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Zurück zu den Wurzeln

Neun von zehn deutschen Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagert haben, gaben dafür Kostengründe an. Doch viele wurden nachträglich von einer Kostenexplosion überrascht - fast ein Viertel der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagert haben, kommen nach vier Jahren wieder zurück.

Von Jutta Schwengsbier |
    Unweit von Hamburg. Direkt an der Elbe im Alten Land. An den kleinen Stichstraßen stehen die typischen norddeutschen Klinkerhäuschen mit dunkelroten Ziegeln und Reetgedecktem Spitzdach. Dahinter liegen die Apfelbaum-Plantagen - und hohe Kräne ragen in den Himmel. Denn das alte Land ist auch die Heimat der Neuenfelder Maschinenfabrik. Sie baut auf ihrem Areal direkt am Elbufer Schwerlastkräne für Container-Schiffe. Und ist auf diesem Gebiet Weltmarktführer, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Heck. Dafür ist eine hohe Flexibilität notwendig. Denn wann immer Reedereien ihre Produktionsstandorte weltweit verlagerten, musste sich auch die Neuenfelder Maschinenfabrik neu orientieren.

    "Wenn man das so mal von der Geschichte her sehen möchte, haben wir uns zunächst vom deutschen Markt auf den polnischen Markt konzentriert, haben fast ausschließlich den polnischen Schiffbau bedient. Durch die Öffnung, durch die Zugehörigkeit, dass Polen zur EU gekommen ist, sind die Löhne in Polen enorm stark gestiegen und der polnische Facharbeiter ist abgewandert."

    Zurzeit werden die meisten Schiffe von Werften in China gebaut. Auch die Neuenfelder Maschinenfabrik lässt inzwischen Teile ihrer Produktion in China fertigen.

    "80 Prozent meines Umsatzes mache ich mit chinesischen Schiffswerften. China ist mein Hauptmarkt. Wir haben jetzt die ersten Lieferungen nach Vietnam und als nächstes kommt Indien."

    An einer Produktionsverlagerung nach China führte für Karl Heinz Heck kein Weg vorbei. Die Produktion in Deutschland zu erweitern, wäre gar nicht so schnell möglich gewesen. Das Werksgelände der Neuenfelder Maschinenfabrik liegt in einem Naturpark. Die Genehmigung für einen Ausbau hätte sicher Jahre gedauert. Falls die Anwohner überhaupt zugestimmt hätten. Am Ende wäre die gute Schiffbaukonjunktur vielleicht schon wieder vorüber gewesen, hatte sich Karl Heinz Heck überlegt. Zudem fehlen in Deutschland inzwischen geeignete Fachkräfte. Doch nach der Produktionsverlagerung musste Karl-Heinz Heck auch in China viele unerwartete Probleme meisten.

    "Die Neuenfelder Maschinenfabrik ist in China tätig seit 1992. Und zu Anfang war das so, dass zum Beispiel für unsere Stahlqualität diese Stahlqualität in China nicht zur Verfügung war. Das heißt, wir haben diese Kranausleger von Deutschland nach China verschickt. Das Schiff wurde ich China gebaut. So und dann war diese Stahlqualität für diese Kranausleger, war dann in China zur Verfügung, in ausreichender guter Qualität, und dann haben wir uns entschieden, ein eigenes Produktionswerk in China aufzubauen. Und haben dort diesen Stahlbau erledigt."

    Inzwischen hat die Neuenfelder Maschinenfabrik in China ungefähr zehn Millionen Euro investiert. In den kommenden zwei Jahren soll es noch einmal so viel werden. Insgesamt ist die Produktionsanlage für 600 Mitarbeiter ausgelegt. Doch das größte Problem bleibt auch in China die Personalsuche. Kranausleger in entsprechender Qualität fertigen zu lassen, ist zwar inzwischen in China relativ problemlos möglich. Doch für die Montage der komplexen Kranhäuschen fehlen einfach geeignete Facharbeiter. Karl-Heinz Heck musste für diese Erkenntnis viel Lehrgeld bezahlen.

