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Zwischen Militärstrategie und Erdölvorkommen

Die Streitkräfte der USA und Südkoreas haben ihr gemeinsames jährliches Großmanöver vor der koreanischen Halbinsel begonnen. Das Regime in Nordkorea hatte beide Länder gebeten, die Manöver abzusagen. Ohne Erfolg. Die USA scheinen Nordkorea nicht zu trauen und setzen auf militärische Machtdemonstration.

Von Silke Hasselmann, Studio Washington |
    Wie immer kommt es auf die Perspektive an: des einen Militärmanöver sind des anderen Störmanöver. Im Juni beschwerte sich China bitterlich darüber, dass Vietnam gemeinsam mit dem früheren Erzfeind USA ein Militärmanöver im Südchinesischen Meer abgehalten hatte. Derzeit führt Nordkorea Klage über die Übungen der südkoreanischen Nachbarn mit dem US-Militär. Gerade sei man mit den Amerikanern ein kleines Stück weitergekommen, warum nun diese "schlimmste Krise in der Geschichte der Halbinsel"? Weil man Südkorea nicht alleine lassen darf, und weil der Norden nicht zur Vernunft kommt sagt Douglas Paal Chef des Washingtoner Asien-Institutes: Nordkoreas strategisches Interesse würden darin bestehen, seine Atomwaffen zu behalten und als Staat zu überleben. Das jedoch seien nicht Amerikas Ziele
    "Wir wollen, dass sie ihre Atomwaffen aufgeben und es kümmert uns nicht, ob sie als unabhängiger Staat überleben. Das Problem: es ist leichter, auf der Koreanischen Halbinsel in einen Kriegszustand zu kommen als Frieden zu bewahren, und wir halten es für wichtig, den Frieden zu bewahren. Das Ziel lautet, Militäraktionen durch einen diplomatischen Prozess, durch Gespräche zu ersetzen. Doch unsere Erwartungen sind niedrig: erst einmal wird es wohl nur darum gehen, Frieden zu erhalten, ohne das Problem des Atomwaffenprogramms zu lösen."

    Nächstes Jahr werden in Südkorea und in den USA Präsidentschaftswahlen abgehalten, während in China ein Wechsel an der Spitze der Kommunisten Partei bevorsteht. Ein überaus wichtiges Jahr also für die Anrainer des Südchinesischen Meeres. Nordkorea will den Wahlausgang beim südlichen Nachbarn in seinem Sinne beeinflussen.
    Taiwan hofft, dass es auch weiterhin Waffenwünsche nach Washington kabeln kann und dort erfüllt bekommt. Der US-Kongress fühlt sich nach wie vor an ein Gesetz zur militärisch notwendigen Ausrüstung der Insel gebunden, hat aber immer stärker auch die legitimen Interessen Chinas im Blick.

    Und dann ist da der Anspruch Pekings auf ungefähr vier Fünftel des riesigen Gewässerterritoriums, darunter tausende Kilometer entlang der Küsten der Philippinen, Malaysias und Vietnams. In diesem Sommer führte sich China besonders aggressiv auf, wie auch die US-Medien besorgt berichteten:

    "Die Philippinen beschuldigten China, in den letzten Monaten ihre Ölerkundungsschiffe schikaniert zu haben, während Vietnam China bezichtigte, seine Fischer zusammengeschlagen zu haben.", berichtete der nationale Radiosender NPR im Juni. China habe "Zwischenfälle eingeräumt, aber erklärt, sie hätten in chinesischem Gewässer stattgefunden". "

    Seit den 70er-Jahren werden große Öl- und Gasreserven im Südchinesischen Meer vermutet, und mehr denn will sich das energiehungrige China den Zugriff darauf sichern. Doch so sehr einige US-Unternehmen dabei sind, für die Chinesen Öl und Gas zu fördern, so sehr sehen sie ihre Geschäfte mit Ländern wie Vietnam behindert, erklärt Douglas Paal, ehemaliger Botschaftsvertreter in Indonesien und Taiwan und heutiger Chef des Asien Institute in Washington.

