Archiv


Zwischen Bangen und Hoffen

Das ist Chemnitz-Süd. Die Autobahnauffahrt A 72, aber diesmal in Richtung Dresden-Erfurt. So und jetzt befinden wir uns auf Autobahngelände, also wenn er jetzt ordentlich folgt, müsste er sich einbuchen…

Von Frank Capellan |
    Michael Lohse schaut erwartungsvoll auf das Mauterfassungsgerät unter dem Dach seines LKW: Wird sein so genanntes On-board-Unit, das OBU, die Autobahn erkennen? Funktioniert die satellitengestützte Kontrolle seiner Fahrstrecke?

    Ah ja, die A 72, Einfahrt 16…

    Lohse ist zufrieden, die Einbuchung hat geklappt, wenig später der nächste Test für das High-Tech-Gerät: Kreuz Chemnitz Nord, Lohse steuert seinen 500 PS starken Sattelschlepper auf eine andere Autobahn.

    Jetzt auf dieser Strecke , da müsste er sich umschalten auf die A 4, jetzt könnte es irgendwo piepsen, auf dem Stück, und er schaltet wieder um. Jetzt hat er geschaltet, so jetzt sind wir auf der A 4, jetzt müsste er sich eigentlich einbuchen auf die A 4 , jetzt, jetzt müsste er auf die A 4 gesprungen sein, so, und jetzt fahren wir weiter Richtung Chemnitz Ost, dann muss er zwischendrin irgendwann die Ausfahrt Chemnitz Ost kenntlich machen, weil das der nächste so genannte Entscheidungspunkt ist…

    Michael Lohse kennt sich aus mit der neuen Technik, der leicht untersetzte Mann aus Chemnitz ist Spediteur mit Herz und Blut. Jeder seiner 25 Schwerlastwagen ist schon seit Wochen mit einem OBU ausgestattet. Als Präsident des sächsischen Spediteursverbandes hat Lohse an der gut zweimonatigen Testphase des neuen Mautsystems teilgenommen. Allzu optimistisch blickt der Mittfünfziger dem Ende der Weihnachtsferien nicht entgegen.

    Ich bin fest der Meinung, dass wir am dritten Januar das erste – zwar nicht riesige – Chaos haben werden, aber die richtigen Probleme wird´s sicherlich am 10. in der Nacht geben, vom 9. auf den 10., denn dann fahren auch die deutschen Fahrzeuge los und unsere westlichen Partner, und dann wird es sicherlich an den Grenzen horrende Probleme geben!

    Autobahn 4, Ludwigsdorf, deutsch-polnische Grenze: im Auftrag von Toll Collect erklärt Grazina Grabowicz einem polnischen LKW-Fahrer, wie er am Automaten die Gebühr für die Fahrt durch Deutschland entrichten kann. Die junge Frau ist eine von mehr als 5000 Helfern, die in diesen Tagen Überstunden schieben. Denn alle LKW, die kein OBU eingebaut haben, müssen sich an einem der 3700 Automaten einbuchen, die überall an Deutschlands Grenzen an Raststätten und Grenzübergängen aufgestellt wurden:

    Die stellen sich einfach dahin und sagen: Ja, sagen Sie mal, wie das funktioniert! Dann stelle ich mich dahin und sage: Drücken Sie hier drauf. Dann sehen sie ja auch schon die Maske. Also ich persönlich denke, das ist sehr einfach gelöst!

    Die Toll-Collect-Mitarbeiterin ist zuversichtlich. Lange Staus wird es nicht geben, wenn das System ab Montag im Volllastverkehr arbeitet. Sprachschwierigkeiten wird es nur anfangs geben. Sie hält die Bedienung der Automaten für ein Kinderspiel. Vor allem Fuhrunternehmer aus Osteuropa verzichten aus Kostengründen auf den Einbau der automatischen Erfassungsgeräte, deutsche Spediteure allerdings, die unentwegt auf deutschen Autobahnen unterwegs sind, kommen kaum daran vorbei, sich die OBU zuzulegen. Eine Investition, die nicht ohne ist, wie Michael Lohse bei der Ausrüstung seines Fuhrparks selbst erleben musste:

    Die Einbaukosten betragen zwischen 350 und 1000 Euro, für das einzelne Fahrzeug, und das auf eine große Flotte gesehen, das ist schon eine große Investition, die wir vorliefern müssen.