    "Dann sind wir übermütig geworden. Und haben dann gesagt, wir lassen auch diese Kranhäuser dort bauen und schicken alle die Teile, Pumpen, Motoren, Getriebe und so weiter, die schicken wir alle nach China, dann sollen unsere Mitarbeiter in dieser Firma dieses Kranhaus komplett herstellen. Nachdem wir diese Mitarbeiter dann bei acht Krananlagen komplett ausgebildet haben, haben die gekündigt und sind im Grunde genommen dann nach Schanghai gegangen. Weil sie plötzlich Experten waren und dann natürlich auch mehr verdient haben."

    Weil Facharbeiter von den zahlreichen anderen Schiffswerften in China schnell wieder abgeworben wurden, konnte die Neuenfelder Maschinenfabrik viele Liefertermine nicht mehr einhalten. Deshalb verlagerte der Maschinenbauer die Produktion seiner Kranhäuschen wieder zurück ins Alte Land bei Hamburg, von wo aus sie nach China geschifft werden. In China werden heute nur noch die Kranausleger gefertigt. Der Versuch, die gesamte Produktion nach China zu verlagern, hat dem Ruf seiner Firma zeitweise sehr geschadet, resümiert Karl-Heinz Heck. Ein teures Experiment.

    Viele Firmen in Deutschland haben ähnliche Erfahrungen im Ausland gemacht - und daraufhin ihre Produktion wieder nach Deutschland zurückverlagert, sagt Steffen Kinkel vom "Fraunhofer Institut für System und Innovationsforschung". Der Wirtschaftswissenschaftler erforscht seit Mitte der 90er Jahre Verlagerungsentscheidungen der deutschen verarbeitenden Industrie. Neun von zehn deutschen Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagert haben, gaben dafür Kostengründe an. Doch viele wurden nachträglich von einer Kostenexplosion überrascht, urteilt Kinkel.

    "Stellen Sie sich vor, sie machen eine Produktionsverlagerung nach China. Haben einen Seeweg von sechs Wochen dazwischen. Dann müssen Sie entsprechende Sicherheits- und Pufferbestände vorhalten, sei es durch Lager oder durch zusätzliche Produktionskapazitäten. Und das kostet Zeit und Geld."

    20 bis 25 Prozent aller kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagert haben, kommen nach etwa vier Jahren wieder zurück, hat auch Anja Schulz in einer qualitativen Studie festgestellt. Sie arbeitet am Lehrstuhl für Unternehmensforschung der Universität Dortmund. Ihre Doktorarbeit zum Thema Produktionsrückverlagerungen nach Deutschland wurde 2004 mit dem Forschungspreis der Stiftung für Industrieforschung Köln ausgezeichnet. Mit einem regelrechten Tunnelblick hätten die Unternehmen zwar im Vorfeld Lohnkosten, Rohstoff- und Bodenpreise kalkuliert, so das Ergebnis von Anja Schulz. Nachher waren viele Firmen aber von der Komplexität der Auslandsproduktion überfordert und gaben dieses Geschäft völlig erschöpft wieder auf.

    "Ansonsten sind es eben viele Probleme, die zusammenkommen. Qualitätsprobleme. Personalprobleme, dass man vor Ort nicht die richtigen Facharbeiter findet. Menschen, die nicht mitdenken. Die Probleme nicht richtig lösen. Oder aber, dass kleine Unternehmen feststellen, im Ausland ist es gar nicht so billig. Da kommen Reisekosten. Personalkosten. Da kommen Nachbesserungskosten. Übersetzungskosten. Kosten, die entstehen, wenn man Lieferfristen überschreitet, zusammen. Und unter dem Strich ist es gar nicht so billig."

    Ein Grundproblem aller Auslandsverlagerungen: Viele deutsche Manager sind oft schlecht auf die Arbeit in anderen Ländern mit ihren Besonderheiten vorbereitet, sagt der Unternehmensberater Martin Schönheit. Deutsche Manager versuchen ihr eigenes Know-how und ihre Arbeitsweise zu übertragen. Und sind völlig überrascht, wenn sie merken, dass in anderen Ländern andere Regeln gelten. Auch Martin Schönheit, der mit seinem Ingenieurbüro weltweit Fabrikanlagen plant und baut, musste schon oft die eigenen Denkmuster ganz neuen Verhältnissen anpassen.

