Archiv


Alte Idee, neu entdeckt

Umwelt. - Es gibt Ideen, die auf die Welt kamen, als die Zeit noch nicht reif für sie war. Das Konzept, mit farbigen Glasscheiben Sonnenlicht einzufangen, zu konzentrieren und anschließend mit Solarzellen in Strom zu verwandeln, war eine solche Idee. Bereits 1976 hatte sie den Gründer des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme umgetrieben. Adolf Goetzberger heißt der längst emeritierte Professor - und er dürfte mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass seine Idee, die damals nicht abhob, momentan einen zweiten Frühling erlebt. Neue Materialien und Technologien machen das Konzept auf einmal so interessant, dass verschiedene Gruppen daran forschen. Unter anderem auch in Freiburg, wo alles begann.

Von Ralf Krauter |
    Jan-Christoph Goldschmidt will einer alten Idee endlich zum Durchbruch verhelfen. Der Physiker vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg schreibt gerade seine Doktorarbeit - und er ist überzeugt, dass das über 30 Jahre alte Konzept, Sonnenstrahlen mit Hilfe spezieller Fluoreszenzkollektoren zu bündeln, eine Zukunft hat. Um zu veranschaulichen, wie die aussehen könnte, hält Goldschmidt eine kleine, orange leuchtende Plexiglasscheibe ins Licht.

    " Das ist eine Plexiglasplatte mit einem Farbstoff. Der Farbstoff absorbiert Licht, und er sendet es dann in alle Raumrichtungen wieder aus. Und ein Teil davon wird in der Plexiglasplatte geführt und tritt dann erst an den Kanten aus. Deshalb leuchten hier diese Kanten sehr hell. Und an den Kanten kann man jetzt Solarzellen anbringen, die das Licht, das dort gesammelt wird, in Strom umwandeln. "

    Weil Solarzellen gebündeltes Licht effizienter in Strom verwandeln können, sind Technologien zur Konzentration von Sonnenlicht derzeit gefragt. Mit ihrer Hilfe könnte es gelingen, die Kosten für die Herstellung von Solarstrom merklich zu drücken. Bei großen Photovoltaik-Kraftwerken kommen deshalb zunehmend fokussierende Spiegel und Brenngläser zum Einsatz. Allerdings funktionieren solche Optiken nur bei direkter Sonneneinstrahlung - also bei wolkenlosem Himmel im Freien. Ganz anders die orange-transparente Scheibe von Jan-Christoph Goldschmidt.

    " Wir sitzen jetzt hier auch in einem Raum, die Sonne scheint nicht direkt drauf, aber trotzdem leuchten diese Kanten hell. Das heißt, ein System mit Linsen oder Spiegeln, das können sie in Spanien oder Italien einsetzen. Das lohnt sich aber nicht so ein Konzentratorsystem in Deutschland zu bauen. Einen Fluoreszenzkonzentrator können sie eben auch in Deutschland einsetzen, weil er eben auch diffuses Licht konzentrieren kann. Und sie müssen ihn nicht der Sonne nachführen. Eine Linse, die müssen sie immer zur Sonne ausrichten, damit ihre Solarzelle im Fokus ist. So ein Fluoreszenzkonzentrator, da ist es egal, wie sie den halten, der sammelt immer das Licht ein. "

    Ein Vorteil, der durch geringere Effizienz erkauft wird. Weil ein Großteil des Fluoreszenzlichtes auf der Strecke bleibt, ist die Stromausbeute am Rand der Plexiglasscheibe relativ gering. Um sie steigern, stapeln die Forscher mehrere der transparenten Platten aufeinander.

    " Wenn ich jetzt unterschiedliche Platten mit unterschiedlichen Farbstoffen - also das gibt es in gelb, in rot, in blau - übereinander staple, dann kann ich das Ganze Sonnenspektrum ausnutzen. Und kann das aber auch gleichzeitig aufteilen. Es gibt Solarzellen, die sind besonders gut für gelbes Licht und andere für blaues. Dadurch kann ich das Licht, dass zu einer Solarzelle passt, genau zu dieser Solarzelle leiten. "

    Mit einem Sandwich aus einer roten und einer gelben Farbstoffscheibe erzielten die Freiburger so kürzlich bereits Wirkungsgrade von 6,7 Prozent. Verglichen mit einfachen Silizium-Solarzellen ist das zwar mickrig, aber für Fluoreszenzkollektor-Zellen war es ein neuer Weltrekord. Und die nächsten Fortschritte sind schon in Arbeit. Selektiv spiegelnde Beschichtungen sollen die Lichtverluste auf dem Weg zu den Solarzellen am Rand der Plexiglasscheibe stark verringern und neuartige Farbstoffmoleküle künftig auch infrarotes Licht einfangen. Dadurch ließe sich auch die bislang ungenutzte Wärmestrahlung in Solarstrom verwandeln.

    " Wir haben Anwendungen, wo wir einen Zusatznutzen erzeugen können im Visier. Also zum Beispiel Fenster - nicht unbedingt das Wohnzimmerfenster, da möchte man ja immer besonders klar nach draußen schauen können, aber zum Beispiel in großen Bürogebäuden oder Industriegebäuden: Dort können wir uns vorstellen, wenn wir statt den normalen Fenstern, Fenster einbauen, die auch gleichzeitig Strom produzieren, dann könnte sich das sehr gut lohnen. Weil das Fenster muss ich sowieso bezahlen und der zusätzliche Aufwand, da Solarzellen in den Rahmen zu bauen, ist wahrscheinlich nicht so groß. Und dann haben wir ein Fenster, das Strom produziert und gleichzeitig den Innenraum vor Überhitzung schützt. Das ist denke ich so die erste Anwendung. Beziehungsweise dann eine noch kleinere Nische: Gewächshäuser, in denen das Licht so verändert wird, dass die Pflanzen besser wachsen und gleichzeitig Strom produziert wird. Da gibt es tatsächlich auch schon reales Interesse von der Industrie für. "

    Ein paar Jahre wird die sich aber schon noch gedulden müssen, sagt Jan-Christoph Goldschmidt. Von kommerziellen Produkten sei man noch ein gutes Stück entfernt. Doch die jüngsten Erfolge stimmen den Physiker optimistisch. Wenn alles nach Plan läuft, käme eine alte Idee aus den 1970er Jahren dann doch noch zu ihrem Recht. Diesmal wäre die Zeit reif dafür.