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Elektromagnetischer Versuchsstand

Technik. - Jeder Flugpassagier kennt das absolute Handy-Verbot an Bord der Verkehrsmaschinen. Moderne Flugzeuge sind derart vollgestopft mit Elektronik, dass elektromagnetische Strahlung ein Problem darstellen kann. Weil das auch für die hochgezüchteten Militärflugzeuge gilt, unterhält der italienische Flugzeug- und Rüstungskonzern Alenia in Turin die weltweit größte Elektrosmog-Testanlage.

Von Thomas Migge | 12.12.2008
    Draußen Alltagslärm: eine nahe gelegene Autobahn. Ein Zug rast nicht weit entfernt vorbei. Und dann: in die Stille hineingehen. Durch verschiedene Räume, die mit schalldichten Türen verschlossen werden. Die totale Stille, in der auch nicht das kleinste Geräusch zu hören ist.

    Im Zentrum des riesigen Gebäudes am Stadtrand von Turin befindet sich ein Saal: 30 mal 30 Meter breit und 20 Meter hoch. An der Decke hängt ein Kampfflugzeug. Ein europäische Produkt, das mit der US-Militärforschung mithalten soll. Die Wände, der Fussboden und die Decke des Gebäudes verstecken sich hinter circa 11.000 bis zu 40 Zentimeter langen Schaumstoffspitzen. Auf das Flugzeug sind Videokameras gerichtet. Es gibt eine Tür und sonst nichts. Die ganze Technik der weltweit größten und modernsten Anlage dieser Art befindet sich in einem kleinen Raum; draußen, ausserhalb des Schaumstoffsaals, erklärt Ingenieur Nazario Cauceglia vom Luftfahrtunternehmen Alenia. Caucelia hat zusammen mit Kollegen die technische Ausstattung des Testsaals organisiert: 


    
"In diesem Raum wollen wir herausfinden, ob elektromagnetische Strahlungen mit der Technik von Flugzeugen kompatibel sind und die Flugtechnologie nicht stören. Wie haben es mit zwei Problemen zu tun, die solche Tests heute unerlässlich machen: zum einen sind Flugzeuge immer mehr Strahlen und Magnetfeldern ausgesetzt und zum anderen haben unsere Kampfflugzeuge immer mehr elektronische Komponenten.”"

    Und sind somit immer verwundbarer im Falle eines mögliches Einsatzes. Elektromagnetische Strahlungen machen aber zunehmend auch in der zivilen Luftfahrt Probleme. So zeigen sich bereits Luftfahrtunternehmen wie Air France-KLM und Lufthansa an der bei Turin errichteten Testanlage interessiert. Nazario Cauceglia:

    ""Die Größe dieser Anlage erlaubt es uns, komplette Flugzeuge mit einem Gewicht von bis zu 25 Tonnen zu testen. Das Flugzeug wird dafür auf einer Plattform mit einem Durchmesser von zehn Metern positioniert. Diese Plattform wird von Stahlseilen in die Höhe gezogen. Das Flugzeug kann auf diese Weise von allen Seiten getestet."

    
Nicht nur die Größe der Anlage, die im Fachjargon "Camera Anecoica”, echoloser Raum genannt wird, macht sie international konkurrenzlos. Die Turiner Ingenieure haben das Testgebäude und die gesamte Computertechnik gegen elektromagnetische Strahlungen abgeschirmt. Dazu der an dem Projekt mitbeteiligte Ingenieur Valerio Bonelli:

    "Dieser echolose Raum ist von außen mit zentimeterdicken Stahlplatten abgedeckt. Sie ermöglichen eine komplette Strahlenisolation. Auf diese Weise können wir die Auswirkungen künstlich erzeugter elektromagnetischer Felder auf die Technik der Flugzeuge möglichst präzis ermitteln – ohne Störfaktoren, die die Testergebnisse verfälschen könnten. Über eine Computerverbindung kontrollieren die Wissenschaftler die Auswirkungen elektromagnetischer und anderer Strahlungen auf die Steuerungs- und Kontrolltechnik eines Flugzeugs"

    Der echolose Raum dient bis jetzt primär militärischen Zwecken – das macht vor allem der Umstand deutlich, dass in ihm nur kleinere Flugzeuge getestet werden können. Die großen Maschine der zivilen Luftfahrt passen nicht in den Testraum. Die europäische Verteidigungsindustrie will auf Angriffssysteme vorbereitet sein, deren Ziel es ist, die hochkomplexe aber auch hochsensible Elektronik von Kampfflugzeugen außer Kraft zu setzen.