    "Das ist tatsächlich so, wenn man in die Bilanz schaut, als Betriebswirt tut man das sehr gerne, dann sieht man sofort Personalkosten als Faktor. Wenn Sie nach China zum Beispiel verlagern, wir haben dort für einen Turboladerhersteller eine Fabrik geplant, als wir fragten, wie sind denn die Personalkosten bei Ihnen, da hat man uns gar nicht verstanden. Die Kostenart gibt es in China gar nicht. Man stellt fest, wenn man dann verlagert hat, und man geht in ein Niedriglohnland, dass ganz andere Kosten hier entscheidend sind. So etwa die Transportkosten der Produkte, die man dort erzeugt, zurück in die Märkte. Und am meisten das Thema Qualität."

    Viele Problemfelder haben deutsche Manager gar nicht im Blick, wenn sie ins Ausland gehen, urteilt Martin Schönheit. Sie scheitern später daran, dass eben nicht alles so geordnet ist wie in Deutschland.

    "Leider definieren wir uns in Deutschland immer über die Technologie und Wissen. Aber das Thema Macht und Kultur wird leider viel zu selten reflektiert, wie es erforderlich wäre."

    So starten durchaus nicht alle Unternehmen ihr Auslandsengagement gut überlegt und vorbereitet. Viele stecken in einer tiefen Krise und versuchen durch eine Produktionsverlagerung die Flucht nach vorne. Damit ist ein Scheitern oft schon vorprogrammiert. Auch die Firma Optotec bei Rathenow hatte nach ihrer Auslandsverlagerung zunächst mehr Probleme als vorher.

    Optotec lässt von Zulieferern im In- und Ausland Bauelemente für optische Geräte entwickeln und vorproduzieren. Die Einzelteile werden dann bei Optotec in Kleinserien zusammengebaut. Geschäftsführer Joachim Mertens hatte nach der Wende 1989 ganz von vorn beginnen müssen. Die Rathenower Optischen Werke, einst größter DDR-Hersteller für optische Geräte, waren von der Treuhand geschlossen worden. Mertens, damals Vertriebsleiter, gründete mit "Optotec" eine neue Vertriebsfirma für Optikgeräte. Doch viele seiner neuen Kooperationspartner in Ostdeutschland, die ihre Firmen auch gerade erst gegründet hatten, mussten ziemlich schnell Konkurs anmelden. Plötzlich stand Mertens ohne Zulieferer da.

    "Wir hatten also, wenn man es so sagen darf, eine erste leichte krisenhafte Situation, die schnell bewältigt werden musste, und da besannen wir uns auf die damaligen Kontakte in Bulgarien."

    Während des Sozialismus galt Panagjurischte als bulgarisches Technologiezentrum. Hier wurden optische Geräte für das Militär und Weltraumanwendungen entwickelt; hier lebte eine Vielzahl gut ausgebildeter Fachkräfte. Optotec sah die Chance, an einem Ort mit diesen Voraussetzungen seine neu entwickelten Produkte in einer Hightech-Umgebung mit vergleichsweise billigen Lohnkosten produzieren zu können. Doch die neue Auslandsfertigung wurde viel teurer als vorher berechnet. Reisespesen. Kosten für Nacharbeiten und Abstimmungsprozesse. Erst nachträglich bemerkte Joachim Mertens, dass für eine D-Mark Umsatz ganze neun D-Mark Kosten entstanden waren. Zudem wurde Optotec von den Folgen der politischen Umwälzungen in Bulgarien völlig überrascht.

    "Es gab Wahlen. Im Ergebnis der Wahlen gab es einen Regierungswechsel. Die neue Regierung entließ leitende Kader bis hinunter in die Abteilungsbereiche der Unternehmen, wovon auch viele Fachleute, die für uns die Kooperation dort aufgebaut hatten, betroffen waren."

    Es folgten Wochen dauernde Streiks der Belegschaft. Kein Liefertermin wurde eingehalten, und Optotec musste Monate auf bestellte Bauteile aus Bulgarien warten. Entnervte ehemalige Mitarbeiter verließen den Staatsbetrieb und gründeten eigene Unternehmen. All das brachte für das deutsche Unternehmen nicht vorhersehbare Schwierigkeiten mit sich - und unberechenbare Kosten.

