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Zwischenmenschliches im Hirnscan

Neurowissenschaften. - Der Mensch ist ein soziales Tier. Dabei muss es gar nicht um den Aufbau tiefer Beziehungen, den Austausch wertvoller Informationen oder ein wichtiges Ziel gehen. Schon ein bloßes Gefühl des sozialen Austauschs reicht aus, um das Belohnungssystem im Gehirn zu aktivieren.

Von Volkart Wildermuth |
    Zwei Menschen sitzen am Kaffeetisch, die eine guckt auf den Kuchenteller, der andere folgt unwillkürlich diesem Blick und schaut ebenfalls den Kuchen an. Die gemeinsame Aufmerksamkeit ist wohl die einfachste Form der menschlichen Kommunikation, noch weit vor jeder Sprache, jeder Zusammenarbeit. Wir können gar nicht anders, als darauf zu achten, was unser Gegenüber beachtet. Dr. Ulrich Pfeiffer von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Köln hat untersucht, was bei dieser Minimalversion der sozialen Interaktion im Gehirn passiert. Das geht natürlich nicht an einem Kaffeetisch, die Versuchspersonen liegen in einem Scanner und sehen auf einen Bildschirm. Links und rechts ist je ein Würfel zusehen, in der Mitte ein Computeravatar. Ulrich Pfeiffer erklärt, dass dessen Augen mal von einer Software bewegt werden, mal von einem echten Menschen. Die Probanden sollen dann entweder den linken oder rechten Würfel ansehen und die Reaktion des Avatars abzuwarten.

    "Dieses Gesicht folgt den Probanden dann entweder mit dem Blick oder guckt auf das andere Objekt. Die Aufgabe der Probanden ist es, herauszufinden anhand der Blickbewegung, ob sie mit der anderen Versuchsperson oder einem Computerprogramm interagieren."

    Nach fünf Durchgängen sollen sich Probanden entscheiden, war ihr Gegenüber ein Mensch oder eine Maschine? Ulrich Pfeiffer fand große Unterschiede in der Gehirnaktivität, je nachdem, ob die Probanden die Interaktion als sozial oder als technisch erlebten. Glaubten sich die Probanden einem Computer gegenüber, dann waren vor allem Netzwerke der Aufmerksamkeit aktiv. Ganz anders, wenn sie subjektiv den Eindruck eines menschlichen Kontaktes hatten.

    "Wenn die Probanden denken, sie interagieren mit einer anderen Person, dann sehen wir Aktivierungen im ventralen Striatum und im medialen orbito-frontalen Cortex. Und das sind eben Kernregionen dessen, was man als Belohnungssystems bezeichnet. Wir schließen daraus, dass das Erleben einer Interaktion sozial belohnend ist."

    Das ist in gewisser Weise neu, denn bislang konnte eine solche Aktivierung des Belohnungssystems nur bei komplexeren sozialen Begegnungen nachgewiesen werden, bei denen Kooperation, Fairness und Vertrauen eine Rolle spielten. Felix Hasler, ein Kritiker der Hirnforschung, ist von solchen Ergebnissen nicht überwältigt.

    "Für sich betrachtet ist so ein Resultat ja immer irgendwie überzeugend, kann man sagen: Aha, hier findet das eben statt, aber das ist immer ein isoliertes Finding gewissermaßen und sobald man sich eben die ganze Geschichte anschaut, dann wird es eben häufig sehr trivial."

    In diesem Fall wäre der Aufwand mit dem Hirnscanner gar nicht unbedingt nötig gewesen. Ulrich Pfeiffer hat seine Probanden nämlich nach dem Experiment einfach gefragt, wie sie sich gefühlt haben und herausgefunden:

    "Dass die Probanden dann auch angegeben haben, dass sie es deutlich angenehmer fanden, wenn sie den Eindruck hatten, da ist wirklich eine Person dahinter."

    Rein psychologische Experimente können viele Fragen der Hirnforschung beantworten. Trotzdem ist Ulrich Pfeiffer davon überzeugt, dass die Scanner einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die Arbeitsweise des Geistes zu erklären. Zum Beispiel reagiert das Belohnungssystem sehr schnell. Es gab ja jeweils fünf Runden des Blickespiels, aber schon nach der zweiten hatte sich das Gehirn bereits auf eine der beiden Interpretationen, menschliches Gegenüber oder Computerprogramm, festgelegt. Der erste Eindruck spielt hier offenbar eine entscheidende Rolle. Das wäre über die bloße Befragung der Probanden natürlich nicht herauszubekommen gewesen. Letztlich geht es Ulrich Pfeiffer auch gar nicht nur um die reine Erkenntnis.

    "Unsere Motivation ist eben auch, dass wir gerne verstehen würden, was ist im normalen, gesunden Gehirn bei sozialer Interaktion der Fall und was passiert zum Beispiel bei autistischen Personen und um eben Unterschiede zu sehen, in der neuralen Aktivierung, benötigt man natürlich eine Methode, die das abbilden kann."

    Hinweis: Am Sonntag, 25. August, 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Brillante Bilder, bunte Blasen zum Thema.