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Zur Abtreibung über die Grenze

Die restriktive Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen in Portugal lässt viele Frauen über die Grenze blicken. Wer es sich leisten kann, geht in eine Privatklinik nach Spanien. Um diese Flucht ins Ausland zu verhindern, schlägt die portugiesische Regierung dem Volk nun für Sonntag in einem Referendum eine Fristenregelung vor. Hans-Günter Kellner berichtet.

    Sprünge vom Tisch, Schläge in den Unterleib, Ausschabungen in Hinterzimmern und auf Küchentischen. 20.000 solcher gefährlicher illegaler Abtreibungen werden in Portugal jährlich vorgenommen, schätzen Frauenorganisationen. Die spanische Gynäkologin Victoria de Virtudes über diese Eingriffe:

    "In Portugal gibt es noch sehr viele solcher Engelmacher. Zum Glück gibt es inzwischen ein Netz aus Familienplanungsbüros, die die Frauen auf die Möglichkeit zur Abtreibung in Spanien hinweisen. Oft sind die Frauen vollkommen verzweifelt, wenn sie bei uns anrufen. Aber hier riskieren sie wenigstens nicht ihr Leben."

    In Spanien wurde der Schwangerschaftsabbruchs 1986 legalisiert. Seither sind auch entlang der Grenze zu Portugal zahlreiche private gynäkologische Kliniken entstanden. Zuverlässige Zahlen gibt es keine, aber zahlreiche Kliniken versichern, Tausende portugiesischer Patientinnen zu haben. Victoria de Virtudes weiß, wovon sie spricht. Sie arbeitet eng mit portugiesischen Frauenverbänden zusammen. Auch in ihre Klinik in Madrid kommen Portugiesinnen:

    "Im 21. Jahrhundert das eigene Land verlassen zu müssen, um eine Abtreibung vorzunehmen, ist wie eine Strafe für die Betroffenen. Aber auch mit dem neuen Gesetz soll in Portugal der Abbruch nur bis zur zehnten Woche straffrei werden. Damit werden nur 40 Prozent der Eingriffe legalisiert. Der Rest wird weiterhin nach Spanien reisen. Und ich finde auch nicht gut, dass die staatlichen Klinken diese Eingriffe nicht vornehmen werden, sondern, dass die Privatkliniken damit Geld machen."

    Aber auch in Spanien gibt es Probleme. Zwar ist der Eingriff erlaubt, doch in den staatlichen Kliniken wird er nicht durchgeführt. Fast alle der Abtreibungen nehmen Privatkliniken vor, wie etwa die der Gynäkologin Victoria de Virtudes. Ihre Freundin und Kollegin Concepción Martín hingegen darf keine Schwangerschaften abbrechen. Denn sie arbeitet in einem öffentlichen Gesundheitszentrum:

    "Alle Chefgynäkologen verweigern die Abtreibung aus Gewissensgründen. So darf in keinem Krankenhaus nicht abgetrieben werden. In den 80er Jahren versuchten einige Ärzte, Abbrüche in staatlichen Krankenhäusern durchzuführen. Aber diese Ärzte wurden dann auf den Gängen als Mörder beschimpft, hier in Madrid. Diese Ärzte haben die staatlichen Krankenhäuser dann verlassen."

    So zahlen die Frauen in Spanien rund 300 Euro, die ein Abbruch in einer privaten Klinik kostet. Nach einer Vergewaltigung darf in den ersten 12 Wochen abgetrieben werden, bei schweren Missbildungen des Fötus auch in den ersten 22 Wochen. Keine Frist gibt es hingegen, falls eine Gefahr für die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter besteht, der häufigsten Indikation bei den 80.000 Abtreibungen in Spanien jährlich. Es dürfe also auch noch wesentlich später abgetrieben werden, kritisieren katholische Organisationen.

    Victoria de Virtudes weist diesen Vorwurf zurück. Wie alle Frauenrechtlerinnen legt sie zwar wert auf das Recht der Frauen, eine Schwangerschaft abbrechen zu dürfen, aber auch darauf, dass es erst gar nicht so weit kommt. Sie vermisst öffentliche Familienplanungszentren für Jugendliche, in Spanien und in Portugal:

    "Mit der Demokratie bekamen wir immer mehr Zentren zur Familienplanung. Aber irgendwann dachten wir, die Aufgabe sei erledigt, unsere Jugendlichen sind aufgeklärt und haben Zugang zu Verhütungsmitteln. Aber jetzt haben wir viele Einwanderer ohne eine wirkliche Verhütungskultur, und die Zahlen steigen wieder. In der gesamten Region Madrid gibt es für fünf Millionen Menschen ein einziges öffentliches Zentrum für Jugendliche. Und in Portugal ist es noch schlimmer. Information und Verhütungsmittel gratis in frei zugänglichen Zentren gibt es nicht. Ich denke, das ändert sich jetzt."