    "Alles was wir da hatten, Werkzeuge, Grundmittel, .... musste nun neu organisiert werden, und im Prinzip mit Leuten, die zeitweilig nicht miteinander konnten. Dass wir mit verschiedenen Mitarbeitergruppen in allen Betrieben waren und .... immer wieder koordinieren, klären mussten, damit diese doch im Vorfeld autarke Produktion sich wieder ordnet und wieder funktioniert. Denn: Geld verdienen wollten ja eigentlich alle unsere Kooperationspartner."

    Inzwischen arbeitet Optotec wieder überwiegend mit deutschen Firmen aus dem nahen Brandenburg. In Panagjurischte werden nur noch einige mechanische Bauelemente gefertigt und zugeliefert.

    Optotec ist kein Einzelfall, sagt die Volkswirtin Anja Schulz. Viele kleine und mittlere Unternehmen seien von den vielfältigen Problemen und Anforderungen ihres Auslandsengagements völlig überfordert.

    "Warum gibt es so hohe Krankheitsstände? Warum gibt es Zeiten, gerade in ländlichen Regionen, wenn Mitarbeiter im Ausland plötzlich zur Ernte müssen und die Produktion dann stilliegt. Das heißt, ein Unternehmen baut Kapazitäten im Ausland auf, produziert, und nach vier Jahren haben sich Probleme aufgetürmt, dass es eben zu Rückverlagerung kommt. Und dann absolutes K.O.-Kriterium, Unternehmen kommen nach Deutschland zurück, wenn sie im Ausland ganz negative Erfahrungen gemacht haben. Und das ist in der Regel, wenn sie im Ausland betrogen wurden, wenn ihr Wissen dort geklaut wird."

    Bei einem der von Anja Schulz untersuchten Unternehmen waren die Maschinenhallen schon ausgeräumt und alle Verantwortlichen untergetaucht, bevor die Produktion zurückverlagert werden konnte. Nicht selten verloren Unternehmen gar ihr gesamtes im Ausland investiertes Kapital.

    "Je nachdem, wie gefährlich oder wie fremd es im Ausland ist, brechen deutsche Unternehmen einfach das Engagement ab. Sie sagen sich, dort einen Rechtsstreit anzufangen, dort selber persönlich mit dem Flugzeug hinzufliegen, auszusteigen und versuchen, seine Maschinen wieder zurückzuholen, ist viel zu anstrengend, viel zu aufwändig, und ich habe kaum Aussichten auf Erfolg. Große Unternehmen verlagern hin, zurück, vor, wie es ihnen gerade in ihre Strategie rein passt. Die Logik für Kleine ist ganz anders."

    Während Produktionsverlagerungen ins Ausland in der Regel große öffentliche Aufmerksamkeit finden, erfolgten Rückverlagerungen jedoch meist im Stillen und heimlich, hat Anja Schulz herausgefunden. Zwar gibt es Firmen, die mit ihrer Entscheidung, die Produktion wieder nach Deutschland oder an europäische Standorte zurückzuverlagern, offensiv an die Presse gehen. Wie zum Beispiel der Stofftierhersteller Steiff. Der hatte erst vor wenigen Wochen bekanntgegeben, der Produktion in China den Rücken zu kehren. Als Grund gab das Unternehmen unter anderem an, durch diesen Schritt die hohe Qualität seiner Produkte sichern zu wollen. Rückkehr als Schritt nach vorn. Doch für viele Firmen ist die Entscheidung zur Rückverlagerung eine Niederlage. Und fast keine Firma will Fehler offen eingestehen. Mit seinen regelmäßigen anonymen Befragungen kam auch Steffen Kinkel vom Fraunhofer Institut zu diesem überraschenden Ergebnis.

    "Wer gesteht gern Managementfehler ein? Wenn wir hochrechnen auf Basis unserer Untersuchung, dann haben in einem Zweijahreszeitraum Mitte 2004 bis Mitte 2006 ca. 1000 Betriebe Teile ihrer Produktion wieder nach Deutschland zurück verlagert. In der Presse liest man vielleicht von zehn Fällen. Das zeigt schon, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist."

