wenn ich bei den Universitäten anrufe und sage ich komme aus Deutschland, dann kommt auch gleich "ja, dann können wir auch auf Deutsch miteinander sprechen" und man wird unheimlich freundlich hier empfangen.

    In den Niederlanden liegen die Studiengebühren bei rund 1500 Euro pro Jahr. Wer als Student auf staatliche finanzielle Unterstützung verzichtet, bekommt einen großen Teil am Ende des Jahres zurück, so dass die tatsächlichen Studiengebühren bei etwa 50 Euro im Monat liegen. Die staatliche Unterstützung für Studenten ist in den Niederlanden ähnlich geregelt wie das deutsche Bafög. Allerdings belohnen die Niederländer Leistung: Wer genug Studienpunkte und den Abschluss erreicht, braucht nur einen Teil oder sogar nichts von dem Studienkredit zurück zu zahlen.

    Für die Studiengebühren bieten die niederländischen Hochschulen intensive Betreuung durch Dozenten und Mentoren, kleine Kurse und schneiden im internationalen Vergleich gut ab. Ein teures System. Nehmen die Deutschen den Niederländern da nicht Studienplätze weg? Soweit ist es noch nicht, sagt Friso Wielenga, der jahrelang Dozent in den Niederlanden war, bevor er zur Universität Münster wechselte:

    Wenn man als Universität viele ausländische Studenten hat, dann bringt das auch eine internationale Atmosphäre, nicht nur in der Lehre, sondern bringt das auch in der Forschung sicherlich auch zunehmende internationale Kontakte und Flair mit sich. Das ist also auch für die Universität an sich gut.

    Wichtiges Ziel der Hochschulen ist das so genannte "Brain Gain", wörtlich übersetzt "Hirn gewinnen". Anders gesagt: Die junge geistige Elite aus aller Welt soll angelockt werden. Um Studenten den Wechsel leichter zu machen, werden die Abschlüsse international immer mehr angeglichen. Dozent Friso Wielenga:

    Während Deutschland immer noch dabei ist umzuschalten auf Bachelor und Master, in den Niederlanden ist seit anderthalb, zwei Jahren sind alle Unis umgeschaltet, sozusagen per Knopfdruck alles war plötzlich auf Bachelor und Master umgeschaltet.

    International anerkannte Abschlüsse, die Martin Schweinsberg weltweite Möglichkeiten eröffnen:

    Ich werde also im dritten Jahr einen Austauschsemester machen und danach habe ich meinen Bachelor und dann hat man noch ein Jahr, um seinen Master zu machen und den mache ich entweder in Amsterdam oder ganz woanders. Man hat mit dem Studium in Holland also eigentlich alle Möglichkeiten, sich breit international auf zu stellen.

    Und wenn das Heimweh allzu groß wird, kann man ja auch mal ein Auslandssemester daheim in Deutschland einlegen.