    ""Amerikanische und andere internationale Öl-Unternehmen wurden entmutigt, mit den Vietnamesen Verträge über die Ausbeutung jener Lagerstätten zu unterzeichnen, die Vietnam für sich beansprucht. Anderenfalls, so die Chinesen, würden sie gegen die Interessen der Unternehmen vorgehen. Erst vor kurzem schickten sie ein Überwachungsschiff in ziemlich eindeutig vietnamesische Gewässer und zerschnitten die Messkabel eines Erkundungsbootes, das im Auftrag eines Öl- und Gasunternehmens unterwegs war. Eine ziemlich feindselige Aktion auf See, und so etwas kann ziemlich schnell einmal dazu führen, dass Kriegsschiffe zum Schutz von Wirtschaftsunternehmen losgeschickt werden."

    Folglich meldete der nationale Radiosender NPR am 22. Juli:

    "Spannungen nehmen zu nach den jüngsten Konfrontationen zwischen chinesischen und vietnamesischen Schiffen. Heute erklärte China, es werde nicht mit Gewalt reagieren. Doch es forderte zugleich andere Staaten auf, sich aus dem eskalierenden Streit herauszuhalten."

    Das ging in Richtung USA, genauer: Richtung Hillary Clinton. Die Außenministerin hatte zunächst bei ihrem Besuch in China und anschließend beim ASEAN-Treffen der südostasiatischen Nationen in Bali beklagt, dass die Zahl der Einschüchterungsversuche, des Rammens und des Zerschneidens von Kabel gestiegen sei:

    "All das wird die Kosten für jeden in die Höhe treiben, der Geschäften nachgehen will und über das Südchinesische Meer reist, was die Hälfte des gesamten Welthandels ausmacht."

    Doch es gibt noch einen Grund für die USA, sich so stark auf diesen Teil des Pazifischen Ozeans zu konzentrieren und sich auch hierbei gegen China durchzusetzen. Offiziell ist es dem Weißen Haus um "die Freiheit der Schifffahrt" zu tun. China entgegnet regelmäßig, dass sich jedes Jahr 90.000 Handelsschiffe frei bewegen - kein Problem also. Nirgends. Doch beide Seiten wissen: es geht gar nicht um Handelsschiffe, sondern um amerikanische Beobachtungsboote, die sich von China überwacht und behindert fühlen. Kein Wunder: China erweitert und modernisiert gerade seine See- und Luftstreitkräfte. Aber, so Douglas Paal:

    "Es liegt im Interesse der USA, zu wissen, wie und wo China diese Fähigkeiten einsetzt. Deshalb beobachten wir routinemäßig was China tut. . China hätte lieber, wir wüssten es nicht. Wir wollen unbedingt wissen, wo sie sich befinden, so dass wir im Krisenfall damit umgehen können."

    Womit sich der Kreis schließt. Denn viele Beobachter setzen die Bedeutung des Südchinesischen Meeres mit der des Persischen Golfes gleich - was die erhofften Öl- und Gasvorkommen angeht und in der Folge auch seine militärstrategische Bedeutung. Diese Woche reiste US-Vizepräsident Joe Biden nach Peking. Auf seiner Themenliste ganz oben: die Konfliktherde am Südchinesischen Meer, die auch nach der Einschätzung von Asienkenner Douglas Paal "ziemlich leicht explosiv werden können" - ob auf der koreanischen Halbinsel, in Taiwan oder an den Küsten von Vietnam, Philippinen, Malaysia.

    "Würde China seine Vormachtstellung benutzen, um seine Ansprüche mit Nachdruck durchzusetzen, dann würden nicht nur die Südost-Asiaten darauf reagieren, sondern die ganze Welt. Es würde zu noch mehr Spannungen führen. Das wissen die Chinesen. WIR wollen vor allem, dass die Probleme im Südchinesischen Meer friedlich behandelt werden, denn wir verstehen ziemlich gut, dass es viel billiger ist, Ruhe und Ordnung zu bewahren als immer wieder in spezielle Konflikte eingreifen zu müssen."