    Dennoch sind mittlerweile Geräte in etwa 300.000 LKW betriebsbereit. Unter anderem war es auch die nicht ausreichende Bereitstellung dieser OBU, die vor gut einem Jahr dazu geführt hatte, dass die Maut nun 16 Monate später startet, als eigentlich geplant. Das Maut-Konsortium bestehend aus Daimler Chrysler, der Deutschen Telekom und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute will das deutsche Erhebungssystem zum Exportschlager machen, als die Verträge im September 2002 – zwei Tage vor der Bundestagswahl – unterschrieben werden. Von den Pannen, die da auf ihn zukommen würden, kann der damalige Verkehrsminister, Kurt Bodewig (SPD), noch nichts ahnen. Nicht ohne Stolz spricht er von einem wegweisenden System für Europas Straßen:

    Deutschland wird in einem solchen System eine internationale Vorreiterrolle einnehmen, denn es wird keine Mauthäuschen geben, keine besondere Spurbindung und keine durch die Mauterhebung veranlasste Geschwindigkeitsbegrenzung.

    Doch statt zum Exportschlager wird das neuartige Mautsystem schnell zu einer der größten Blamagen für "Made in Germany". Am 31. August 2003 soll der Startschuss für die Maut fallen, doch schon einige Monate vorher zeichnet sich ab, dass der Termin nicht zu halten sein wird. Zwar sind überall an den Autobahnen die Mautbrücken zur Erfassung der LKW aufgestellt, doch woran es mangelt, sind die autoradiogroßen Empfangscomputer. Die viel zu wenigen Geräte, die eingebaut wurden, erweisen sich zudem als nicht zuverlässig – das System läuft nicht rund. Verkehrsminister Manfred Stolpe zieht schließlich die Notbremse und verschiebt den Mautstart erst einmal um zwei Monate, trotzdem verbreitet der SPD-Politiker damals noch Zuversicht:

    Der Probebetrieb hängt noch an ein paar inzwischen identifizierten offenen Fragen. Jetzt weiß man, woran die Probleme liegen und dass sie lösbar sind. Und das wird in den allernächsten Tagen erarbeitet. Dann geht der richtige förmliche Probebetrieb los.

    Michael Rummel, damals Geschäftsführer von Toll Collect, will von technischen Schwierigkeiten jedoch nichts wissen. Er schiebt die Verzögerung vor allem darauf, dass die Nachfrage nach den Obus viel größer gewesen sei als ursprünglich kalkuliert. Tatsächlich sollten zum Start des Systems eigentlich lediglich 150.000 Geräte bereit stehen, im Sommer 2003 aber ist von 400.000 Stück die Rede. "Dafür brauchen wir mehr Zeit", signalisiert Rummel:

    Wir hatten ja ursprünglich einen Vertrag mit dem Verkehrsministerium, 150.000 Endgeräte in den Verkehr zu bringen. Es hat sich jetzt in den letzten Wochen herausgestellt, dass die einzig akzeptierte Möglichkeit der Einbuchung in das LKW-Maut-System diese elektronische Abrechnungsgerät sein wird, alles andere wird als Verlust an Komfort und Zeit empfunden, und deswegen war es oberstes Ziel, möglichst hohe Stückzahlen bereitzustellen.

    Das Bundesamt für Güterverkehr, das den Systemaufbau kontrolliert, stellt allerdings schon damals fest, dass die Technik noch nicht ausgereift ist.

    Die Funktionsprüfungen sind nicht abgeschlossen oder müssen zum Teil wiederholt werden. Mit dem Masseneinbau der OBU wurde noch nicht begonnen. Die Mautstellen sind nicht in Betrieb genommen. Und der vorgegebene zweimonatige Probebetrieb konnte nicht gestartet werden.

    Doch auch ein zweimonatiger Aufschub reicht der Toll-Collect-Mannschaft nicht – bereits im Oktober muss der Mautstart abermals vertagt werden – diesmal auf unbestimmte Zeit. Verkehrsminister Manfred Stolpe gerät nun zunehmend unter Druck: Allein für 2003 waren 680 Millionen Euro Mauteinnahmen fest gebucht – knapp etwa 2,2 Milliarden Euro für das Jahr 2004 stehen in den Kalkulationen der Haushaltsplaner. Weil die Einnahmen fehlen werden, müssen wichtige Verkehrsprojekte im Bahn- und Straßenbau gestrichen werden. Stolpe zieht in Betracht, die Vereinbarung zu kündigen und mit einem neuen Betreiber einen neuen Anlauf zu wagen. Bundeskanzler Gerhard Schröder drängt allerdings darauf, das Projekt mit Daimler Chrysler und Telekom zum Erfolg zu führen:

    Niemand kann ein Interesse daran haben, dass diese beiden bedeutenden deutschen Unternehmen, dass die das nicht hinbekommen. Niemand kann ein Interesse daran haben, weil die Alternativen auch nicht berauschend sind. Ich verstehe ja alle, die darüber ärgerlich sind. Was glauben Sie, wie ärgerlich ich darüber bin und der Verkehrsminister erst recht, denn der kann ja nichts daran tun. Der kann ja schlecht die Units selber einbauen.

