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Zwischenlager möglicherweise verfassungswidrig

Im bayrischen Gundremmingen, wo bereits das größte Kernkraftwerk der Bundesrepublik steht, soll auch das größte Atommüllzwischenlager Deutschlands gebaut werden. Nachdem das Bayrische Verwaltungsgericht eine Klage von Umweltschützern abgewiesen hatte, gaben die Kläger ein Gutachten in Auftrag, ob Zwischenlager an deutschen Atomstandorten verfassungsgemäß sind. Ein Ergebnis: Derartige Einrichtungen verletzen die Schutzpflicht des Staates.

Von Klaus Wittmann |
    Vor knapp einer Woche noch hatte die Werksleitung des größten deutschen Atomkraftwerks in Gundremmingen vor 180 geladenen Gästen noch die fast fertige, 30 Millionen Euro teure, Castor-Lagerhalle präsentiert. Noch diesen Sommer sollen die ersten abgebrannten Brennelemente hier eingelagert werden. Doch genau dieses Vorhaben ist nach Überzeugung des Staatsrechtlers Christoph Degenhart nicht zulässig. Kurz vor der offiziellen Vorstellung seines Gutachtens sagte er uns in einem Telefonat, was ihn zu dieser Schlussfolgerung bewogen hat:

    " Ich sehe in der Tat einen Verstoß gegen das, was wir Juristen als Schutzpflicht des Staates für die Grundrechte ansehen. Und auch für die Grundrechte nachfolgender Generationen. Mein wesentlicher Einwand in der Sache ist der, dass hier ein Zwischenlager genehmigt wurde, obwohl noch nicht absehbar ist, wie die Entsorgung auf Dauer gelöst werden kann. Zum Anderen: in der Sache geht's mir vor allem darum, dass hier letztlich dieses Zwischenlager - so wie es aussieht - eine Art Endlager werden soll."

    Vor allem die Gesetzesnovelle von 2002, in der die Zwischenlagerung von hochradioaktivem Atommüll an den Kraftwerksstandorten ermöglicht wird, hält der Staatsrechtsprofessor in Teilen für verfassungswidrig. Die Betreiber ihrerseits wähnen sich nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom Januar auf rechtlich sicherem Terrain. Das Münchener Gericht hatte die Klagen in allen Punkten als unbegründet abgewiesen und nicht einmal Revision dagegen zugelassen. Eine rechtlich nicht zu haltende Entscheidung, wie Brigitte Dahlbender, die stellvertretende Bundesvorsitzende des BUND, des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland findet. Sie ist überzeugt davon, dass das nun vorgelegte Gutachten eine hervorragende Grundlage für das weitere Verfahren und die erforderliche Nichtzulassungsbeschwerde bietet. Und sie sieht nach Vorlage des Degenhart-Gutachtens die Kanzlerin gefordert:

    " Die klare Botschaft an die Bundeskanzlerin ist, dass das, was sie tut, wenn sie diesen Weg weiter beschreitet, ist verfassungswidrig. Wir wollen hoffen, dass unsere Kanzlerin so nicht handeln möchte. Sie muss unbedingt dieses Gutachten und unsere Position mit berücksichtigen. Sie hat uns nicht eingeladen, sie redet überwiegend nur mit der Atomlobby. Sie hat dort ein großes Ungleichgewicht geschaffen. Die Bundesregierung muss handeln. Sie muss die Entsorgungsfrage lösen und zwar in einem glaubwürdigen und schlüssigen Gesamtkonzept. Alles andere ist verfassungswidrig. Vor diesem Hintergrund können die Zwischenlager tatsächlich - so wie sie jetzt sind - nicht weiter gebaut werden und auch nicht bestückt werden."

    Groß ist die Freude bei den Klägern gegen die deutschen Atomzwischenlager - vor allem in Gundremmingen, wo einmal bis zu 192 Castoren eingelagert werden sollen. Raimund Kamm, der Sprecher der (vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof) unterlegenen Kläger findet, dass das Degenhart-Gutachten letztlich dazu führen wird, dass die 12 Atomzwischenlager an den 17 deutschen Atomstandorten nicht betrieben werden dürfen:

    " Wenn das Gericht dem folgt, dann ist ja klar, dass so, wie man's heute macht, nämlich Tag für Tag in Deutschland fast eine Tonne Brennelementemüll herzustellen, ohne dass es eine Entsorgung gibt - dass das nicht mehr geht. Es kann doch nicht wahr sein, dass hier die Atomanlagen betrieben werden - seit 45 Jahren laufen in diesem Land Atomkraftwerke - ohne dass es eine Entsorgung gibt. Das kann doch nicht rechtens sein."

    Dass es das nicht ist, das findet auch der gutachtende Staatsrechtler. Ob aber diese Meinung vom Bundesverwaltungsgericht und möglicherweise auch noch vom Bundesverfassungsgericht geteilt wird, das muss erst der weitere Rechtsweg zeigen.