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Zwischen Agrarbeihilfen und Quotenregelungen

In Deutschland protestieren die Milchbauern gegen die Dumpingpreise, die Supermarktketten ihnen aufzwingen wollen. Mit solchen Problemen sind die deutschen Bauern nicht allein. Ähnliche Strukturen entstehen derzeit in Polen: Immer mehr Bauern werden auch dort abhängig von den Lebensmittel-Discountern. Doch damit nicht genug, auch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Florian Kellermann berichtet aus Warschau.

    Der Markt von Ochota, einem Stadtviertel in Warschau. Hier gibt es alles, was man zum täglichen Leben braucht: neben Kleidung und Haushaltsware vor allem Obst und Gemüse, Eier und Fleisch. Alles von Erzeugern aus der Umgebung. Zwei Rentner stehen Kopf schüttelnd vor einem Obststand und studieren die Preise.

    "Alles wird immer teurer, vor allem seit dem EU-Beitritt. Das Kilo Äpfel kostet jetzt schon knapp einen Euro. Immer mehr von unserer Rente geht für Lebensmittel drauf. Unsere Bauern können sich wirklich nicht beklagen."

    Obstverkäufer Rafal Reck, der seinen Kunden heute die Apfelsorte Champion empfiehlt, sieht das anders. Er hat eine zehn Hektar große Obstplantage.

    "Wir verdienen ein bisschen mehr als vor dem EU-Beitritt, aber eben nur ein bisschen. Von den Beihilfen profitieren nur die Großen, vielleicht zehn Prozent der polnischen Bauern. Für uns Kleinen lohnt es sich gar nicht aufs Amt zu fahren, Anträge zu stellen und mit der Bürokratie zu kämpfen. "

    Ein bisschen besser geht es den polnischen Kleinbauern - und das ist eben nicht genug. Denn die Gehälter in anderen Wirtschaftsbereichen steigen rasant - über zehn Prozent waren es in einem Jahr. Da wird es immer schwieriger Arbeitskräfte für die Feldarbeit zu finden. Der Effekt ist von der Europäischen Union sogar gewünscht: Viele kleine Bauern geben auf.

    Zbigniew Wielowieyski, der 30 Hektar Land hat und stolz auf seine Kartoffeln ist, bestätigt den Trend, dem er nicht folgen will:

    "Viele verkaufen jetzt ihr Ackerland, denn die Grundstückspreise sind sehr hoch. Aber ich mache das nicht. Ich hab das Land ja schließlich von meinem Vater geerbt. Es macht mich unabhängig. Sollen andere nur verkaufen und mit dem Geld auf den Mond fliegen. Viele von ihnen werden zu Fuß zurück laufen müssen. Ich meine damit: Sie werden ihr Geld ohne Sinn und Verstand ausgeben."

    Aber auch diejenigen, die das Land aufkaufen, die größeren Bauernhöfe, sind nicht zufrieden. Denn sie bekommen zurzeit nur ein Viertel der EU-Beihilfen, die einem deutschen oder französischen Betrieb zustehen. Die Sätze werden erst in den kommenden Jahren schrittweise angeglichen. Bis dahin darf zwar der polnische Staat seine Landwirte zusätzlich unterstützen. Aber trotzdem bleiben die Bauern in Polen einstweilen deutlich schlechter gestellt, sagt Jerzy Chroscikowski, Vorsitzender der Bauernverbandes Solidarnosc:.

    "Nach dem Beitritt zur EU gab es in manchen Branchen eine regelrechte Euphorie; beim Anbau von Zuckerrüben zum Beispiel. Diese Stimmung hat sich inzwischen gedreht, viele Bauern geben den Anbau von Zuckerrüben auf. Denn die Preise fallen, und die Zuzahlungen aus der EU reichen nicht aus. "

    Eine der Folgen: Die polnische Handelsbilanz für viele Produkte ist negativ. So importiert Polen mehr Schweinefleisch aus der EU, als es in umgekehrt in EU-Länder ausführt.

    Die Bauern aus anderen EU-Ländern sind für polnische Landwirte direkte Konkurrenten. Aber es gibt auch gemeinsame Interessen, etwa gegenüber den Großkunden, den Supermärkten. Seit Jahren wachsen die Umsätze vor allem ausländischer Ketten in Polen gewaltig. .
    In manchen Regionen haben die Supermärkte als Abnehmer schon beinahe eine Monopolstellung, sagt Jerzy Chroscikowski vom Bauernverband.

    "Was soll man sagen, wenn die Bauern ein Kilo Schweinefleisch für weniger als einen Euro verkaufen und die Supermärkte von den Kunden das Fünf- oder Sechsfache verlangen. Bisher gibt es dagegen keine Handhabe. Aber ich finde, wir sollten das bei der EU-Kommission zur Sprache bringen."

    Spätestens 2013 sitzen die Bauern aus Polen und den alten EU-Ländern endgültig in einem Boot. Denn dann werden die Zuzahlungen pro Hektar angeglichen. Dann wird es aber auch einen EU-Haushalt geben. Und keiner weiß, wie viel da überhaupt noch für die Bauern abfällt.