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Zwischen Tanzkunst und Überwältigungstheater

Tanzensembles aus aller Welt präsentierten während der Movimentos-Festwochen ihr Können. Höhepunkt des Festivals war eine hinreißende Choreografie der Sao Paulo Companhia de Danca, meint Franziska Buhre. Die Besucher freuten sich zudem über afrikanische Aphroditen und Versteckspiele.

Von Franziska Buhre |
    Die im Senegal arbeitende Germaine Acogny schickt neun "Afro-Dites" ins Feld, "afrikanische Aphroditen", denen die Choreografie ihren Namen verdankt. In Glitzer-T-Shirts, Stöckelschuhen, afrikanischen Gewändern und verhüllenden Tüchern, mit Perücken und Handtaschen ausgestattet, mischen die Frauen die Bühne gehörig auf.

    Gegen sie, die eine solche Fülle an Tänzen und Tanzstilen beherrschen, wirken europäische Tänzer wie Grobmotoriker. Zu einer klug komponierten Collage aus Perkussion, westafrikanischen Popmusiken und französischen Elektroniktüfteleien hat Acogny ein klassisches Stück Tanztheater geschaffen mit den typischen Elementen der Verfremdung von Alltagskleidung, dem Ausstellen mehrdeutiger Posen und dem Gesang als einender Kraft. Wie Requisiten, Kleidung, Musik, Licht und Choreografie im Verbund eine Geschichte vorantreiben, zeigte der irische Choreograf Michael Keegan-Dolan. Sein "Sacre du Printemps" evoziert ein schwarzromantisches Kunstmärchen.
    Die Klavierfassung zu vier Händen, live eingespielt von Liljana Vukelja und Mihajlo Zurkovic, lässt die Wucht von Strawinskys Orchesterfassung in keinem Moment missen. Sie geht vielmehr ein Zwiegespräch mit der Choreografie ein: die fünf Männer und Frauen des "Fabulous Beast Dance Theatre" übertragen die hervorstechenden Rhythmen der Musik in präzise Schrittgewitter. Der Holzboden erdet sie dabei zusätzlich, die Tanzenden finden in Kreisen mal als Gemeinschaft, mal als Meute zusammen. Messer und Hundemasken mit lechzenden Zungen lassen Böses ahnen, nach einem Zaubertrunk aus der Teekanne krampfen Frauen am Boden. Die Zigarette schließlich, die sich jeder selbst ansteckt, besiegelt den mörderischen Pakt und am Ende fällt der Vorgang vor einer entblößten Frau inmitten der mit scharfen Klingen heranrückenden Gruppe.
    Der spanische Choreograf und Wahl-Pariser José Montalvo ist sich dagegen nicht zu schade, von einem Kalauer in den nächsten zu fallen und das Bühnengeschehen in seinem "Don Quichote du Trocadéro" mit stümperhaften Videos, Animationen und Pferdegewieher aus der Konserve zu garnieren. Der Schauspieler Patrice Thibaud hält eine junge Truppe pantomimisch feixend auf Trab, deren Kunststücke aus rhythmischer Sportgymnastik, Hip-Hop und Stepptanz schon nach wenigen Minuten langweilen.
    Der Höhepunkt des Festivals war eine hinreißende Choreografie, die nur eine Viertelstunde dauerte. Die jungen Tänzer der Sao Paulo Companhia de Danca ließen die unverwechselbare Bewegungssprache von Marco Goecke, Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts, im Dämmerlicht aufleuchten.

    "Peekaboo", Versteckspiel und Titel der Uraufführung, entfacht mit so kontrolliert wie rastlos zuckenden Tänzern einen Widerstreit zwischen kindlichen Gesten und Wiederholungszwängen, die sich im Körper manifestiert zu haben scheinen. Wiederkehrender Fluchtpunkt der Choreografie ist ein klassischer Melonen-Hut, der Arme und Oberkörper der Tänzer zum Umherschwirren bringt und im Zuschauer wehmütige Erinnerungen freisetzt. Goecke reizt Tempo und Kondition der Tänzer so eigensinnig aus wie kaum ein anderer zeitgenössischer Choreograf. Mehr Eigensinnigkeit würde dem Konsensprinzip der Movimentos-Festwochen den verdienten Garaus machen.