    Tatsächlich fehlt es an einer echten Alternative. Zwar würden Konkurrenten den Großauftrag gern übernehmen, doch lange Ausschreibungsvorschriften würden dazu führen, dass ein ganz neues System frühestens nach anderthalb Jahren in Betrieb gehen könnte. - Im Dezember 2003 schließlich macht Verkehrsminister Manfred Stolpe einen neuen Anlauf, Toll Collect zu einer verbindlichen Aussage zu bewegen. Mit einem letzten Ultimatum versucht der Minister, das Konsortium zur Festlegung auf einen Starttermin und zu Verhandlungen über Schadensersatz zu zwingen. Bis weit in den Februar wird darum gerungen, vergeblich: Nach einem nächtlichen Verhandlungspoker sind es ungeklärte Haftungsfragen, die zunächst zu einem Scheitern des Maut-Vertrages führen: Am Morgen des 17. Februar 2004 gibt Minister Stolpe überraschend bekannt, dass er die Zusammenarbeit mit Toll Collect beenden möchte.

    Es wird erwartet, die bisher unbegrenzte Haftung abzusenken auf eine Größenordnung von etwa 500 Millionen. Diese Haltung lässt uns einfach vermuten, dass die Vertragspartner Daimler Chrysler Debis, Telekom und Cofiroute selbst nicht ausreichend Vertrauen haben zu der Technologie, die sie anbieten, sonst würden sie nicht solche Totalabsicherungen vornehmen wollen.

    Das satellitengestützte Maut-System "Made in Germany" steht vor dem Ende, der Minister spricht die Kündigung aus, der Kanzler lässt seinem Ärger freien Lauf:

    Das ist nicht gescheitert an der Politik, das muss man mal sehr deutlich sagen, sondern an den technologischen Schwierigkeiten, die die Unternehmen zu verantworten haben, die das Konsortium zu verantworten hat, und erst recht können wir nicht akzeptieren, dass vor dem Hintergrund der nicht erfüllten Verpflichtungen, die das Konsortium übernommen hat, nun eine so einseitige Lastenverteilung vom Konsortium vorgeschlagen wird, das ist kein Umgang!

    Doch die Politik erhält eine neue Chance – der Kündigungsvertrag gibt den Auftragnehmern das Recht, innerhalb von zwei Wochen einen neuen Vorschlag vorzulegen – und das Angebot kommt. Am Ende erklärt Bundeskanzler Gerhard Schröder die wieder aufgenommenen Verhandlungen zur Chefsache:

    Wir wollen und wir werden in Deutschland und Europa und darüber hinaus zeigen, dass am Innovationsstandort Deutschland dieses System etabliert werden kann!

    Der Rettungsversuch hat Erfolg: Am 29. Februar 2004 verkünden die Beteiligten die Einigung. Der Telekom-Vorstandsvorsitzende Kai Uwe Ricke:

    Wir haben vereinbart, mittels einer On-board-Unit, der so genannten On-board- Unit 1, spätestens bis zum 1. Januar 2005 mit der Mauterhebung zu beginnen. Ab dem 1. Januar 2006 wird dann die endgültige Lösung mit der OBU 2 folgen!

    Die Einigung fällt schließlich doch ganz im Sinne der Bundesregierung aus. So soll Toll Collect im ersten Jahr des Mautbetriebs auf fünf Prozent seiner Einnahmen verzichten. Vor allem aber werden die Haftungsansprüche geklärt: Läuft das System in den ersten zwölf Monaten nicht, dann wird eine Vertragsstrafe von 780 Millionen Euro fällig, für weitergehende Schadensersatzforderungen wird eine Obergrenze von einer Milliarde Euro festgelegt, ab 2006 soll dann sogar eine unbegrenzte Haftung gelten. Daimler Chrysler Chef Jürgen Schrempp macht keinen Hehl daraus. Zu diesem Kompromiss ist es vor allem gekommen, um zwei deutsche Unternehmen von Weltrang vor einer totalen Blamage zu bewahren.

    Es geht hier nicht nur um geschäftliche Möglichkeiten und damit natürlich um Arbeitsplätze, es geht genauso auch um die Reputation der beteiligten Unternehmen und das Ansehen der deutschen Wirtschaft in der ganzen Welt!

