Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv

2. Sinfonie - vor 175 Jahren uraufgeführt
Robert Schumanns sinfonisches Antidepressivum

Die Sinfonie galt im 19. Jahrhundert als Königsgattung. Inmitten schwerer Depression nahm Robert Schumann seine Sinfonie Nummer 2 C-Dur op.61 in Angriff. Mit ihrer Vollendung 1846 fand er sich therapiert. Am 5. November desselben Jahres wurde das anspruchsvolle Werk in Leipzig uraufgeführt.

Von Helga Heyder-Späth | 05.11.2021
    Ein Litografie- Porträt Robert Schumanns um 1888 auf einer historischen Noten-Handschrift seiner Sonate Nr. 1 Op. 2 Porträt Robert Schumanns auf einer historischen Noten-Handschrift seiner Sonate Nr. 1 - um 1988
    Porträt Robert Schumanns auf einer historischen Noten-Handschrift seiner Sonate Nr. 1 - um 1888 (picture alliance / imageBROKER )
    "In mir paukt und trompetet es seit einigen Tagen sehr; ich weiß nicht, was daraus werden wird."
    Das schrieb Robert Schumann im Dezember 1845 an seinen Freund und Kollegen Felix Mendelssohn Bartholdy. Was da in Schumanns Kopf tönte, waren vermutlich die ersten Ideen für eine Sinfonie in C-Dur.

    "Schwindel", "nervöse Zustände"

    Den Entwurf der Sinfonie brachte Schumann noch bis Ende des Jahres in nur 16 Tagen zu Papier. Die Instrumentierung und Ausarbeitung nahmen dann Monate in Anspruch. Schumann hatte eine lange Phase der Depression hinter sich und klagte über "Schwindel", "nervöse Zustände" und eine "schreckliche Schwäche". Das Komponieren habe da eine geradezu therapeutische Wirkung gehabt, schreibt er Jahre später:
    "Die Symphonie schrieb ich im Dezember 1845 noch halb krank; mir ist's, als müsste man ihr dies anhören. Erst im letzten Satz fing ich an, mich wieder zu fühlen; wirklich wurde ich auch nach Beendigung des ganzen Werkes wieder wohler."

    Ein Psychogramm ihres Komponisten ist die Sinfonie nicht

    Dennoch lässt sich die C-Dur-Sinfonie nicht auf ein Seelenbild ihres Komponisten reduzieren. Schumann lotet darin die sinfonische Gattung neu aus und findet für sich zugleich zu einer neuen Kompositionspraxis, so Armin Koch von der Robert-Schumann-Forschungsstelle in Düsseldorf:
    "Schumann selbst beschreibt, dass er ursprünglich mal so alle Gedanken sofort umgesetzt hat. In dieser Zeit ändert sich das, dass er von Anfang an verschiedene Möglichkeiten ausprobiert. Also, es gibt verschiedene Entwürfe, auch mehr oder weniger parallel. So dass er da auch noch seinen Weg gesucht hat, diese große Form neu zu füllen. Und da noch stärker daran zu arbeiten."

    Das schwere Erbe Beethovens und Mozarts

    Seit dem 18. Jahrhundert hatten Komponisten wie Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und vor allem Ludwig van Beethoven sinfonische Maßstäbe gesetzt. Ihr gewichtiges Erbe nahm sich Schumann ebenso zum Vorbild wie die "große" C-Dur-Sinfonie von Franz Schubert. Außerdem studierte er die Werke von Johann Sebastian Bach, was sich in seiner eigenen C-Dur-Sinfonie vor allem im Adagio des dritten Satzes spiegelt. Dazu Armin Koch:
    "Es sind Motive, wie sie auch bei Bach vorkommen, nämlich chromatische Linien, die in romantischer Art weiterentwickelt werden. Aber man sieht trotzdem diese Zusammenhänge, und das ist auch das Besondere nicht zuletzt dieser Sinfonie. Dass die Sätze aufeinander bezogen sind, also vor allen Dingen der Finalsatz greift alle anderen Sätze wieder auf und zeigt eben letztlich diese Entwicklung, die in der Sinfonie drinsteckt."
    Musiker und Komponisten Robert und Clara Schumann auf einer Lithograpie aus dem Jahr 1847 von Eduard Kaiser, spätere Kolorierung.
    Sinnlicher Audioguide im Schumann-Haus Leipzig - Privatsphäre einer Künstlerehe
    Sinnlich eintauchen in die Privatsphäre des Ehepaares Clara und Robert Schumann – mithilfe eines neuen Audioguides ist das im Schumann-Haus in Leipzig möglich. Ein virtueller Besuch in der Inselstraße 18.

    Die Uraufführung fand am 5. November 1846 im Leipziger Gewandhaus statt. Schumann reiste aus Dresden an, wo er damals lebte. Die Leitung übernahm Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy. Selbst für ihn eine anspruchsvolle Aufgabe, so Armin Koch:
    "Es war so, dass Schumann mit dieser Sinfonie ganz besondere spieltechnische Herausforderungen gestellt hat, über die sich offensichtlich manche Musiker beklagt haben. Aber es wird mehrfach berichtet, dass Felix Mendelssohn Bartholdy sehr intensiv mit den Musikern geprobt hat. Und auch auf Schumanns Bemerkungen dazu eingegangen ist."
    Gesamtaufnahme der Schubert-Sinfonien 
    "Schubert war nie ein spätromantischer Pathetiker", sagt der Dirigent Heinz Holliger. "Bei ihm ist eine Grundtrauer in der Musik, die aber nie laut schreit oder Selbstmitleid zeigt." Mit der Aufnahme der "Großen Sinfonie" von Schubert mit dem Kammerorchester Basel verfolgt Holliger darum andere Klangideale.

    Die Resonanz der Uraufführung war eher verhalten. Die Sinfonie erklang im Konzert relativ spät, als das Publikum schon ermüdet war. Für eine zweite, erfolgreichere Aufführung überarbeitete Schumann sie noch einmal. Obwohl es sich chronologisch eigentlich um sein drittes Sinfonieprojekt handelt, erschien das Werk ein Jahr später als seine zweite Sinfonie, Opus 61 im Druck. Ihre große Bedeutung für Schumanns Schaffen brachte ein Kritiker 1848 in der "Neuen Zeitschrift für Musik" auf den Punkt:
    "Der Componist hat mit diesem Werke einen neuen Höhepunkt seines Schaffens erreicht. Wer sich nicht bereits in die Individualität des Tondichters eingelebt hat, der wird durch dieses Werk vor allen anderen seiner Werke erfasst werden."