    "Es gäbe noch viel mehr Rückverlagerungen, wenn früher das Management wechseln würde. Denn eine fehlerhafte Investitionsentscheidung für einen falschen Standort zu revidieren, ist natürlich ein Eingeständnis von Fehlentscheidungen in der Unternehmensführung. Und das machen nicht unbedingt diejenigen, die die Fehlentscheidung getroffen haben, sondern oft erst der Nachfolger."

    Durch Fehlinvestitionen im Ausland würde oft Kapital vernichtet und Arbeitsplätze an allen Standorten gefährdet, urteilt Wolfgang Nettelstroht, der Rückverlagerungsexperte der IG Metall. Die Gewerkschaften bemühen sich deshalb gemeinsam mit den Betriebsräten, schon im Vorfeld alle Optionen bei Verlagerungsentscheidungen genau prüfen zu lassen. Sehr oft werde von Managern überhaupt nicht richtig analysiert, ob Verlagerungen oder Investition in Deutschland eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit bringen, glaubt Wolfgang Nettelstroht.

    "Und das ist für uns der Anlass, mit unserer Kampagne besser statt billiger, in den Unternehmen die Geschäftsführung aufzufordern, diese Fragen vor Verlagerungsentscheidungen zu stellen, und nicht erst dann, wenn das Kind praktisch im Brunnen liegt, wenn man feststellt, dass Verluste auftreten, weil die Verlagerung nicht so wie geplant läuft."

    Die von den meisten Firmen als Verlagerungsgrund angegebenen niedrigeren Kosten wären in der Realität das schlechteste Argument, sagt Wolfgang Nettelstroht.

    "Betriebe, die diese Prozesse professionell betreiben, fragen erst an letzter Stelle nach dem Vergleich der Lohnkosten. Nominal mag es sein, dass das Einkommensniveau in Tschechien, in Polen, in Ungarn niedriger ist als bei uns. Das ist ins Verhältnis zu setzen zu den Kosten für Personalbeschaffung, weil qualifizierte Fachkräfte in Polen, in Ungarn, sind sehr begehrt. Und werden schnell wieder abgeworben. All diese Faktoren müssen berücksichtigt werden. Dann relativiert sich ganz schnell ein oberflächlich erkannter Vorteil durch niedrigere Lohnkosten in den neuen Standorten."

    Wer neue Märkte sucht oder seine Produktion erweitern will, der könne mit Produktionsverlagerungen durchaus erfolgreich sein, urteilt Wolfgang Nettelstroht. Dadurch würde in der Regel auch Beschäftigung in Deutschland gesichert oder sogar weiter ausgebaut. Geht es aber nur um reine Kostenargumente, scheitern viele Verlagerungen. Bei ihrer qualitativen Analyse von Unternehmensrückverlagerungen traf die Volkswirtin Anja Schulz auf geradezu geläuterte Unternehmer:

    "Jede Firma, die im Ausland sehr negative Erfahrungen gemacht hat, kommt zurück und hat einen vollkommen neuen Blick auf den deutschen Standort und auf die heimische Produktionsstätte. Da werden auf einmal wirklich Mitarbeiter, die vorher nur als sperrig oder im Tarifkonzept gesehen wurden, auf einmal wertgeschätzt. Die sind ja hervorragend ausgebildet, die denken mit. Die sind engagiert. Die fühlen sich verantwortlich. All das, was im Ausland so eins zu eins nicht zu finden war. In den Fällen, in denen ich persönlich zu Besuch war, gibt es Unternehmen die sagen, Internationalisierung im Ausland, nie wieder. Wir produzieren nur noch in Deutschland und exportieren. Das war eine Erfahrung, dass wollen wir nie wieder tun."

    Die Neuenfelder Maschinenfabrik hat gar keine andere Wahl als Teile in China zu produzieren. Dort sind die meisten Schiffswerften weltweit. Dort müssen also auch die Schwerlastkräne zusammen gebaut werden. Doch bei seinem nächsten Versuch der Produktionsverlagerung will sich Geschäftsführer Karl-Heinz Heck auch mehr um kulturelle Aspekte kümmern. Er hat aus seinen Erfahrungen gelernt. Jetzt sollen in China nicht nur eigene Fachkräfte ausbildet werden. Wie in seinem Werk in Deutschland sollen auch die chinesischen Mitarbeiter durch gemeinsame kulturelle Aktivitäten an die Firma gebunden und ihre Herzen gewonnen werden.