    Die verbindlichen Regelungen in puncto Schadensersatz betreffen allein eventuelle Pannen in der Zukunft. Was bis heute aussteht, ist die Klärung von Schadensersatzansprüchen, die aus den Mautausfällen aus der Verschiebung vor einem Jahr resultieren. Anfang September dieses Jahres leitet die Bundesregierung ein Schiedsverfahren gegen Toll Collect ein. Der Verkehrsminister fordert 4,7 Milliarden Euro. Wie viel er bekommen wird, vermag niemand abzuschätzen. Ein geheimer Bericht des Bundesrechnungshofes soll scharfe Kritik an den Vereinbarungen üben, die Stolpes Vorgänger Bodewig mit dem Konsortium getroffen hat. Dass dieses Papier auch ihm weitere Schwierigkeiten einbringen könnte, glaubt Stolpe allerdings nicht:

    Ich bin ja Erbe, Sie nehmen ein Erbe an, dann müssen Sie dafür gerade stehen. Also, dass der Bundesrechnungshof sich damit auseinandersetzt, ist sein gutes Recht!

    Mitte Dezember kann Manfred Stolpe erst einmal eine gute Nachricht verkünden. Nach zehnwöchigem Probebetrieb mit 70.000 LKW erteilt er endlich die vorläufige Betriebserlaubnis für die Maut: Start am 1.1.2005:

    Sie wissen, dass für mich persönlich da 1 1/2 Jahre Folter mit verbunden waren , aber heute kann ich sagen, dass die Beharrlichkeit, dieser Langstreckenlauf, diese Geduld, sich gelohnt haben!

    Jetzt schaltet er erst mal alle Funktionen durch, jetzt zeigt er Achszahl zwei, da wir einen Sattel dran haben, müssen wir auf fünf gehen.


    Michael Lohse sitzt wieder hinter dem Steuer, der Spediteur startet zu einer neuen Tour, schaltet sein Mautgerät ein.

    So das bestätigen wir mit Okay, Kostenstelle ist null, die hat er noch nicht zugeordnet. Jetzt sehen Sie oben, wo die 0,0 Euro stehen und unten die Zeile, wo mautfrei steht, das muss weggehen, wenn wir jetzt auffahren.

    Zulässiges Gesamtgewicht, Achsenzahl und Schadstoffklasse. Diese Kriterien ermitteln künftig die Höhe der LKW-Maut. Die Gebühr liegt zwischen neun und 14 Cent pro Kilometer. Ein Brauereifahrer rechnet vor, dass für seinen 40 Tonner durchaus 15.000 Euro im Jahr zusammen kommen können. Kaum vorstellbar, dass diese Summe nicht am Ende an den Verbraucher weitergegeben wird, steigende Preise für viele Produkte dürften die Folge sein. Viele Kunden verlangen schon jetzt von den Spediteuren, dass die reinen Mautkosten detailliert aufgeführt werden, und Fuhrunternehmer Lohse sieht da einen Haufen zusätzlicher Arbeit auf sich zukommen.

    Für mich hängt daran, dass ich ein sehr genaues Controlling machen muss aus zwei Gründen: Erstens bin ich nicht willens mehr zu zahlen als das, was wir wirklich für die Autobahn gebraucht haben. Das zweite, das bin ich meinen Kunden schuldig, weil die Kunden wollen ja transparent wissen, wie viel Mautgebühr ich für ihren Fahrauftrag inklusive Leerkilometer verwendet habe. Wenn dann natürlich Ungerechtigkeiten schon bei der Berechnung von Toll Collect sind, können wir das unmöglich weitergeben!

    Zurück an der deutsch-polnischen Grenze: Beruslaw Belak startet seinen 40 Tonner. Der polnische Spediteur kommt mit seinem alten Mercedes aus Breslau, hat eine Fahrt nach Hannover vor sich. Gerade hat er sich von den Toll-Collect-Mitarbeitern am Automaten zeigen lassen, wie er künftig die Maut zu bezahlen hat:

    Ich habe das System jetzt ein- zweimal ausprobiert, ich finde man kann es gut bedienen. Ich glaube, es geht so!

    Ein paar Meter weiter steht Grazina Grabowicz, die Helferin von Toll Collect mit einem anderen LKW-Fahrer vor einem Maut-Terminal. Zwei Männer in schmutzigen Jeans bleiben neugierig stehen, als sie dem polnischen Kollegen die Bedienung erläutert. Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch versteht der Automat. Russen, Ukrainer, Letten, Bulgaren oder die vielen Fahrer anderer Nationen dürften Probleme bekommen, wenn die Toll Collect Helfer mal nicht mehr vor Ort sind, auch wenn das Maut-Konsortium gern auf ein selbsterklärendes Faltblatt verweist, das anhand der Piktogramme auch ohne Sprachkenntnisse verständlich sei.

