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Zweifelhaftes Engagement

Die G8- und G-20-Staaten investieren gemeinsam mit großen Konzernen in Projekte in afrikanischen Ländern. Dabei gehe es angeblich darum, Wertschöpfungsketten zu stärken. Kritiker befürchten eine finanzielle Abhängigkeit der Kleinbauern und bemängeln falsche Erfolgsindikatoren für die Projekte.

DLF-Wirtschaftsredakteurin Jule Reimer über Kooperationen im Kampf gegen den Hunger | 16.10.2013
    Benjamin Hammer: Warum engagieren sich die Unternehmen?

    Jule Reimer: Das ist ein ganzer Strauß von Motiven. Eines ist, die Produktivität der Landwirtschaft in Entwicklungsländern stärken zu wollen, auch um sich den Zugang zu den Rohstoffen zu erhalten bzw. ihn zu verbessern - bis hin zu dem Interesse, die eigenen Produkte zu platzieren und sich neue Märkte zu erschließen. Bei der von Ihnen angesprochenen deutschen German Food Partnership, die Entwicklungsminister Niebel initiiert hat, machen BayerCropScience, BASF, K+S Kali als Hersteller von konventionellem und gentechnisch verändertem Saatgut und von Düngemitteln mit, auch die deutsche Verpackungsindustrie und die Metro AG, zu der z.B. Kaufhof und Real gehören. Und in der G8-Allianz für Ernährungssicherheit unter Führung der USA sind beispielsweise der Saatguthersteller Monsanto, Agrarhandelsgrößen wie Cargill und Louis Dreyfus und der weltgrößte Düngemittelhersteller Yara aus Norwegen dabei.

    Hammer: Was kann dieses Engagement bewirken?

    Reimer: Vorab: Die meisten Hungernden weltweit leben auf dem Land, es sind häufig Kleinbauern mit kaum Land, in sehr ärmlichen Verhältnissen. Die genannten Konzerne haben viel Know-how, eine sehr gute Logistik und auch das Geld, um in Straßen, Lagerhäuser und Infrastruktur zu investieren - und genau daran fehlt es in vielen Entwicklungsländern. Dann kommt es darauf an, in was sie investieren: Sind das riesige Monokulturen, die hauptsächlich mit Maschinen bewirtschaftet werden, bei denen wenige schlecht bezahlte, vielleicht auch nur Saison-Arbeitsplätze entstehen, dann bringt das für die Ernährungssicherheit gar nichts, weil zuvor in der Regel irgendwelche Kleinbauern dafür ihr Land aufgeben mussten. Das lässt sich am Beispiel Brasilien gut nachvollziehen - häufig werden auch die lokalen Wirtschaftskreisläufe nicht wirklich gestärkt. Andererseits: Solche Konzerne können natürlich auch Kleinbauern schulen, beraten und als Vertragsbauern zu Partnern machen. Im Tabakanbau funktioniert das häufig ganz gut - bei Kaffee und Kakao auch, wenn die Regeln fair ausgehandelt werden konnten.

    Hammer: Hilfsorganisationen wie Misereor sind skeptisch gegenüber diesem Engagement. Warum?

    Reimer: Sie haben zwei Sorgen. Einmal, dass sich die Kleinbauern zu sehr in finanzielle Abhängigkeiten begeben, wenn sie plötzlich auf chemischen Dünger und die Hochertragssorten zurückgreifen, die ihnen die Multis jetzt anbieten. Denn dieses Saatgut dürfen die Kleinbauern dann nach der Ernte - obwohl bereits käuflich erworben - bei der nächsten Aussaat nur dann für den Nachbau einsetzen, wenn sie erneut Lizenzgebühren zahlen. Und das ist auch der Preis für dieses Engagement der Konzerne: Sie verlangen von Ländern wie Tansania oder Mosambik ein Saatgutgesetz wie in den Industriestaaten, was den Kleinbauern den traditionellen Saatgutaustausch auch der heimischen Sorten verbieten würde, außerdem sollen die Zielländer die Agrar- und Lebensmittelmärkte in jeder Hinsicht liberalisieren. Mit Befremden betrachten die Entwicklungsorganisationen auch die angesetzten Erfolgsindikatoren: Da geht es nicht darum, ob das Einkommen der Kleinbauern in den Zielregionen gestiegen oder die Zahl der Hungernden gesunken ist, sondern als Erfolg gilt, wenn die Investitionen in modernes Saatgut oder Düngemittel gestiegen sind - das kann, aber ist keineswegs automatisch ein Indikator für weniger Hunger in einem Land.