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Zweifelhafter Ruhm für Gainesville

Das Städchen Gainesville in Florida hat 120.000 Einwohner. Tagelang waren die Scheinwerfer auf Gainsville gerichtet, als der christliche Fundamentalist Terry Jones zum Jahrestag des 11. Septembers seine Verbrennungsaktion ankündigte und wieder absagte.

Von Bettina Klein |
    Man mag es kaum glauben. Die Fotos in der Zeitung sind echt. Auf einer großen Wiese stehen die Übertragungswagen der Fernsehsender mit ihren Satellitenschüsseln auf dem Dach und lärmenden Klimaanlagen. Dahinter ein bescheidenes Haus mit einem Kreuz, das Dove World Outreach Center. Sonst passiert eigentlich nichts. An der Zufahrtstraße haben sich drei Polizeibeamte postiert. Sie fragen nach dem Führerschein und notieren sich die Autokennzeichen. Jedes. Noch gibt es ein paar Parkplätze auf der Wiese.

    Ein paar Kameraleute warten vor dem Haus darauf, dass Pastor Jones vor die Tür tritt. Aber damit wird frühestens um sechs Uhr abends gerechnet. Also in vier Stunden. Im Schatten sind es über 30 Grad, mit der bekannt hohen Luftfeuchtigkeit in Florida. Was fehlt, ist noch ein Getränkeverkauf, aber wenn das so weitergeht, wird der hier auch bald auftauchen.

    Ist das jetzt alles ernst gemeint? Geht es hier um etwas? Oder nur um einen einzelnen Mann, von dem natürlich ohne Medienpräsenz niemand etwas mitbekommen würde. Noch gehen alle davon aus, dass hier am neunten Jahrestag des 11. September Korane verbrannt werden. Und von riesigen Protestveranstaltungen. Im Augenblick stehen nur ein paar einzelne Menschen in der prallen Mittagssonne, die nicht Journalisten sind.

    "Ich bin hier, um an den Pastor, seine Anhänger und seine Familie eine Botschaft zu übermitteln. Er muss aufhören, er bringt unsere Truppen in Gefahr, unsere eigene Söhne und Töchter, seine eigenen Nachbarn."

    Dieses Argument kennt man aus dem Munde von General Petreaus. Ein Stück weiter kommt ein älterer Mann mit Hund anspaziert. "Ich warte darauf, dass mich auch mal jemand fragt." Und in der Tat es lohnt sich. Wenn man mal eine andere Meinung hören möchte.

    "Er bedroht doch keine Leben. Er will doch nur Bücher verbrennen. Und wenn die das wahr machen, was sie angekündigt haben, nämlich deswegen Menschen zu töten, dann geben sie ihm doch damit Recht. Es ist sein Grundstück, er kann hier soviel Bücher verbrennen, wie er möchte, solange sie ihm gehören, und er nicht meine verbrennen will."

    Unterdessen bewegt sich etwas vor dem Haus. Die Journalistentraube steuert in Windeseile auf ihr Ziel zu. Ein Imam ist erschienen, mit dem hier niemand gerechnet hat. Er steht der islamischen Gemeinde in Zentralflorida vor. Kommt also nicht direkt aus Gainesville. Und hat ein Angebot zu unterbreiten. Es könnte sich um eine Art Geschäft handeln: Keine Koranverbrennung und als Gegenleistung wird das islamische Kulturzentrum in New York etwas weiter entfernt von Ground Zero errichtet.

    Und darauf soll sich der Pastor einlassen? Hat er schon mit ihm darüber gesprochen? Hat er irgendwelche Zusagen aus New York? Die Journalisten nehmen die Sache sehr ernst und erledigen ihre Arbeit gewissenhaft.

    Ein paar Meilen, ein Stück sehr amerikanischer Landstraße zurück in die City Hall - in das Büro des Bürgermeisters. Ein freundlicher ruhiger Mann, der das Image von Gainesville als einer liberalen Universitätsstadt mit hohem Bildungsniveau und ebensolcher Lebensqualität nicht durch seltsame Auftritte eines einzelnen Pastors zerstört sehen möchte.

