Archiv


Zwischen Gebirgen und Metropolen

Ameli Neureuther stammt aus einer prominenten Familie: Mutter, Vater und Bruder sind alle erfolgreiche Skisportler. Doch Ameli schlug eine Laufbahn als Künstlerin und Modedesignerin ein - und ist damit nicht weniger erfolgreich als der Rest der Familie. Trotzdem sagt auch sie: "Die Berge sind meine Wurzeln".

Von Andi Hörmann | 21.02.2013
    "Das ist eigentlich ein Ort, an dem ich sehr gerne bin, weil ich hier im Winter sehr viel Ski fahre. Wir sind jetzt gerade am Kreuzjoch-Hang und spazieren Richtung Bayernhaus."

    Schneebedeckte Nadelbäume an den Berghängen und weiche Flocken in der Luft dämpfen das Rattern der Skilifte auf dem Kreuzeck in Garmisch-Partenkirchen. Jeder Schritt im Schnee: ein Stapfen und Knirschen. Ein alpenländisches Idyll, ein Winter-Wunderland auf gut 1300 Höhenmetern.

    "Die Berge sind meine Wurzeln: Da muss ich mindestens einmal im Monat wieder nach Garmisch. Man schätzt es dann auch immer mehr, wenn man mal weg war und auch so ein anderes Leben führt. Dann braucht man auch mal wieder Ruhe und Natur - eben die Heimat."

    Vor uns ein Berggasthof: rustikale Holzfassade, geschnitzter Balkon, die Terrasse mit massiven Bänken und Tischen. Die Tageskarte am Eingang - geschrieben mit weißer Kreide auf schwarzer Tafel.

    "Jetzt kehren wir ein. Jetzt sind wir hier gerade am Bayernhaus. Ich hoffe es hat offen. Es gibt knusprigen Schweinebraten mit Sauerkraut und Kartoffelknödeln."

    1981 kommt Ameli Neureuther in München zur Welt. Ihre Mutter, Rosi Mittermaier: dreifache Medaillensiegerin bei den Olympischen Winterspielen 1976. Der Vater, Christian Neureuther: sechsfacher Slalom-Weltcup-Sieger. Ihr Bruder Felix Neureuther hat sich 2013 seine erste Einzelmedaille bei einer Ski-Weltmeisterschaft erkämpft.

    "Es hat glaube ich schon dazu geführt, dass ich gesagt habe: Ich muss raus, ich muss weg, ich muss mein Ding machen. Das war mir immer sehr wichtig, dass ich auch für das die Anerkennung bekomme, was ich mache."

    Mit 16 entscheidet sich Ameli Neureuther gegen den Skizirkus, tauscht die alpenländische Provinz gegen die kreative Metropole. Zuerst München: Fachabitur in Gestaltung. Dann "Arts & Science" in Cambridge. Zurück in München: Studium an der internationalen Modeschule Esmod. Schließlich New York: ein Engagement beim Modelabel Marc Jacobs. In Berlin wird Ameli Neureuther zur Designerin bei der Modemarke "Wunderkind" unter der Leitung von Wolfgang Joop. Design, Kunst und Mode statt professionellen Ski-Sports im Schoß der Familie. Und trotzdem knüpft sie an eine alte Familientradition an: das Kunsthandwerk.

    "Mein Ururgroßvater, der hat die Gedichte von Goethe verziert. Wir haben daheim ganz viele von diesen Gedichten mit diesen Randverzierungen. Es gab auch einen regen Briefaustausch mit Goethe. Es gibt auch die Neureutherstraße in München, die ist nach meinem Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater benannt. Das waren alles Künstler. Also meine Eltern und mein Bruder stechen eher raus, aus der Familie - als ich." (Lacht)"

    Die Bergbahn bringt uns wieder hinunter ins Tal nach Garmisch. Am Sichtfenster der Gondelkabine schmelzen Eiskristalle und ziehen Schlieren auf der Glasscheibe. Darauf spiegelt sich das Gesicht von Ameli Neureuther: markante Wangenknochen und haselnussbraune Augen. Ihre Fingernägel sind neonpink lackiert. Das Bild einer Künstlerin, die auch Mode designt. Und auch bei ihr glänzt die Schönheit trotz Makel: Eine kaum sichtbare Narbe am Haaransatz ihrer hohen Stirn erzählt eine Geschichte aus ihrer Kindheit - von einer eigensinnigen, lebendigen Persönlichkeit.

    ""Das ist nicht dein Ernst! Hast Du die gesehen? Wie alt war ich da? Neun. Da war ich bei meinem Opa auf der Winklmoosalm, hab dort geschlafen und bin in der Früh aufgestanden und bin ans Bett-Kasterl gerannt - mit dem Kopf voraus."