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Zurück in den Osten

Der Osten Deutschlands hat zwar starke Hochschulen, er kann seine Absolventen aber schlecht halten und kämpft mit Abwanderung. Dabei wollen viele akademische Weltenbummler gerne zurück nach Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern. Verschiedene Initiativen wollen ihnen die Entscheidung erleichtern.

Von Lenore Lötsch |
    Die vier jungen Männer, die sich gerade zur Kaffeepause in einem Büro der SIV AG, einem mittelständischen Rostocker Softwareunternehmen, zusammenfinden, sind so etwas wie Mecklenburg-Vorpommerns neue Hoffnungsträger. Der 33-jährige Wirtschaftsinformatiker Milan Frieberg hat sich nach dem Studium einen seiner größten Wünsche erfüllt: Zweieinhalb Jahre hat er in Singapur gearbeitet, bevor er sich entschied, den Blick wieder Richtung Ostsee zu richten und in seiner Heimatstadt Rostock nach geeigneten Stellenangeboten Ausschau zu halten.

    "Natürlich waren die Angebote vom finanziellen Aspekt aus bisschen lukrativer in den alten Bundesländern. Aber man musste dann halt aufwägen: Lebensqualität und Mehrverdienst. Und dann hat halt bei mir die Lebensqualität, die hier in Rostock doch richtig hoch ist - durch die Lage: Ostsee, Freunde und Familie natürlich auch hier - hat dann den ausschlaggebenden Punkt gegeben, wieder zurück nach Rostock zu gehen."

    Und noch eine Frage war für den Projektentwickler und seine Frau wichtig:

    "Wo wollen wir denn unsere Kinder aufwachsen lassen? Wir haben für uns entschieden, dass diese Region hier dafür das Beste ist."

    Im Osten Deutschlands richtet sich der Blick zunehmend auf die, die ihre Heimat für die Ausbildung oder die ersten beruflichen Schritte verlassen haben. Studien haben ergeben: Immerhin 60 Prozent von ihnen haben den Wunsch zurückzukehren, aber nur 20 Prozent bestellen wirklich den Umzugswagen. Auf den Prüfstand kommt das Arbeitsleben erst, wenn die Bedingungen sich ändern: wenn Kinder geboren werden oder in die Schule kommen, wenn die Eltern Hilfe benötigen, wenn eine Immobilie gesucht wird. Die Bayreuther Wirtschaftsgeografin Anke Matuschewski hat Rückkehrer in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern befragt. Zwei Drittel der Befragten loben die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Ostdeutschland. Und auch die Arbeitgeber singen ein Loblied auf die Rückkehrer:

    "Es hat sich tatsächlich herausgestellt, dass die Motivation dieser Rückwanderer sehr, sehr hoch ist. Sie sind sehr ehrgeizig. Aber auch bei den Kunden, dass sie dort gut ankommen. Da kommen dann so Sachen wie: Die sprechen unsere Sprache, die wissen, wie wir ticken, die kennen sich in der Region aus und wissen sofort, wie man uns nehmen muss. Das sind so weiche Faktoren."

    In ganz Ostdeutschland gibt es mittlerweile Agenturen, die potenzielle Rückkehrer und Arbeitgeber zusammenführen wollen. Für ihre Studie konzentrierte sich Anke Matuschewski auf Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern:

    "Wenn wir jetzt bei den beiden bleiben, die stellen so ein bisschen die Extreme dar. Sachsen hat eine Rückwanderungsinitiative 'Sachse komm zurück'. Das ist ein Internetportal, das ist eben insofern eine passive Vermittlung: Also Rückwanderer können dort ihr Profil reinstellen und Arbeitgeber auch. Es werden Informationen bereitgestellt. Und in Mecklenburg-Vorpommern wird das sehr viel aktiver gemacht."

    MV4you heißt die Agentur, die seit 2001 in Schwerin existiert und etwa 6500 Rückkehrwillige betreut. Solveig Streuer und ihre drei Kollegen haben sich auf Führungskräfte spezialisiert. Etwa 70 Prozent der Rückkehrwilligen haben ein Studium absolviert.

    "Per E-Mail sind wir in Kontakt: Es gibt Informationen über das Land, über Veranstaltungen, Kulturhinweise, Existenzgründungen und dann natürlich Informationen rund um den Arbeitsmarkt: also konkrete Stellenangebote, die auch auf die Profile passen, die die Leute hinterlegen. Und das läuft solange, bis es heißt: So, wir ziehen um, können sie uns vielleicht auch noch helfen beim Umzug, Wohnungssuche und dann ist womöglich die Familie hier."

    Fachkräfte für den IT-Bereich, im Tourismus aber auch technische Konstrukteure sind im Moment in Mecklenburg-Vorpommern besonders gefragt.

    "Neue Ausrichtung seit letztem Jahr ist wirklich auch an die Hochschulen zu gehen und schon die jungen Leute anzusprechen, was Praktika, Abschlussarbeiten und beruflichen Einstieg anbelangt."

    In einer breit angelegten Studie möchte die Bayreuther Wirtschaftsgeografin Anke Matuschewski nun untersuchen, inwieweit die Förderung von Rückwanderung schrumpfende ostdeutsche Regionen stabilisieren kann. Die potenziellen Rückkehrer, davon ist sie überzeugt, brauchen gar keine großen Verlockungen für den Umzug nach Rostock, Greifswald oder Teterow.

    "Man muss eigentlich nur diesen latenten Rückwanderungswunsch erkennen und dann einfach mit Jobangeboten denen zeigen: Wenn ihr zurückwollt und ihr glaubt bislang, es geht nicht, weil in Mecklenburg-Vorpommern gibt's ja keine guten Jobs - hier sind sie."