    "Wir heißen jeden in Gainesville willkommen mit uns zusammenzuarbeiten für eine bessere Stadt und das würden wir der Welt gern so sagen. Diese unglücklichen Ereignisse sind eine Provokation. Wir würden darum bitten, den Kreislauf zu stoppen und diese Aktion nicht durchzuführen."

    Während dessen meldet ein Mitarbeiter - die Koranverbrenung ist abgesagt. CNN bestätigt umgehend: breaking news. Man habe sich geeinigt, so heißt es: Der Moscheebau in New York wird woanders stattfinden. Dafür keine brennenden Korane. Man sieht die Journalisten, Pastor Jones und den Imam im Fernsehen, schwitzend und mit roten Gesichtern in der Hitze auf der Wiese stehen.

    Eine Pressekonferenz verpasst - auf zur nächsten. Um 18 Uhr kommt der Pastor wieder auf die Wiese zu den Kameraleuten. Dieses mal allein, und muss sich nach den Einzelheiten des gefundenen Deals befragen lassen. Da fängt es nämlich an, schwierig zu werden. New York hat schon dementiert. Von einer Einigung zum Moscheebau wisse man nichts. Also, einer hat gelogen. Oder den anderen verladen.

    "Der Imam hat es mir zugesichert", klagt Jones. Der aber sagt, von einer Zusage war nie die Rede. Nur von einem möglichen Gespräch in New York.
    Und auch am nächsten Tag werden die Beobachter nicht schlauer. Wie kommt die Verbindung mit New York zustande? Und werden nun noch Korane verbrannt oder nicht? Die Nachrichtenlage wird immer dünner. Die Uhren scheinen allmählich rückwärts zu gehen. Bis die ganze Aktion abgesagt wird. Für den 11. September jedenfalls.

    Freitag, 10. September. Freitagsgebet. Ende des Ramadan im Islam-Zentrum Gainesville. Auch ein bisschen außerhalb der Stadt, nur in die entgegengesetzte Richtung. Eine liberale islamische Gemeinde, so wird versichert. Als weiblicher Gast kann - muss ich mir aber kein Kopftuch umbinden. Das Gebet wird überwiegend in Englisch abgehalten. Und nach diesen Passagen zu urteilen ist von dem Pastor und seiner Koranverbrennung überhaupt nicht die Rede. Wohl aber von Zeiten, in denen der Glaube auf die Probe gestellt wird. Alles ein einziger Appell, sich im Sinne der eigenen Religion in der und für die Gesellschaft zu engagieren. Achmed al Mahdway gehört zum Leitungsgremium des Islam-Zentrum. Gar keine Spannungen in der Stadt zwischen Christen und Muslimen. Auch jetzt nicht?

    ""Nein absolut nicht," und er lobt den akademischen Zuschnitt der Stadt "die größte Universität Floridas, die vielen Pastoren, Ärzte, Rechtsanwälte, wir essen zusammen, wir beten zusammen, hier gab es nicht einen einzigen Übergriff gegen einen Moslem"

    Etliche Vertreter christlicher Kirchen nehmen teil, an diesem Freitag an diesem Gebet. Pastoren, wie einfache Gemeindemitglieder. Sie wollen ein Zeichen der Solidarität setzten, sagen sie. Zusammenarbeit der vielen einzelnen Kirchen hat ohnehin Tradition in der Stadt. Und irgendwie sind alle stolz darauf.

    "Wir sehen hier das Mitgefühl von Menschen, die sich füreinander interessieren," beschreibt es Reverend Larry Reimer von der United Church of Gainesville. "Christen, Juden, Protestanten, Katholiken - und eben auch Muslime treffe sich, beten zusammen - und sie sagen laut deutlich mit Blick auf den Pastor und die Koranverbrennung, das ist keine christliche Position und auch keine der Stadt Gainesville: Das ist ein Außenseiter."