    Bis jetzt habe ich keine negativen Berichte gehört, dass die Fahrer das nicht verstehen, das ist wirklich okay. Die informieren sich und machen mit!

    Die Frau von Toll Collect ist zuversichtlich, dass der Mautstart auch bei allen, die ohne OBU im Wagen unterwegs und auf die Automaten angewiesen sind, funktionieren wird. "Der Teufel wird am Ende im Detail stecken", meint dagegen ein polnischer Unternehmer:

    Beim Terminal kann ich mir vorstellen, dass das problematisch wird. Wenn man zum Beispiel nur für fünf Minuten ein kurzes Stück auf die Autobahn fährt. Ich fahre mitunter mehrmals kurz auf die Autobahn und dann wieder runter, da denke ich, ist das mit dem Terminal nicht so gut, mit der OBU müsste das funktionieren.

    Auch Michael Lohse, der Vorsitzende des sächsischen Spediteurverbandes, kann sich kaum vorstellen, dass die vielen ausländischen Kollegen das System ohne Probleme in den Griff bekommen werden:

    Stellen Sie sich mal einen Ausländer vor, der die Landkarte Deutschlands nicht kennt, der in Frankfurt/Oder ankommt, ein Russe, und weiß, ich will nach Gelsenkirchen oder nach Essen, und jetzt stellen Sie sich mal vor, alleine im Ruhrgebiet, das Autobahngebiet, und wer der sich darauf verlässt, dass er dort angibt, ich will dort und dort hin, dann berechnet der Computer mit Sicherheit nicht die kürzestes Strecke. Dann kann es ihm sogar passieren, wenn er die längste Strecke berechnet gekriegt hat, er aber unterwegs auf die Karte guckt, und sich sagt, Mensch, kannste doch eigentlich auch so rum fahren, dass er dann auf diesem Stück Autobahn als Mautpreller anerkannt wird, obwohl er für die längere Strecke bezahlt hat.

    Für die Überwachung ist das Bundesamt für Güterverkehr zuständig. Allein 500 Mitarbeiter sind für die Kontrolle verantwortlich. Mautpreller müssen mit empfindlichen Strafen, im Wiederholungsfall mit bis zu 20.000 Euro rechnen.

    Gespannt wartet nun alles auf die Nacht vom 2. auf den 3. Januar 2005. Der 3. Januar ist der erste Werktag im neuen Jahr, dann muss sich beweisen, wie das neue System unter großer Belastung funktioniert, ob es an den Grenzen, wo sich ausländische Brummi-Fahrer an den Terminals einwählen, zu langen Staus kommt. Toll Collect will das unter allen Umständen verhindern, ein Manager des Unternehmens kündigt deshalb an:

    Das System wird nicht am 1. Januar null Uhr scharf geschaltet, das System wird am 29. Dezember null Uhr scharf geschaltet, weil jeder Teilnehmer am manuellen Verfahren sein Ticket drei Tage vorher reservieren kann. Das heißt, wir haben hier noch eine entsprechende Zeit, die Warteschlangen an den Mautterminals zu verkürzen. Man muss nicht bis zur Abfahrt warten, um sein Ticket zu ziehen, sondern man kann es drei Tage vorher tun.

    Doch selbst wenn lange Schlangen vor den Terminals ausbleiben – eine Garantie für einen reibungslosen Start für die Maut im dritten Anlauf ist das noch nicht. "Ein so kompliziertes System kann nicht ohne Fehler funktionieren", hatte ein hoher Toll-Collect-Verantwortlicher schon vor zwei Wochen kleinlaut erklärt, so als ahne er bereits weitere Pannen. Die großen selbstbewussten Worte der Anfangszeit, mit denen die Hochtechnologie angepriesen wurde, sind jedenfalls längst verstummt. Zwar macht das Unternehmen auf Optimismus, doch die Fehler und Probleme, die Fahrern wie Michael Lohse in der letzten Testphase aufgefallen sind, dürften den Verantwortlichen nicht verborgen geblieben sein:

    Außerdem haben wir festgestellt, dass auf gleicher Fahrstrecke die OBU unterschiedliche Ergebnisse bringen. Ich bin der Meinung, dass das alles ausreicht – auch die Ausfallquote der Geräte, die ich mittlerweile hatte, die schon wieder ausgetauscht wurden – dass das weit mehr als 0.5 oder ein Prozent Ausfall sind oder Ungenauigkeit.